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Nationalmannschaft „Fülle“ oder Müller? - DFB-Team im Costa-Rica-Tunnel

Gegen Costa Rica braucht es einen Sieg und Tore. Also Niclas Füllkrug, oder? Der Bundestrainer grübelt über die passende Offensivbesetzung. Ein WM-Veteran betont nach dem Spanien-Comeback das „Wir“.

Von Klaus Bergmann und Arne Richter, dpa Aktualisiert: 01.12.2022, 22:09
Oder doch beide? Thomas Müller (l) und Niclas Füllkrug nach einer DFB-Presskonferenz.
Oder doch beide? Thomas Müller (l) und Niclas Füllkrug nach einer DFB-Presskonferenz. Federico Gambarini/dpa

Al-Shamal - Beim munteren verbalen Doppelpass mit Thomas Müller auf dem DFB-Podium setzte Niclas Füllkrug seine Treffer so norddeutsch trocken wie auf dem Platz beim wuchtigen WM-Premierentor gegen Spanien.

„Doofe Frage“, schoss es aus dem Mund des plötzlich weltweit bekannten Fußballers mit der markanten Zahnlücke heraus. Deutschlands WM-Hoffnungsträger sollte im Trainingszentrum in Al-Shamal beantworten, wer im Gruppen-Endspiel gegen Costa Rica der Neuner sein solle, „Füllkrug oder Müller“?

Müller, beim 1:1 gegen Spanien lange der torlose Angreifer vorne drin, schob den Bremer in die Pole Position: „Die Neun auf dem Rücken hat auf jeden Fall der Fülle. Der hat das Ding auch eingeschweißt gegen Spanien.“ Für den 29 Jahre alten Füllkrug spricht das Momentum, das Selbstvertrauen, die Lockerheit. Angesprochen auf seinen Mucki-Jubel, den er sonst nach Toren im Trikot von Werder Bremen zelebriert, spannte der baumlange Angreifer mal kurz verschmitzt seinen imposanten Bizeps an - staunend beobachtet vom sehnigen Müller.

„Wir haben sehr viele sehr gute Offensivspieler“

Füllkrug oder Müller? Es ist eine der Schlüsselfragen für Bundestrainer Hansi Flick, wenn es am Donnerstag (20.00 Uhr/ARD und MagentaTV) um die Besetzung der Offensive geht. Denn es werden unbedingt Tore gebraucht, womöglich sogar sehr viele, um doch noch mit dem benötigten Sieg vom letzten Gruppenplatz ins WM-Achtelfinale vorzustoßen.

Füllkrug oder Müller? Flick könnte als Startelf-Antwort auch Füllkrug und Müller geben. Füllkrug vorne drin, Müller für den bislang nicht zündenden Serge Gnabry rechts, Jamal Musiala zentral als Zehner und Leroy Sané als Tempomann auf dem linken Flügel. „Wir haben im Kader sehr viele sehr gute Offensivspieler“, bemerkte Müller: „Es wird darauf ankommen, dass wir die Box gut besetzen. Da wird sicher nicht nur ein Mann gefragt sein.“ Müller nannte Füllkrugs Spanien-Tor in Anspielung auf den WM-Finaltreffer 2014 von Mario Götze „einen Götze-Moment“, ergänzte aber: „Wir werden noch einige goldene Momente brauchen.“

Ein erneutes Job-Sharing auf der Mittelstürmer-Position zwischen Müller (zu Beginn) und Füllkrug (als Joker) ist auch denkbar. Jedenfalls wird diese bewährte Variante im Trainerteam diskutiert, wie Flicks Assistent Marcus Sorg durchblicken ließ: „Man muss gucken, welche Wirkung hat welcher Spieler zu welchem Zeitpunkt.“

