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WM-Gastgeber Brasilien feiert Elfmeterheld Cesar

28.06.2014, 20:13
Die Brasilianer wussten, bei wem sie sich zu bedanken hatten: Matchwinner war Keeper Julio Cesar. Foto: Lavandeira Jr
Die Brasilianer wussten, bei wem sie sich zu bedanken hatten: Matchwinner war Keeper Julio Cesar. Foto: Lavandeira Jr EFE

Belo Horizonte - Völlig losgelöst sprintete Julio Cesar nach dieser an Dramatik kaum zu überbietenden Nervenschlacht in die Arme seiner Teamkollegen. Jungstar Neymar fiel glücklich zu Boden und verdrückte ein paar Tränen.

Gastgeber Brasilien hat das befürchtete WM-Trauma in einem Elfmeterkrimi gerade noch abgewendet und darf weiter von der ersehnten "Hexacampeão" träumen. Aber was haben sie gezittert, gehofft, gebetet - und am Ende gejubelt. Riesengroß war die Erleichterung bei der Seleção und im ganzen Land nach dem glücklichen 3:2 am Samstag im Elfmeterschießen des WM-Achtelfinals gegen den bärenstarken Südamerika-Rivalen Chile, nachdem es am Ende von 120 Minuten 1:1 (1:1, 1:1) gestanden hatte.

Bedanken konnten sie sich bei Routinier Julio Cesar, der auf seine alten Tage zur Höchstform auflief. Zweimal parierte der 34-Jährige im Elfmeterschießen gegen Mauricio Pinella und Alexis Sanchez, beim letzten Schuss von Gonzalo Jara an den Pfosten musste er nicht mehr eingreifen. "Vor vier Jahren, da war ich sehr traurig. Jetzt weine ich wieder, aber vor Glück. Nur Gott und meine Familie wissen, was ich durchgemacht habe. Meine Geschichte in der Seleção ist noch nicht zu Ende", sagte ein aufgelöster Cesar nach Spielschluss.

Beim WM-K.o. vor vier Jahren im Viertelfinale gegen die Niederlande hatte er nicht den sichersten Eindruck hinterlassen. Zwischenzeitlich war der Keeper, der nur noch beim FC Toronto zwischen den Pfosten steht, ganz weg vom Fenster. Doch Luiz Felipe Scolari baute auf ihn und wurde belohnt. Auch im Spiel lieferte Cesar eine fehlerfreie Leistung ab. "Wir vertreten das ganze Land. Das ist ein unglaublicher Druck", gestand der Keeper hinterher: "Aber die Geschichte der Mannschaft ist noch nicht zu Ende. Die Menschen in Brasilien haben das gebraucht, wir haben das gebraucht. "

Nervenstärke hatte auch Neymar bewiesen, der als fünfter Schütze zum 3:2 traf. Damit steht Brasilien zum sechsten Mal in Serie im Viertelfinale und bekommt es dort am Freitag (22.00 Uhr MESZ) mit dem nächsten Südamerika-Rivalen Kolumbien zu tun, der gegen Uruguay 2:0 (1:0) gewann. Aber ohne den Wolfsburger Luiz Gustavo, der nach der zweiten Gelben Karte gesperrt ist. Doch das war ihm egal. "Das ist ein besonderer Tag für jeden von uns. Jetzt können wir ein bisschen durchatmen." Das galt auch für Staatspräsidentin Dilma Rousseff. "Danke Jungs. Mit Mühe, Tränen und den Paraden von Julio Cesar haben wir es geschafft", twitterte Rousseff.

Chile muss dagegen weiter seit dem dritten Platz bei der Heim-WM 1962 auf einen Vorstoß unter die besten acht Teams der Welt warten. Der Ex-Leverkusener Arturo Vidal war dagegen tieftraurig: "Es ist schwer, so auszuscheiden. Wir haben ein ausgezeichnetes Spiel gemacht. Wir haben gesagt, dass wir alles auf dem Platz geben werden, das haben wir gemacht." Und sie hatten großes Pech. In der 120. Minute traf Pinilla die Latte. Es wäre der K.o. für den fünfmaligen Weltmeister gewesen. In der regulären Spielzeit hatte Alexis Sanchez (32.) die brasilianische Führung, die aus einem Eigentor von Gonzalo Jara (18.) resultierte, ausgeglichen.

Vor 57 714 Zuschauern im Estádio Mineirão von Belo Horizonte entwickelte sich von Beginn an ein erbarmungsloser Abnutzungskampf, ein intensives Spiel mit viel Tempo, Leidenschaft und harten Zweikämpfen. Gefordert war gleich der englische Referee Howard Webb, der vor vier Jahren das Brutalo-Finale von Johannesburg zwischen Spanien und Holland geleitet hatte, als es auf beiden Seiten zur Sache ging. Insbesondere der brasilianische Stürmer Neymar, der mit vier Toren zu den Superstars in der Vorrunde gehörte, wurde von den Chilenen hart angegangen. Webb war aber voll auf der Höhe, entschied bei kniffligen Tacklings im Strafraum genauso richtig wie bei einem nicht gegebenen Tor von Hulk wegen Handspiels (55.) und zeigte auch sonst das nötige Fingerspitzengefühl.

Im Vergleich zu den doch bescheidenen Auftritten in der Vorrunde zeigten sich die Brasilianer diesmal stark verbessert. Getragen vom lautstarken Anhang drängte Scolaris Mannschaft den Südamerika-Rivalen gleich in die eigene Hälfte zurück und wurde erstmals den hohen Ansprüchen gerecht. Die Führung fiel nach einer Ecke von Neymar, Thiago Silva verlängerte den Ball per Kopf auf den einschussbereiten David Luiz. Der Rettungsversuch von Jara landete im eigenen Tor.

Umso bitterer, dass ein eigener Fehler den Gastgeber zurückwarf. Einen zu kurz gespielten Pass von Hulk fing Eduardo Vargas ab und bediente Barcelona-Star Alexis Sanchez, der sich die Chance zu seinem zweiten Turniertreffer nicht nehmen ließ.

Brasilien reagierte mit wütenden Angriffen. Nach und nach mussten die beiden Team aber dem hohen Anfangstempo Tribut zollen. In der 64. Minute stockte den brasilianischen Fans der Atem: Nach Zuspiel des Ex-Leverkuseners Vidal zwang Aranguiz den brasilianischen Keeper Julio Cesar zu einer Weltklasse-Parade. So ging es in die Verlängerung und schließlich ins Elfmeterschießen.