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Die WM des Jahrhundertspiels Deutschland - Italien

14.05.2014, 09:20

Berlin - Der 17. Juni 1970 ging in die WM-Geschichte ein. Deutschland gegen Italien 3:4, Halbfinale, das Jahrhundertspiel. Fünf Tore allein in der Verlängerung - bis heute ein Endrundenrekord.

Nach dem Schlusspfiff fielen sich sogar die geschlagenen deutschen Helden um den Hals. "Plötzlich schien es keine Rolle mehr zu spielen, wer Sieger und wer Besiegter war", erinnerte sich einmal Uwe Seeler nach dem Fußball-Drama vor 102 444 berauschten Besuchern im Estadio Azteca von Mexiko City: "Die Zuschauer waren völlig überwältigt und konnten sicher sein, ein wahrhaft unvergessenes Spiel gesehen zu haben."

Ein Kraftakt vor allem vom deutschen Team, das nur drei Tage vorher England niedergerungen hatte. Nach einem 0:2-Rückstand rettete sich die Mannschaft von Helmut Schön in der Revanche für das verlorene WM-Endspiel mit dem Wembley-Tor in die Verlängerung. Franz Beckenbauer und Seeler waren zu Stelle, ehe Gerd Müller in der 108. Minute der 3:2-Siegtreffer gelang. Mit insgesamt zehn Toren wurde der "Bomber der Nation" auch der erfolgreichste Schütze des gesamten Turniers, nur beim 1:0-Sieg im Spiel um Platz drei gegen Uruguay ging Müller leer aus, ansonsten hatte er in jeder Endrundenpartie mindestens ein Tor erzielt.

Auch im denkwürdigen Match gegen Italien traf Müller, sogar doppelt, in der 94. und in der 110. Minute. Roberto Boninsegna hatte die Squadra Azzurra schon früh in Führung gebracht. Bei Temperaturen um 50 Grad und in 2200 Metern Höhe musste das deutsche Team schon wieder einem Rückstand hinterherlaufen. Praktisch mit dem Schlusspfiff rettete Karl-Heinz Schnellinger die DFB-Auswahl in die zweimal 15-minütige Verlängerung. Und Deutschland ging durch Müllers neunten Endrundentreffer in Führung.

Die Italiener, deren Trainer Ferucio Valcareggi vorher noch erfreut verkündet hatte: "Die Deutschen sind uns als Halbfinalgegner angenehmer als England", kämpften sich wieder ran. Und zogen dank eines Doppelschlags binnen sechs Minuten in Front. "Man müsste schon fast von einem Wunder sprechen, wenn es der deutschen Mannschaft wieder gelingen würde, den Ausgleich zu erzielen", kommentierte damals Ernst Huberty während der Live-Übertragung im TV. Was kaum noch jemand für möglich hielt, machte Müller möglich.

Doch der Jubel über den Ausgleich hielt nur Sekunden. In einem irren Schlagabtausch gelang Gianni Rivera, dem "Goldjungen" des AC Mailand in der 110. Minute der Siegtreffer. "Dass dieses Spiel mal zur Legende werden würde, war uns auf dem Platz nicht bewusst", erinnerte sich der damals in der 46. Minute eingewechselte Rivera einmal in einem "11Freunde"-Interview: "Eigentlich haben wir erst bei unserer Rückkehr nach Italien realisiert, welche Wirkung es auf die Zuschauer gehabt haben muss."

Nicht aber mit dem WM-Pokal waren die Italiener damals nach Hause gereist. Im Finale unterlagen sie Brasilien mit 1:4. Für die Selecao und den großen Pelé, der nach seinem Rücktritt in die Nationalmannschaft zurückgekehrt war, war es der dritte Titel - Rekord. Und die in allen sechs Partien siegreichen Brasilianer zeigten Fußball vom Feinsten. Für Mario Zagallo, der das Amt erst zu Jahresbeginn wieder übernommen hatte, bleibt die WM "die schönste Erinnerung als Trainer". "Fußballexperten sind sich einig, dass Brasiliens hoch verdienter Triumph bei diesem FIFA Weltpokalturnier mit dem attraktivsten Fußball aller Zeiten errungen wurde", lobt der Weltverband noch heute.

Und das unter den extremen Bedingungen in Mexiko. Mitunter wurden die Partie zur Mittagszeit angepfiffen, damit das europäische Publikum auf seinen abendlichen Fußball-Genuss im TV kam. Immerhin durften die Trainer erstmals frische Spieler während einer Partie aufs Feld schicken: Ein- und Auswechslung feierten ebenso Premiere wie Gelbe und Rote Karten bei einer WM-Endrunde. Bundestrainer Schön reagierte auf die Bedingungen laut DFB-Homepage mit einer zusätzlichen und heute undenkbaren Maßnahme: "Zum Frühstück und zum Abendessen ein Glas Whiskey! Da die Deutschen alle gesund blieben, hat das Rezept wohl etwas für sich". Schampus floss vier Jahre später.