Harry Jahns war 1970 beim Europapokal-Debüt des SCM dabei / "Jubiläum" in Istanbul Ein Mann der ersten Stunde
Magdeburg. Für den SC Magdeburg birgt das EHF-Pokalspiel am Sonnabend bei Besiktas Istanbul ein "Jubiläum". Nach Vereinsrechnung ist es das 200. Europapokalspiel. Die Premiere feierte der SCM am 24. Oktober 1970 bei den Grashoppers Zürich. Harry Jahns (61), heute Trainer der A-Jugend, erinnert sich an das Debüt.
Das genaue Datum für den ersten Europapokal-Auftritt hat "Zeitzeuge" Harry Jahns sofort parat, denn das SCM-Urgestein beherbergt ein eigenes Archiv mit Zeitungsartikeln, Fotos, Zahlen und Fakten. "Das ist ein Hobby von mir. Ich kann zwar nicht sagen, wie viele EC-Spiele genau der SCM hat, aber ich weiß, dass wir im Europacup der Landesmeister das erste Spiel gegen Grashoppers Zürich bestritten haben, mit 17:16 dort knapp gewonnen haben und das Rückspiel in der Gieselerhalle klar mit 20:11 gewonnen hatten", sagt der "Mann der ersten Stunde".
Jahns, heute 61, war damals ein Jungspund und hatte in der Oberliga-Saison 1969/70 als 18-Jähriger an der Seite von Trainer-Legende Klaus Miesner und der Handball-Idole wie Ernst Gerlach, Wolfgang Lakenmacher, Heinz Flacke oder Hans-Hartmut Baumgarten die DDR-Meisterschaft gewonnen. "Wir waren mächtig stolz, Magdeburg als Meister erstmals im Europacup zu vertreten. Das war etwas Besonderes, denn natürlich waren damals Reisen ins kapitalistische Ausland doch eher die Ausnahme. Wenn man ehrlich ist, hat man das Ganze doch auch gemacht, um mal die andere Seite des Vorhangs kennenzulernen", gibt Jahns zu.
Zürich hat Zwei-Meter-Mann Jahns, der zu seinen aktiven Zeit als "der Lange" in der Abwehr Angst und Schrecken verbreitete, als "supertolle, lebendige Stadt" in Erinnerung. Das Nachtleben, beteuert er, habe die Mannschaft allerdings "nicht ausgekostet". "Schon gar nicht vor dem Spiel. Das hätte sicher Ärger gegeben, denn, obwohl wir uns als Spieler eines Zivil-Clubs frei bewegen konnten, waren wir natürlich unter ständiger Beobachtung gewisser Leute." An das Europacup-Debüt selbst kann er sich nicht mehr so genau erinnern: "Ich weiß nur, dass es ein Gurkenspiel war und wir alle ziemlich dicke Beine hatten. Wir sind sehr schwer ins Spiel gekommen, Flacke hatte einen schlechten Tag erwischt und wir konnten das Ding nur knapp für uns entscheiden."
Später habe ein ungeschriebenes Gesetz für Europacup-Einsätze gegolten, verrät Jahns, der auf 48 EC-Spiele kam und sowohl 1978 als auch 1981 beim Gewinn des Europapokals mit von der Partie gewesen war: "Da hieß es immer: Wir machen das Ding möglichst zu Hause klar, damit wir im Rückspiel auswärts einen auf Kultur machen können. Und so haben wir später auch mal nach einem Spiel in Paris um 22 Uhr die Tasche im Hotel schnell in die Ecke geknallt und Moulin Rouge bei Nacht erlebt."
Wenn Jahns Vergleiche zieht zwischen damals und heute, dann fallen ihm vor allem die Unterschiede ins Auge. Zu allererst natürlich jene, die das Handballspiel an sich betreffen. "Ich erinnere mich an Spiele, da haben wir zur Halbzeit 3:9 hintengelegen und es ging am Ende 14:11 aus. Solche Ergebnisse sind heute unvorstellbar. Das Spiel ist irrsinnig schnell geworden. Im Vergleich würde ich sagen, wir waren zwar nicht so athletisch, aber dafür haben wir vielleicht den technisch besseren Handball gespielt."
Einen weiteren entscheidenden Unterschied sieht Jahns "mit gemischten Gefühlen", auch wenn er weiß, dass der Hase im Profigeschäft eben ganz anders läuft und "das Traditionsbewusstsein im Hochleistungsbetrieb oftmals ein wenig zu kurz kommt". Zudem sei auch das Zusammengehörigkeitsgefühl ein anderes: "Heutzutage herrscht leider auch beim SCM ein Kommen und Gehen von Spielern und auch Trainern. Aber so ist nun mal der Lauf der Zeit. Damals bestand die Mannschaft fast ausschließlich aus Magdeburgern. Heinz Flacke, der aus Langenweddingen kam, war da schon eine Ausnahme. Wir waren eine eingeschworene Truppe. Viele haben wie ich, der 17 Jahre dem SCM die Treue hielt, nie für einen anderen Verein gespielt. Das war für uns eine Herzenssache. Und wenn wir uns heute treffen, dann sitzen da immer noch zehn, 15 Leute am Tisch, und wir lassen die alten Zeiten hochleben."
Mannschaftsaufstellung beim Europapokal-Debüt des SCM am 24. Oktober 1970 bei Grashoppers Zürich: Bernd Meyer, Klaus Linnecke, Heinz Flacke, Hans-Hartmut Baumgarten, Harry Jahns, Manfred Hoppe, Ernst Gerlach, Udo Röhrig, Lothar Noack, Norbert Knittel, Wolfgang Lakenmacher. Trainer war Klaus Miesner.