„Ein Sieg ist Pflicht für uns“

Es geht im DFB-Quartier im hohen Norden Katars weiterhin auch um Einzelne. Aber es geht vor allem um das gemeinschaftliche Interesse, am Freitag nicht frühzeitig heimfliegen zu müssen als erneut in der WM-Vorrunde gescheiterte Mannschaft. Das „Wir“ betonte WM-Veteran Müller als größten Gewinn des Spaniens-Spiels, auch wenn es gar nicht gewonnen werden konnte: „Wir haben gemeinsam gespielt, wir haben gemeinsam verteidigt. Man hat gesehen, wie wichtig es uns ist, im Turnier zu bleiben.“ In Füllkrugs schnörkellosen Worten klang das kurz und bündig so: „Wir haben Bock auf das Spiel. Ein Sieg ist Pflicht für uns.“

Die Kraft des späten Füllkrug-Tores gegen Spanien soll nicht wieder verpuffen wie das 2:1-Siegtor von Toni Kroos in der Nachspielzeit gegen Schweden 2018. Damals folgte bei der WM in Russland ein desolates und fatales 0:2 im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea. Deutschland, der Weltmeister, war raus aus dem Turnier. „Jetzt müssen wir es halt anders machen“, mahnte der 33-jährige Müller, schon damals in Kasan live dabei.

Es gibt wenig Grund zu Euphorie

Die Rechenspiele in Gruppe E sind vor dem zeitgleichen Anpfiff der Spiele Spanien (4 Punkte) gegen Japan (3) und Costa Rica (3) gegen Deutschland (1) im Grunde einfach. Aber im Verlauf des Abends könnte es noch sehr knifflig und kompliziert werden bis hin zum Losentscheid. Ein Sieg des DFB-Teams reicht, wenn Spanien nicht gegen Japan verliert. Wenn das aber eintreten sollte, wäre wegen Spaniens 7:0 gegen Costa Rica ein Schützenfest nötig. „8:0 ist nicht wirklich ein realistisches Ergebnis bei einer WM“, bemerkte Müller.

Füllkrug beschrieb die weiterhin komplizierte Ausgangslage, auch wenn sein spätes Ausgleichstor gegen starke Spanier die Stimmungslage im Team komplett gekippt habe, von Frust auf Kampf und Zuversicht: „Das 1:1 gibt uns Energie, es ist damit aber noch nichts vollbracht.“ Müller vollendete den Gedankengang des Offensivkollegen: „Ein Punkt, Torverhältnis minus eins - es gibt wenig Grund für uns, euphorisch zu sein.“

Im Tunnel der Vorbereitung

Flick bestärkt die Haltung, die seine Elf gerade nach dem Rückstand gegen Spanien gezeigt hatte. „Die Mentalität hat gestimmt, sich nicht unterkriegen zu lassen.“ Das Selbstvertrauen ist zurück, das beim Fehlstart gegen Japan arg gelitten hatte. Am Dienstag eröffnete Flick in der Trainingsburg des DFB in Katars Wüste die Erarbeitung des Matchplanes gegen Costa Rica. „Wir begeben uns jetzt absolut in den Tunnel der Vorbereitung“, sagte Müller.

Der Bayern-Profi, auf den Flick immer noch als Führungsinstanz auf dem Spielfeld setzt, wartet inzwischen seit dem legendären 7:1 gegen Brasilien im WM-Halbfinale 2014 auf ein Turniertor. Der ehrgeizige Müller (10 WM-Tore) mit dem hohen Fußball-IQ spürt natürlich, dass die Zweifel an ihm von Spiel zu Spiel wachsen. „Ich weiß, du wirst an Toren und an Torvorbereitungen gemessen. Mit null Torschüssen bin ich nicht zufrieden“, sagte er.

Füllkrugs Quote lautet: Drei Länderspiele, zwei Tore. „Niclas hat gezeigt, dass er weiß, wo das Tor steht“, würdigte Müller ohne Neid in der Stimme den Podiums-Nebenmann. „Fülle“ genießt das WM-Rampenlicht, er lebt gerade einen Traum, ist aber bodenständig genug, sich nicht zu überhöhen: „Mich selber als WM-Hoffnung zu sehen - schwierig!“