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Frauenfußball Späte Eroberung einer Männer-Bastion

Der Frauen-Fußball war in Deutschland von 1955 bis 1970 verboten, Ex-Bundestrainerin Silvia Neid leistete Pionierarbeit.

Von Janette Beck 08.03.2018, 06:43

Magdeburg l Als der Fußball im 19. Jahrhundert in Großbritannien erfunden wurde, war es vollkommen normal, dass auch Mädchen und Frauen diesen Sport ausübten. 1894 gründeten die „British Ladies“ die erste Mannschaft. Dem Frauenfußball in Deutschland blieb der Durchbruch indes lange Zeit verwehrt. Auch der frischgebackene Weltmeister-Trainer und Fußball-Ikone Sepp Herberger sprach sich gegen den Frauenfußball aus. 1955 untersagte der Deutsche Fußballverband (DFB) offiziell Spiele zwischen Damenmannschaften.

Dr. Hubert Claessen, langjähriges DFB-Vorstandsmitglied und Deligierter beim DFB-Bundestag 1955, erklärt später in einem Interview das Verbot so: „Das war schon eine schwere Sünde, dass die Mädchen da mit einem wackeligen Busen übers Feld liefen und dann auch noch gegen den Ball traten oder sich gegenseitig foulten. Nach Vorstellungen der alten Herren war das unmöglich.“

Erst im Oktober 1970 war der DFB bereit, das Frauenfußballverbot aufzuheben. In Westdeutschland wuchs die Zahl der Spielerinnen rasant: 1971 gab es etwa 70.000, zwei Jahre später schon doppelt so viele.

Auch in der DDR gründeten sich in den 70er Jahren erste Mannschaften. Das erste offizielle Frauenfußballspiel fand am 4. August 1969 in Dresden vor 1  600 Zuschauer zwischen BSG Empor Dresden-Mitte und Empor Possendorf statt (0:2). Vladimir Zwetkow, Trainer der Dresdnerinnen, erinnert sich: „Viele Männer konnten sich nicht vorstellen, dass die Mädchen überhaupt den Ball treffen würden. Die wollten nur sehen, wie die Brüste wackeln. Natürlich wurde auch der Trikottausch auf dem Platz gefordert.“

Als nicht-olympische Disziplin wurde der Frauenfußball nicht gefördert, in den Trainingszentren und Sportclubs blieben Fußballerinnen außen vor. Sie organisieren sich in Betriebssportgemeinschaften. Dennoch gab es bereits Ende 1971 über 150 Teams. Im gleichen Jahr nahm der Deutsche Fußballverband (DFV) den Frauenfußball in seine „Spielordnung“ auf und legte darin die Regeln fest: gespielt wird 2  x 30 Minuten, das Mindestalter ist 16 Jahre und ein „einsatzfähiger weiblicher Schiedsrichter“ muss gestellt werden. Bei Temperaturen unter Minus fünf Grad darf nicht gespielt werden.

An eine reguläre Meisterschaft war nicht zu denken. Doch nach und nach gaben die DDR-Sportfunktionäre ihre Zurückhaltung auf. Mit der Saison 1987/88 nahm eine Frauen-Oberliga den Spielbetrieb auf. Jahrelang gaben hier die BSG Rotation Schlema und Turbine Potsdam den Ton an.

Das erste und einzige Frauen-Länderspiel einer DDR-Mannschaft wurde am 9. Mai 1990 in Potsdam-Babelsberg gegen die Tschechoslowkei ausgetragen (0:3) - zum Nationalteam gehörte auch die Magdeburgerin Maika Alex (Fortuna Magdeburg).

Den endgültigen Durchbruch schaffte der Frauenfußball in Deutschland durch den Erfolg als Seriensieger bei Europameisterschaften und Doppel-Weltmeister der Jahre 2003 und 2007. Im Vereinsfußball bleiben die Stadien jedoch sogar bei Endspielen oft weitgehend leer. Heute spielen unter dem dach des DFB mehr als 1,1 Millionen Mädchen und Frauen in 12.000 Vereinen Fußball.

Während jedoch Männer als Trainer einer Frauen-Mannschaft normal sind, ist gegensätzliches im Fußball kaum denkbar. Da hilft selbst eine ruhmreiche Vita wie die von Silvia Neid nicht. Seit 2005 holte sie als Bundestrainerin der DFB-Frauen einen Weltmeistertitel, zwei Europameistertitel, drei Mal den Algarve-Cup und zuletzt die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Rio.

Im Frauen-Fußball hat die mittlerweile zurückgetretene 53-Jährige, die an allen acht EM-Titeln Deutschlands als Spielerin, Co-Trainerin oder Bundestrainerin beteiligt war, alles erreicht und wahrlich Pionierarbeit geleistet. Eine Position im Männer-Fußball - „wäre sicher reizvoll. Ich würde es mir zutrauen“, sagte die inzwischen las Nationaltrainerin zurückgetretene Neid dazu in den „Fränkischen Nachrichten“, um gleich jedoch einzuschränken: „Frauen hätten keine Probleme damit. Ich glaube, dass eher die Profis eine Frau nicht akzeptieren würden. Noch nicht.“

Dafür ging „Les Bleus“ voran: Ex-Nationalspielerin Corinne Diacre war die erste Französin, die einen Vertrag als Chefcoach einer Profi-Männermannschaft erhielt. Drei Saisons trainierte sie den Zweiligisten Clermont Foot). Seit 1. September 2017 ist sie Trainerin der französischen Frauennationalmannschaft.