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Fußball-Weltmeisterschaft Jetzt werden Helden geboren

Von Anne Hofmann 29.06.2014, 21:15

Lahmes Hin-und-Hergeschiebe des Spielgeräts, Rechnereien und Kräfte sparen haben ein Ende. Endlich hat sie begonnen: die K.o.-Phase der Fußball-Weltmeisterschaft. Spanien mit seinem Tiki Taka: raus. Italien, das sich irgendwie komplett verzockte: ebenfalls raus. Frankreich verausgabte sich im letzten Gruppenspiel gegen Ecuador nicht unbedingt, ist zwar weiter, hat aber eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie 90 Minuten zur Qual werden können. Das alles ist jetzt vorbei. Endlich heißt es: Alles oder nichts. Jetzt beginnt die Stunde der Helden.

Julio Cesar hat es am Wochenende gegen Chile vorgemacht. Der Torhüter der brasilianischen Selecao ist zumindest bis zum Viertelfinale gegen Kolumbien ein gefeierter Nationalheld aufgrund der zwei gehaltenen Elfmeter. Dass er bei der letzten WM noch als Sündenbock für das Viertelfinal-Aus seiner Elf abgestempelt wurde - vergessen. Als Fußballer darf man eben nicht das beste Gedächtnis haben. Verabschieden müssen wir uns dafür von Chile, das immerhin Spanien aus dem Turnier gekickt hat. Das zeigt, dass die Helden der Vorrunde auch ganz schnell zu Verlierern werden können.

Im Viertelfinale bekommt es Julio Cesar nun zwar nicht mit Stürmerstar Falcao zu tun, dafür aber mit dem neuen Stern am kolumbianischen Fußballhimmel: James Rodriguez. Dieser neue Teufelskerl, der laut eigener Aussage auch im Traum Fußball spielt, ebnete mit seinen beiden Treffern gegen Uruguay den Weg ins Viertelfinale und schaffte damit etwas Historisches: die erste Viertelfinalteilnahme seines Landes.

Womit wir bei der Albiceleste wären, die, wie bereits in der Vorrunde, ohne ihren Messi, pardon, Messias nicht glänzen konnte. Neun Spiele Sperre bekam Luis Suarez für seine kleine Hungerattacke im Spiel gegen Italien von der FIFA aufgebrummt. Eine ganze Nation wittert eine Verschwörung. Schließlich hatte Suarez nur das Gleichgewicht verloren und war auf Giorgio Chiellini gefallen. So zumindest seine recht exklusive Sicht der Dinge.

Das passiert ja öfter. Zuletzt ist es Mike Tyson im Kampf mit Evander Holyfield geschehen. Auch Film-Kannibale Hannibal Lecter hat nur aus Versehen seine Opfer verspeist. Vermutlich weil die Verpackung falsch beschriftet war. Heute weiß man ja sowieso nicht mehr, was wirklich in der Tiefkühl-Lasagne drin ist. Warum also nicht direkt vom Ursprung knabbern? Bevor die ganzen Zusatzstoffe in der Verarbeitung dazukommen …

Ganz andere Leckerbissen lieferten uns bisher die Niederländer. Ich weiß, als Deutscher darf man so etwas nicht sagen. Die unsäglichen, Autobahnen verstopfenden Wohnmobil-Fanatiker bekommen es mit den Mexikanern zu tun. Dabei treffen mit Robin van Persie und Guillermo Ochoa gleich zwei Supermänner aufeinander. Van Persie machte sich mit seinem Flugkopfball-Treffer gegen Spanien im Internet zum Superman. Doch auch vom Schlussmann der El Tri gibt es, Photoshop sei Dank, nach dem torlosen Remis gegen den Gastgeber aus der Vorrunde sehenswerte Bilder in Strumpfhosen.

Die Griechen sind in ihrer Mythologie ja reich an Helden, im Fußball eher weniger. Auch diesmal schummelten sich die Hellenen eher ins Achtelfinale. Vielleicht handelte es sich aber auch nur um das Trojanische Pferd 2.0. Bei Costa Rica hingegen ist die Mannschaft der Held. Niemand hätte diesen Fußballzwerg vorher wohl auf der Rechnung gehabt und als die Los Ticos die Todesgruppe mit England, Italien und Uruguay auch noch souverän gewannen, waren die meisten WM-Spekulanten vermutlich am Rande eines Nervenzusammenbruchs über soviel Chaos in der Fußballwelt.

Für Fassungslosigkeit sorgten auch so manch unrühmliche Schiedsrichterentscheidungen. Nun gut, die Unparteiischen eigneten sich ja noch nie für Heldenstoff, aber auch mit dem Freistoßspray haben sie nicht die richtige Waffe an die Hand bekommen, um den mörderischen Schwalben, bösartigen Beißern und anderen diabolischen Attacken Herr zu werden. Wobei, Howard Webb dürfte für die Briten durchaus das Potentzial zum Helden haben, ist er doch der einzige im Turnier verbliebene Mann im Auftrag ihrer Majestät. Dazu passt dann auch wieder der Freistoß-Spray, das am besten funktioniert, wenn es geschüttelt und nicht gerühert wird.

Ich bin gespannt, welche Helden noch aus dieser Phase der WM hervorgehen und ob uns der deutsche Mr. Fantastic, Thomas Müller, bis zur WM-Trophäe müllert.