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Handball Geir Sveinsson, der zukünftige Trainer des SCM, im Exklusiv-Interview "Ich werde das Rad nicht neu erfinden"

05.04.2014, 01:21

Geir Sveinsson, zukünftiger Trainer des SCM, war auf eintägiger "Schnuppertour" in Magdeburg. Neben Gesprächen mit der Vereinsleitung sowie Trainer Uwe Jungandreas stand auch eine Hausbesichtigung an. Trotz engen Zeitplans nahm sich der 50-Jährige Zeit für ein Gespräch mit Volksstimme-Redakteurin Janette Beck.

Volksstimme: In 89 Tagen treten Sie Ihr Amt beim SCM an, kribbelt es schon?

Geir Sveinsson:So richtig noch nicht. Klar freue ich mich auf die Aufgabe, und natürlich habe ich seit dem Tag, als feststand, dass ich nach Magdeburg gehe, angefangen, mich darauf vorzubereiten. Seitdem ich die technischen Möglichkiten dazu habe, konnte ich mir jedes Spiel anschauen, analysieren und meine Gedanken dazu machen. Aber noch bin ich in Bregenz Trainer, das erfordert von mir vollste Konzentration, denn bald beginnen die Playoffs. Ich will die Saison so gut es geht zu Ende bringen, denn sich mit einem Erfolg zu verabschieden, macht sich besser, als ohne. Ich denke aber, spätestens beim Umzug, den wir für Mitte/Ende Juni geplant haben, wird sich das Kribbeln einstellen. Richtig losgehen wird es beim Trainingsstart am 10. Juli. Da werde ich sicher großes Herzklopfen haben.

Volksstimme: Stellen Sie sich vor, Bregenz würde im EHF-Cup spielen und müsste am Wochenende in Magdeburg ran. Was würden Sie Ihrer Mannschaft sagen?

Sveinsson: Gute Frage. Fakt ist, es wäre eine ganz schwere Aufgabe, denn der SCM gilt als sehr heimstark. Beinde Vereine sind nur schwer zu vergleichen. Allein das Budget der Magdeburger ist sechsmal größer als das von Bregenz. Wir haben 17 Spieler, davon sind nur sieben Profis. Ich würde meinen Jungs also sagen: Wir sind der Underdog, aber genießt es, gegen so eine große Mannschaft zu spielen. Habt Spaß! Auch wenn die Siegchance bei 20:80 liegt, im Handball ist vieles möglich. Vielleicht gelingt uns ja eine Riesenüberraschung.

Volksstimme: Wie beurteilen Sie die Arbeit von Übergangstrainer Uwe Jungandreas?

Sveinsson: Offensichtlich macht er einen guten Job, sonst hätte der SCM derzeit nicht so einen guten Lauf. Ich sehe eine deutliche Entwicklung.

Volksstimme: Wo konkret?

Sveinsson: Ich sehe mehr Spritzigkeit und Frische. Die Spieler genießen das Handballspielen. Es kommt mehr von jedem Einzelnen. Die Mannschaft spielt einen interessanten, modernen Handball. Die Deckung ist offensiver und aggressiver geworden, alle gehen in die gleiche Richtung. Bestes Beispiel ist das Spiel in Kiel. Das war echt geil, und ich finde, Magdeburg hätte den Sieg verdient gehabt.

Volksstimme: Auf welchem Rang würden Sie den SCM am Saisonende gerne übernehmen?

Sveinsson: Der 6. Platz wäre toll.

Volksstimme: Was fehlt dem SCM noch zu einer Spitzenmannschaft?

Sveinsson: Den Unterschied macht vor allem das Geld aus. Das ist einfach so. Die Top-Fünf haben ein größeres Budget. Und mit mehr Geld bist du flexibler und kannst mehr und bessere Spieler holen. Unser Ziel muss es sein, es wie die Berliner zu machen, die haben nicht ganz so viel Geld, holen aber das Optimale heraus. Ich bin überzeugt, der SCM hat Potenzial, oben anzugreifen. Und wenn ich sage, die Mannschaft ist in Bestbesetzung in der Lage, jeden zu schlagen, dann ist das kein Witz. Wer drei von vier Punkten gegen Kiel holt, der kann was. In der Bundesliga spielen im Grunde fast alle gleich: Eine 6-0 als Standarddeckung, dazu alternativ eine offensive Abwehrvariante, und nach vorne ist Tempohandball angesagt. Also sind es unabhängig von der Qualität des Kaders oft auch nur die Kleinigkeiten, die über Sieg und Niederlage entscheiden.

