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Nationalmannschaft Joachim Löw geht in die Verlängerung

Bundestrainer Joachim Löw hat seinen Vertrag wie erwartet bis zur EM 2020 vorzeitig verlängert. Die Unterschrift verändert wenig.

31.10.2016, 14:52

Frankfurt/Main (dpa) l Im schwarzen Rollkragenpullover und dezent grauen Sakko saß Dauer-Bundestrainer Joachim Löw auf dem Podium und lächelte. Die Fragen nach seiner vorzeitigen Vertragsverlängerung bis zur EM 2020 hatte er alle schon einmal gehört, mindestens einmal. Zum siebten Mal insgesamt setzte Löw am Montag seinen Namen unter einen Kontrakt mit dem Deutschen Fußball-Bund als wichtigster Trainer der Nation. Und wie schon bei den jüngsten Vertragsverlängerungen 2015, 2013 und 2011 ging es dem Weltmeister-Coach bei der vorzeitigen Ausdehnung des bislang bis zur WM 2018 datierten Vertrages nicht um Kategorien wie Jobsicherheit oder Ego-Befriedigung.

Im Outfit eines Philosophie-Dozenten erklärte Löw seine Motivation, schon jetzt bis zum übernächsten Turnier die Zukunft zu klären – über die angestrebte historische WM-Titelverteidigung in Russland hinaus. "Warum jetzt? Warum nicht jetzt? Heute ist der beste Zeitpunkt, wenn man sich sicher ist, dass man noch Dinge erreichen kann", erklärte Löw und sprach mehrfach von Visionen. "Wenn Kopf und Herz gemeinsam Ja sagen, dann gibt es nicht viel zu überlegen."

Die sportliche Motivation machte Löw auch in einem Nebensatz deutlich. Dreimal bei Europameisterschaften knapp gescheitert zu sein, ist ein verbliebener persönlicher Ansporn. "Diese EM 2020, die in vielen Ländern stattfindet, ist eine Herausforderung. Dieses Ziel zu erreichen, das wir in diesem Jahr nicht geschafft haben." Offenbar wurmt das Halfinal-Aus gegen Frankreich im Sommer noch.

DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte Löw schon damals umgarnt. "Joachim Löw ist der beste Trainer, den wir uns im DFB-Präsidium für die Nationalmannschaft vorstellen können", sagte der Verbandschef am Montag. Wenige Tage vor seiner anstehenden Wiederwahl beim Bundestag musste er dem Eindruck entgegentreten, er habe Löw zur Verlängerung kurz vor dem Festakt mit Kanzlerin Angela Merkel in Erfurt gedrängt – den Bundestrainer zum Spielball seiner Machtinteressen gemacht.

Die Initiative sei von Löw ausgegangen, berichtete Grindel mit einem um Bestätigung bittenden Blick Richtung Bundestrainer. "Ich habe nicht jeden Tag bei ihm angerufen und gesagt, 'Wir haben Bundestag, ich muss noch einen Vertrag vorweisen'." Für die DFB-Führung sei es in der wichtigen Personalie um "Ruhe und Sicherheit" gegangen. Erstaunlich bleibt, dass Löw nicht wie sonst im Paket mit seinen Assistenten Thomas Schneider und Torwartcoach Andreas Köpke verlängerte. Die Chefsache hatte offenbar doch Priorität.

Für Löw ist dennoch klar, dass er mit seinem Team bis 2020 weitermacht, zumal Teammanager Oliver Bierhoff und Marcus Sorg als weiterer Assistent schon entsprechende Verträge haben. Löw arbeitet seit 2004 für den DFB, als ihn der damalige neue Bundestrainer Jürgen Klinsmann durchaus überraschend als Assistenten holte. 2006 übernahm Löw von Klinsmann den Job als Bundestrainer, als dieser nach dem Sommermärchen freiwillig aufhörte.

Seit 2006 gelang Löw der Rekord, ein Nationalteam bei fünf aufeinanderfolgenden Turnieren mindestens bis ins Halbfinale zu führen. Derzeit ist er laut DFB der dienstälteste Nationalcoach aller weltweit 211 FIFA-Mitgliedsländer. Bleibt er nach der WM 2018 tatsächlich im Amt, würde er definitiv den Uralt-Spielerekord von Sepp Herberger (167 Spiele) brechen. Mit den meisten Siegen (94) als DFB-Chefcoach hat Löw bei 141 Spielen den WM-Trainer von 1954 schon eingeholt. Auch sieben Turniere als Bundestrainer wären Bestmarke.

Löw hatte noch im September betont, dass es für eine vorzeitige Verlängerung keine Notwendigkeit gebe. "Jetzt beherrschen meine Gedanken nicht, was über die WM 2018 hinaus ist. Das ist alles noch weit weg. Das ist Zukunftsmusik", sagte der Bundestrainer kurz vor dem dann mit drei souveränen Siegen so vorbildlich gelungenen Start in die WM-Qualifikation.

Nur einen Monat später deutete der DFB-Chefcoach dann sogar zur Überraschung enger Vertrauter wie Bierhoff Gesprächsbereitschaft an. Viel zu verhandeln gab es zwischen seinem Berater Harun Arslan und DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius nicht. Die bei so viel gegenseitiger Wertschätzung mögliche Verlängerung ohne Laufzeit widerstrebte aber Löw und Grindel. "Einen Rentenvertrag will niemand", sagte der Bundestrainer.

Für Löw ändert der Vertrag ohnehin nicht viel, außer, dass er ohne lästige Fragen das WM-Projekt auf Touren bringen kann. "Wir alle wollen bei der WM in Russland den Erfolg von Brasilien bestätigen. Es bereitet mir große Freude, die Mannschaft und die Spieler zu entwickeln, sie an das höchste Level heranzuführen – das spornt mich genauso an, wie einen Titel zu holen. Aktuell zählt für uns einzig und allein, uns als Gruppenerster für die WM in Russland zu qualifizieren", sagte Löw.

Spätestens seit dem WM-Triumph von Rio 2014 ist seine Position unumstritten. Sogar eine mäßige WM in Russland würde er im Amt überstehen, wenn er das denn wollen würde. Was für ihn ein WM-Misserfolg wäre, wurde Löw wie bei jeder vorzeitigen Vertragsverlängerung gefragt: "Nur ein knapper Sieg im Finale", versuchte er zu scherzen. Und schob im Ernst hinterher: "Ganz ehrlich, das sind Gedanken, die ich mir nicht mache."