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Skeleton Große Augen unterm Helm

Der erste Weltcup-Sieg kann Christopher Grotheer nicht trösten: Die Enttäuschung über die abgelaufene Saison überwiegt.

Von Daniel Hübner 26.03.2017, 23:11

Magdeburg l Kein Wunder, dass Christopher Grotheer ausgebrannt ist. Die letzte Reise war symbolisch für die gesamte Saison. 25 ermüdende Stunden dauerte die Heimkehr vom Weltcup in Pyeongchang (Südkorea) in die Wahlheimat Oberhof. Am vergangenen Sonntag, 20.30 Uhr, öffnete er schließlich die Wohnungstür. Am Montag um 5.20 Uhr stand er wieder auf – für seine Ausbildung zum Polizeimeister. „Wenn du von Anfang Oktober bis Mitte März unterwegs bist“, sagte der Skeleton-Pilot, „ist das schon heftig.“

Heftig war auch der zweite Teil seiner Saison. Emotional heftig begann er in Altenberg Anfang Januar, als er zu seinem ersten Weltcup-Sieg fuhr. Ebenso emotional heftig durchlebte er am letzten Februar-Wochenende die Weltmeisterschaft in Königssee, die enttäuschend endete. Statt der ersehnten Medaille wurde es Platz sechs. „Die Gesamtleistung hat einfach nicht gestimmt“, resümierte der Wernigeröder.

Die Gesamtleistung begann mit einer Vorbereitungswoche in Bayern, in der er einen völlig neuen Schlitten fuhr. „Da hatte sich angedeutet, dass es nicht so gut läuft“, erklärte Grotheer. „Wenn man konstant im Training fährt, holt man sich Sicherheit und Vertrauen, weiß man, dass es auch im Rennen geht.“ Wenn er diese Konstanz nicht findet, macht sich Grotheer naturgemäß zu viele Gedanken und verliert die Lockerheit. Auch diese hatte ihm die Konkurrenz in Königssee voraus.

Zur Gesamtleistung zählt zudem der Start. Aber die Zeiten auf den ersten Metern waren den ganzen Winter lang nicht berauschend. „Am Start habe ich bei der WM nichts besseres gezeigt als in der gesamten Saison, da brauchte ich nicht auf ein Wunder hoffen.“ Grotheer musste über seine eigentlich über jeden Zweifel erhabene fahrerische Qualität kommen – und eben über das Material.

Aber diese Schlacht hatte er ebenso verloren. Hatte er in den ersten beiden der vier Wertungsläufe in Königssee neue Kufen probiert, fuhr in den folgenden auf den Siegerschienen von Altenberg. Ergebnis: „Ich wollte volles Risiko gehen und bin runtergestürzt wie ein Anfänger. Und deshalb war ich enttäuscht.“

Mit Blick auf die Spiele 2018 war das eine ungewollt lehrreiche Saison. Auch in dieser Hinsicht: Nach einem verkorksten Winter 2015/16 mit nur drei Rennen aufgrund eines Muskelfaserrisses hat Grotheer die körperliche und mentale Belastung einer gesamten Serie zu spüren bekommen. „Das habe ich unterschätzt, mir hat die Wettkampfhärte gefehlt“, erklärte er mit Rückblick auf seinen fast sechsmonatigen Ausfall im letzten Jahr. Auch deshalb war der 24-Jährige nach dem Weltcup in Pyeongchang völlig ausgebrannt.

In Südkorea allerdings „habe ich große Augen unterm Helm bekommen“. Auf der Olympiabahn belegte er Platz acht. Der Schlitten nahm enormes Tempo auf, bis zu 127 Kilometern pro Stunde. Jede Berührung mit der Holzbande entlang der 1376 Meter langen Bahn bedeutete dennoch Zeit- bis hin zum Kontrollverlust. „Die zeitlichen Abstände sind brutal eng“, so Grotheer. „Entscheidend wird bei Olympia sein, dass man die Kurven vier, sieben und neun trifft.“ Entscheidend ist jetzt aber, dass er den Kopf freibekommt.