"Der SCM ist gut aufgestellt und hat das Potenzial, oben anzugreifen."

Volksstimme: Sie haben einen Zweijahresvertrag unterschrieben, was sind Ihre Ziele bis 2016?

Sveinsson: Die Mannschaft soll sich bis dahin deutlich weiterentwickelt haben. Allerdings müssen wir uns mit einem neuen Trainer, zwei neuen Feldspielern und einen neuen Keeper erst einmal aneinander gewöhnen und uns einspielen. Das braucht seine Zeit. Unsere Ziele müssen realistisch sein. Sie werden nicht von mir hören, dass der SCM 2016 Meister wird oder in der Champions League spielt. Das wird ohnehin in den nächsten Jahren noch schwerer, weil Deutschland nur noch maximal drei Plätze in der Königsklasse hat. Zudem hat der SCM in den letzten zwei Jahren viel Verletzungspech gehabt, das hat viele Punkte gekostet und zeigt, wie schnell Pläne Makulatur sind.

Volksstimme: Was also wäre ein realistisches Ziel?

Sveinsson: Dass wir angreifen und weiter nach oben klettern. Entscheidender sind für mich die Etappenziele: Das nächste Spiel ist immer das wichtigste. Und wenn wir auswärts ran müssen, dann will ich, dass die Mannschaft mit dem festen Glauben an einen Sieg aufläuft. Eine positive Einstellung ist der Schlüssel zum Erfolg. Und wie gesagt, das Potenzial ist da, auch im Umfeld. Magdeburg ist ein Traditionsverein, das kann man sich nicht erkaufen. Ich spüre hier viel Verständnis und Begeisterung für den Handball. Dass das Playoff gegen Polen hier ausgetragen wird, sagt eigentlich schon alles. Das ist etwas, worauf der SCM stolz sein kann und was uns stark machen sollte.

Volksstimme: Drei Jahre hat der SCM nach dem System von Frank Carstens gearbeitet, danach setzte Uwe Jungandreas neue Schwerpunkte, wird unter Ihnen wieder alles anders?

Sveinsson: Nein, alles umzuwerfen und neu zu machen, ist nicht sinnvoll. Warum sollte ich das Rad auch neu erfinden, wenn es jetzt gut läuft? Ich werde mich also mit dem Trainer zusammensetzen und mir anhören, wie er was gemacht hat und daran dann anknüpfen.

Volksstimme: Der SCM hat die Personalplanungen für abgeschlossen erklärt. Sie auch?

Sveinsson:Ja. Wir sind gut aufgestellt, haben auf jeder Position zwei Spieler, dazu kommen noch einige Talente aus dem Nachwuchs. Die Entscheidung gegen Kjell Landsberg trage ich im Übrigen mit. Die Neuzugänge werden die Lücke schließen. Jacob Bagerstedt ist ein sehr guter Abwehrspieler, und auch Espen Lee Hansen steht dort seinen Mann.

Volksstimme: Offen ist noch die Frage nach dem Co-Trainer. Vieles spricht für den jetzigen, Bennet Wiegert, aber könnten Sie sich auch Uwe Jungandreas in diesem Amt vorstellen?

Sveinsson: Da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen, aber es sollte schon jemand von hier sein. Ich bin sicher, wir werden eine gute Lösung finden.

Volksstimme: Gilt das auch für die Haussuche?

Sveinsson: Das ist echt schwierig. In Magdeburg kannst du zwar Häuser kaufen, aber keins mieten. Ich brauche wegen der Kinder einen Garten und viel Platz, denn wir sind ja fünf Personen. Dazu möchte ich noch ein Gästezimmer, wenn meine beiden Großen aus Island zu Besuch sind. Meine Frau war im März hier und hat etwas in Möser gefunden. Das werde ich mir noch anschauen.

Volksstimme:Ist Ihre Frau eine Trainerfrau und Mutter oder hat sie vor zu arbeiten?

Sveinsson: Wegen der Kinder wird Johanna zu Hause bleiben. Sie macht viel im Selbststudium und arbeitet an Ihren zweiten Buch zum Thema Gesundheit. Es soll im September erscheinen. In der Halle wird sie wohl selten zu sehen sein, das ist nicht so ihr Ding.