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Schutz Das Frauenhaus ringt um Kitaplätze

Frauen, die vor häuslicher Gewalt flüchten, finden im Frauenhaus Schutz. Ihre Kinder brauchen mindestens genauso viel Aufmerksamkeit.

Von Gudrun Billowie 15.02.2020, 00:01

Wolmirstedt l Eigentlich soll die Familie Zufluchtsort sein, Geborgenheit geben, stark machen, um in der Welt zu bestehen. Doch nicht alle Familien können so leben, in manchen herrscht die Sprache der Gewalt. Wollen Frauen da ausbrechen, sich selbst und die Kinder retten, finden sie - oftmals mit Hilfe der Polizei - Zuflucht im Frauenhaus. Im vergangenen Jahr wurden dort 34 Frauen und 54 Kinder betreut und unterstützt, einen sicheren Weg einzuschlagen.

Für ein gewaltfreies Leben brauchen Frauen oft eine neue Wohnung, müssen den Alltag für sich und die Kinder neu organisieren. Das dauert. „Manche sind über fünf Monate lang bei uns“, sagt Wladilena Engelbrecht, Teamleiterin im Frauenhaus. Im Schnitt leben Frauen 60 Tage und Kinder 56 Tage im Frauenhaus, also über acht Wochen.

Viele Frauen haben mehrere Kinder, sodass oft eine quirlige Schar zusammenkommt. „Im Sommer haben 18 Kinder mehrere Wochen lang mit ihren Müttern hier gelebt“, erzählt Wladilena Engelbrecht. Ausgelegt ist das Frauenhaus für acht Frauen und 13 Kinder.

Die zunehmende Kinderzahl stellt die Mitarbeiterinnen vor Herausforderungen. Solange die Kinder nicht im Schulalter sind, verbringen sie den ganzen Tag mit ihren Müttern im Frauenhaus. Kita-Plätze stehen nicht zur Verfügung.

Für die Frauen wäre es jedoch wichtig, die Kinder stundenweise anderweitig gut behütet zu wissen. Das würde ihnen den Raum zum Durchatmen geben, um mit Hilfe der Frauenhausmitarbeiterinnen das eigene Leben neu zu sortieren, stark zu werden, auch für die Kinder. Doch Kita-Plätze in der Nachbarschaft sind nicht zu bekommen. Die Einrichtungen der Sozialen Bürgerinitiative Glindenberg (SBI) sowie des Bodelschwingh-Hauses sind voll, es gibt längst eine Warteliste. Das bestätigen SBI-Geschäftsführerin Andrea Weimeister sowie Norman Girmann, der sich um die Kitas des Bodelschwingh-Hauses kümmert.

Andere Kitas, die zwar Plätze bereithalten, aber zu Fuß nicht zu erreichen sind, kommen für die Frauen nicht in Frage. Sie sind meist nicht mobil.

Alternativ zum Kitaplatz können sich die Frauenhausmitarbeiterinnen auch eine Erzieherin im Team vorstellen, die sich den Kinder einige Stunden des Tages gesondert widmet. Diesen Wunsch hat Caritas-Mitarbeiterin Eileen Dittmar erst einmal mit nach Magdeburg genommen.

Der Magdeburger Regionalverband der Caritas ist seit April vergangenen Jahres Träger des Frauenhauses, hat diese Aufgabe vom Verein „Rückenwind“ übernommen. Außerdem beteiligen sich das Land Sachsen-Anhalt und der Landkreis Börde an der Finanzierung. Dieser Trägerwechsel zur Caritas hat dem Frauenhaus schon viel Gutes beschert. Eine große Hilfe ist eine weitere Mitarbeiterin. Astrid Nickoll bereichert das eingespielte Team von Wladilena Engelbrecht, Carmen Rygalla und Ramona Dieckmann.

Die Sozialpädagogin kennt sich auch mit der Trauma-Therapie aus und sieht ihre Aufgabe vor allem darin, den Weg aus der Gewalt zu weisen und auch den Kindern zu zeigen, wie ein Leben ohne Gewalt aussehen kann. Viele haben in ihren jungen Jahren schon viel Schlimmes mit angesehen, oft sogar selbst erlebt. „Wir möchten erreichen, dass die Gewalt nicht in die nächste Generation übernommen wird.“

Gern würden sich die Frauenhausmitarbeiterinnen dieser sehr intensiven Aufgabe noch stärker widmen, doch bisher nimmt die Kinderbetreuung einen großen Raum im Arbeitsalltag ein.

Die trägt allerdings Früchte. „Wir hören von Kindern oft, dass die Zeit im Frauenhaus schön war, viele möchten sogar wiederkommen“, sagt Wladilena Engelbrecht. Offenbar haben es die Jüngsten sehr genossen, dass sich die Mitarbeiterinnen so intensiv kümmern, sogar Ausflüge für die Frauen und Kinder organisieren. Zudem sind die Räume im Frauenhaus hell und freundlich gestaltet, es gibt viel Spielzeug und bunt gestaltete Wände.

Bald soll der Zugang auch barrierefrei möglich sein. Die Caritas kümmert sich um einen Aufzug, denn es kommt immer wieder vor, dass auch Rollstuhlfahrerinnen im Frauenhaus Unterschlupf brauchen.

Eine andere Hürde, die Sprache, ist hingegen weniger hinderlich. Etwa die Hälfte der schutzsuchenden Frauen stammt ursprünglich aus anderen Ländern. Es stehen jedoch ausreichend Dolmetscher zur Verfügung. „Für Frauen aus anderen Kulturkreisen ist es oft doppelt schwer“, weiß Wladilena Engelbrecht, „sie müssen sich nicht nur gegen den gewalttätigen Ehemann, sondern gegen die ganze Familie stemmen.“ Trotzdem: Auch sie finden einen Weg aus der Gewalt.

Das Frauenhaus des Landkreises Börde ist unter der Telefonnummer 0391/28 92 10 60 oder über die Polizei zu erreichen.