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Sparkurs Patient Stadt soll genesen

Die Stadt Osterwieck ist finanziell gesehen seit ihrer Gründung chronisch krank. Die Ausgaben übertreffen bei weitem die Einnahmen.

Von Mario Heinicke 26.11.2016, 10:00

Stadt Osterwieck l Es ist nur eine halbe Stunde, in der Unternehmensberater Dirk Barth aus Bonn die Ergebnisse des Haushaltsgutachtens mit seinen 29 Sparmaßnahmen der Öffentlichkeit vorstellt. Eine halbe Stunde, die es in sich hat, in der Stadtratsvorsitzender Dirk Heinemann (SPD) Widerspruch von seinen Abgeordnetenkollegen im Keim erstickt.

Der Stadtrat ist anschließend nur dem Anschein nach in Schockstarre verfallen. Tatsächlich haben die Abgeordneten das Papier intern schon vor zwei Wochen erläutert bekommen und waren vorgewarnt. Diskussionen gibt es an diesem Abend nicht mehr. Aber die wird es in den nächsten Monaten geben – müssen. Denn ohne radikale Sparmaßnahmen wird kein Haushaltsplan 2017 zustande kommen.

Bis zum Jahresende sollen sich die Stadtratsfraktionen nun Standpunkte erarbeiten, parallel wird es die Stadtverwaltung tun. Im Januar will man ein Zwischenfazit ziehen.

Was beinhalten die einschneidendsten Punkte?

Die Gutachter schlagen vor, die Ortschaftsräte in Orten unter 1000 Einwohnern aufzulösen. Praktisch hieße das, nur noch Osterwieck und Hessen besitzen Ortsräte, alle anderen würden von einem Ortsvorsteher vertreten. Was die Kommunalverfassung ab 2019 ohnehin für Orte unter 300 Einwohner als verpflichtend vorsieht. Alternative wären weniger Ratssitzungen und geringere Aufwandsentschädigungen für die Abgeordneten.

Die knapp 300 Hektar Osterwiecker Stadtwald könnten im Eigentum bleiben, da sie einen leichten Gewinn erwirtschaften. Was aber abhängig von den Holzpreisen sei, wie Dirk Barth betont. Geht die Bilanz ins Minus, sollte verkauft werden, was eine einmalige Einnahme von drei Millionen Euro einbringen könnte.

Das Tiergehege am Osterwiecker Waldhaus soll an einen Verein übertragen werden.

Durch die im Juli erfolgte Übernahme der Touristinformation durch einen Verein ist bereits eine Einsparung vorgenommen worden. Ansonsten hätte das Büro an diesem Ort geschlossen werden sollen.

Es soll an einen Verein übertragen oder ersatzlos geschlossen werden.

Sie soll geschlossen oder an einen Träger übergeben werden. Den Gutachtern fiel die niedrige Nutzerzahl auf – auf Grund veralteter Bestände, die wiederum auf das geringe Medienbudget zurückzuführen sind.

Die Stelle des Sozialarbeiters, der die acht Jugendclubs betreut, sollte erhalten bleiben, das Budget der Einrichtungen aber etwa halbiert werden.

Keine Veränderungen soll es für das Sportzentrum Osterwieck sowie die Sporthallen Dardesheim und Hessen geben, da diese für den Schulsport benötigt werden. Die anderen Sporteinrichtungen sollen mit einem knapperen Budget ausgestattet werden. Wobei vorgeschlagen wird, die Sportlerheime Dardesheim und Lüttgenrode zu schließen, weil es hier jeweils zwei Sportobjekte im Ort gibt.

Zwei kommunale Freibäder gibt es derzeit noch – in Hessen und Osterwieck. Das Hessener soll geschlossen werden. Denn das Osterwiecker Bad hat mehr Besucher und einen höheren Kostendeckungsgrad. Dieses würde auch für den Schwimm-unterricht der Schulen in der Einheitsgemeinde benötigt. Im Osterwiecker Bad sollen zugleich die Eintrittsgelder um 25 Prozent erhöht werden sowie auch die Kitas und Schulen Eintritt bezahlen.

Die Stadt verfügt über 24 Gemeinschaftshäuser und Mehrzweckbauten, die jährlich 195 000 Euro kosten. „Das ist eine hohe wiederkehrende Belastung“, betont Dirk Barth. Die Häuser und Hallen sollen binnen drei Jahren aufgegeben oder an Vereine übertragen werden.

Acht der 13 städtischen Kindertagesstätten sollen an die Arbeiterwohlfahrt als Träger übergeben werden. Zwei weitere sind bereits in deren Trägerschaft. Deren Kosten sind weit günstiger.

Die Gutachter empfehlen dringend mit dem Landkreis zu verhandeln, damit er sich als Schulträger an den Kreditkosten beteiligt. Die Stadt hatte das Gymnasium vor über 20 Jahren gebaut, die Trägerschaft erst 2003 an den Kreis übertragen, ohne aber ihre Kredite mit zu übergeben. Nur 56 Prozent der Schüler kommen aus den Orten der Stadt Osterwieck, 44 Prozent aus dem Landkreis und darüber hinaus, stellt Barth fest. Nach seiner Einschätzung sollte der Landkreis wenigstens die aufgelaufenen Zinsen übernehmen – 1,8 Millionen Euro. Diese könnten mit der gestundeten Kreisumlage, die die Stadt schuldet, verrechnet werden.

„Dort sind die Kosten am höchsten“, erklärt der Unternehmensberater. Die Kapazitäten der anderen beiden Grundschulen würden ausreichen, um die Kinder aus Bühne aufzunehmen. Die Schließung in Bühne wird dabei nur als „Eventualposition“ gesehen. Barth: „Ich hoffe, dass die Entscheidung nicht notwendig sein wird.“

„Wir empfehlen ausdrücklich, den Acker nicht zu veräußern“, betont der Gutachter. Die Pachten sollten aber erhöht werden. Die Einheitsgemeinde hat insgesamt 177 Hektar Ackerland verpachtet.

In der Einheitsgemeinde sind 229 Zweitwohnungen gemeldet. Die Nutzer sollen mit einer Zweitwohnungssteuer belegt werden, wie es in größeren Städten bereits üblich sei.

Das Friedhofswesen arbeitet nach wie vor nicht kostendeckend. Eine Lösung wird in der Vergabe von Pflegeleistungen an Firmen gesehen, die bereits auf dem Weg ist. Seite 17