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Nach Blutbeutel-Fund Banges Warten auf weitere Enthüllungen im Doping-Skandal

Welches Ausmaß hat der Doping-Skandal um den Erfurter Sportmediziner? Aufschlüsse könnten Blutbeutel bringen. Der DOSB bekräftigt, dass seine Sportler nicht verwickelt seien: "Stand heute." Ein estnischer Langläufer berichtet über die Zusammenarbeit mit dem Arzt.

01.03.2019, 15:44
Dieter Csefan vom österreichischen Bundeskriminalamt und Hansjörg Mayr (r), Staatsanwalt in Innsbruck sprechen über die Doping-Razzia. Foto: Thomas Eßer
Dieter Csefan vom österreichischen Bundeskriminalamt und Hansjörg Mayr (r), Staatsanwalt in Innsbruck sprechen über die Doping-Razzia. Foto: Thomas Eßer dpa

Seefeld (dpa) - Die Furcht vor neuen Enthüllungen im Doping-Skandal um den Erfurter Sportmediziner wächst. Das Ausmaß ist nach den Razzien in Erfurt und bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld noch nicht absehbar.

Mit Spannung wird auf die Auswertung von Blutbeuteln gewartet, die bei Hausdurchsuchungen in Erfurt sichergestellt wurden. Weitere Aufschlüsse könnten die Vernehmungen des festgenommenen Arztes Mark S. ergeben.

Dieser kooperiere "vollumfänglich mit den Ermittlungsbehörden", teilte einer der Anwälte der "Bild"-Zeitung mit. Mark S. waren in seiner früheren Rolle als Radsport-Teamarzt schon Doping-Machenschaften vorgeworfen worden, die Vorwürfe hatte er stets bestritten.

In Erfurt waren bei den Razzien laut "Frankfurter Allgemeine Zeitung" mehr als 40 Blutbeutel sichergestellt worden. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete von mindestens einigen Dutzend kühl gelagerter Blutbeutel. Angeblich seien diese mit Tarnnamen versehen gewesen, hieß es.

Nach Angaben von Dieter Csefan vom österreichische Bundeskriminalamt arbeiten die Behörden eng mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und den Nationalen Anti-Doping-Agenturen (NADA) zusammen. Er sieht "gute Möglichkeiten, die Blutbeutel über DNA-Tests den jeweiligen Besitzern zuordnen zu können", wurde er in der "SZ" zitiert. Die Ermittler gehen von einem internationalen Doping-Netzwerk aus, in das neben den am Mittwoch festgenommenen neun Verdächtigen weitere Personen verwickelt sein könnten.

NADA-Vorstand Lars Mortsiefer betonte, seine Organisation könne den Ermittlern bei der Zuordnung von Blutbeuteln zu Sportlern helfen. "Aber das setzt in der Tat voraus, dass deutsche Athletinnen und Athleten involviert sind. Und Anhaltspunkte dafür haben wir im Moment nicht", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Wenn ein Arzt Athleten international mit Blutbeuteln versorge, sei eine gewisse Systematik erkennbar. "Dementsprechend gehen wir das offen an und schauen, wie es sich darstellt. Ausschließen würde ich jetzt nicht, dass es noch weitere Kreise zieht."

DOSB-Präsident Alfons Hörmann wiederholte am Freitag, dass deutsche Sportler nicht in die Affäre verwickelt seien. "Aber ich betone immer wieder: Stand heute", sagte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Der österreichische Skiverbands-Präsident Peter Schröcksnadel bekräftigte indes auf Nachfrage des MDR seinen Vorwurf gegen deutsche Sportler. "Ich habe Informationen, dass auch deutsche Athleten betroffen sind", sagte der 77-Jährige. In einem Interview des österreichischen "Kurier" klagte er: "Die Zentrale ist schon in Deutschland, aber auf die Österreicher wird jetzt hingehaut."

Der estnische Skilangläufer Karel Tammjärv gab am Freitag ausführlich Auskunft über seine Dopingpraktiken und beschrieb seine Verbindungen nach Deutschland. Die Zusammenarbeit mit Mark S. habe 2016 begonnen, berichteten estnische Medien von der Pressekonferenz in Österreich am Freitag. "Die Blutentnahmen und -injektionen fanden in Frankfurt und Berlin statt", sagte der Athlet.

Tammjärv war einer von fünf Langläufern, die am Mittwoch bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld festgenommen worden waren. Sie wurden wieder freigelassen, nachdem sie Eigenblutdoping gestanden hatten. Tammjärv, dessen Landsmann Andreas Veerpalu und der Kasache Alexej Poltoranin wurden vom Internationalen Skiverband gesperrt. Die beiden Österreicher Dominik Baldauf und Max Hauke wurden von der österreichischen Anti-Doping Agentur mit provisorischen Sperren belegt. Bei der Staffel-Entscheidung am Freitag in Seefeld war - wie angekündigt - kein Quartett der Gastgeber am Start.

Die beiden in Seefeld festgenommenen Deutschen bleiben indes bis zur Übergabe an die deutschen Behörden vorerst in Haft. Dies teilte die Staatsanwaltschaft Innsbruck am Freitagvormittag mit. Das Landesgericht Innsbruck habe demnach eine Übergabehaft verhängt.

Es sei davon auszugehen, dass es am 11. März zu einer Haftprüfungsverhandlung für die beiden mutmaßlichen Komplizen des Erfurter Arztes Mark S. komme, sagte Gerichtssprecher Klaus Jennewein. Möglicherweise würden die Frau und der verdächtige Mann dann noch am selben Tag an Deutschland übergeben. Die Staatsanwaltschaft München I wird nach eigenen Angaben "in Kürze" ein Auslieferungsersuchen stellen. Mark S. und ein ebenfalls in Erfurt festgenommener mutmaßlicher dritter Komplize sitzen bereits in München in Haft.

Das mutmaßliche Doping-Netzwerk um den Erfurter Mediziner erinnerte den bekannten Dopingjäger Werner Franke an den Skandal um den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes vor 13 Jahren. "Hinsichtlich der kriminellen Energie und der Organisation des Dopings kann man sicherlich vom deutschen Fuentes sprechen", sagte der Heidelberger Molekularbiologe der "Welt".

Franke zeigte sich über die Naivität der erwischten Sportler überrascht: "Dass jetzt Athleten vor Ort bei der Ski-WM mit der Nadel im Arm erwischt werden, macht mich fassungslos. Nicht ob der Tatsache. Dass betrogen wird, ist eh klar. Aber ob so viel Dummheit!"

Im Internet sorgten Aufnahmen für Aufsehen, die angeblich einen Langläufer bei der Doping-Razzia in Seefeld während der Bluttransfusion zeigen. Der Urheber des Videos muss strafrechtliche Konsequenzen fürchten, bestätigte ein Sprecher des österreichischen Bundeskriminalamts der Deutschen Presse-Agentur.

Bundeskriminalamt Österreich

Mitteilung BKA/Österreich