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Ernst Happel Grantler, Kettenraucher, Fußball-Genie

Der einstige Klasse-Stopper und -Trainer Ernst Happel gilt in seiner Heimat als das Beste, was Österreich im Fußball je hervorgebracht hat.

14.11.2017, 13:11

Hamburg (dpa) l Er hat gequalmt wie eine Dampflok, er hat geflucht, gescherzt und gegrantelt, aber geredet hat er wenig. Dafür hat er umso erfolgreicher gearbeitet. Ernst Happel war einer der besten Trainer, die der Fußball je hervorgebracht hat. Am 14. November 2017 jährt sich sein Todestag zum 25. Mal. Und nicht nur der Hamburger SV, der unter der Ägide des Österreichers zweimal die deutsche Meisterschaft (1982, 1983), den DFB-Pokal 1987 und den Europapokal der Landesmeister 1983 gewonnen hat, verneigt sich.

"Von solchen Zeiten wie unter Ernst Happel ist man Lichtjahre entfernt. Ich denke, ich werde es nicht mehr erleben", sagte kürzlich der frühere HSV- und Nationaltorwart Uli Stein, als er den aktuellen Abstiegskämpfer HSV mit dem Titel-HSV von einst verglich. In Steins Worten liegt Wehmut. Denn Happel, der Grantler mit dem Wiener Schmäh, der oft übellaunig wirkte, hat den modernen Fußball bereichert.

Der gebürtige Wiener brachte dem HSV das Pressing bei, als es noch gar nicht auf dem Markt war. Happel perfektionierte die Abseitsfalle, liebte den Offensivfußball: "Mir ist ein 5:4 lieber als ein 1:0!" In diesem Sinn ließ er spielen. Der einst beinharte Stopper von Rapid Wien beschrieb Fußball als Improvisation, Instinkt, Fantasie. Etwas, was vor allem Straßenfußballer mitbringen. "Dieser Beruf verlangt Naturbegabung. Wissenschaftlich kann man ihn nicht erlernen."

Dennoch brachte er auch denen die richtigen Lauf-und Passwege bei, die es nicht im Blut hatten. Vor wichtigen Spielen redete er nicht lange auf seine Spieler ein. "Wenn i des Wort Motivation hör, wird ma schlecht." Auf dem Rasen war er allem Neuen aufgeschlossen. Vom Hallenfußball hielt er jedoch nichts. "Da derfst ned rauchen, des halt i ned lang durch", erklärte Happel, der am Dienstag in dem nach ihm benannten Wiener Stadion im Rahmen des Länderspiels gegen Uruguay vom Österreichischen Fußball-Verband ÖfB geehrt werden wird.

Happel kam meist bärbeißig, kauzig, knorrig rüber. "Ich halte mich für autoritär", gab er zu und zog an seiner Zigarette. Das ließ er schon zum Start seiner HSV-Trainerzeit 1981 seine Profis spüren. "Am wichtigsten ist dabei, dass die Spieler wissen, wer der Chef ist." Das gelang. Die Profis hatten Respekt und Ehrfurcht vor dem Boss.

"Alles, was Happel sagt, ist für mich ein Evangelium", berichtete Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer, der von 1980 bis 1982 beim HSV spielte, und meinte: "Von seinem Fußball-Sachverstand her war Ernst Happel einer der größten Trainer aller Zeiten!" Günter Netzer, damals Manager beim HSV, beschrieb Happel als "ersten menschlichen Schleifer, den ich in meinem Leben getroffen habe."

In seiner Lebensweise war Happel seinen Schützlingen weniger Vorbild: Als Kettenraucher, Karten- und Casino-Spieler, zudem auch noch als Wein-Liebhaber war ihm nichts Menschliches fremd. "Der Trainer wäre am Spieler Happel wahrscheinlich verzweifelt", gestand der Coach mal. Seinen Profis wurde er dadurch aber nur noch sympathischer. "Als er zu uns in die Kabine kam, war es, als ob jemand das Licht aufgedreht hätte", meinte HSV-Kopfball-Ungeheuer Horst Hrubesch.

Happel war auch ein Weltenbummler. Als Spieler verschlug es den 51-maligen österreichischen Nationalspieler zwar nur zu Racing Paris. Aber als Trainer drehte er am großen Rad: ADO Den Haag, Feynenoord Rotterdam, FC Sevilla, FC Brügge, Nationalmannschaft der Niederlande, Standard Lüttich, HSV sowie Wacker Innsbruck und das Nationalteam Österreichs. Neun Meistertitel und sieben Pokalsiege in vier Ländern, Vizeweltmeister mit Holland und zwei Europacupsiege stehen zu Buche.