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Handball Der böse Junge gibt Gas

Finn Lemke vom SC Magdeburg hat sich bei der EM zur festen Größe in der Abwehr der deutschen Nationalmannschaft gemausert.

Von Michael Wilkening 19.01.2016, 23:01

Breslau l Es waren noch 1:03 Minuten zu spielen, als Finn Lemke für einen kurzen Moment in diese geistige Ohnmacht gefallen sein muss. Er war zentral und ohne einen schwedischen Verfolger auf das Tor des Gegners zugetippelt, scherte kurz nach rechts aus, stiegt zum Wurf hoch und ballerte den Ball noch höher über das Gehäuse hinweg ins Aus. 27:26 führte die deutsche Mannschaft zu diesem Zeitpunkt – und 27:26 gewann sie dieses zweite Vorrundenspiel bei der Handball-Europameisterschaft in Polen letztlich gegen Schweden. Weil auch Lemke vom SC Magdeburg bis zur letzten Sekunde zusammenhielt, was zusammengehalten werden musste in der Abwehr, und weil alles andere der Keeper Andreas Wolff bereinigte.

Beim 27:26-Sieg bei der EM gegen Schweden lieferte Finn Lemke vom SCM eine überragende Leistung in der Defensive ab. „Ich bin froh, dass wir den Ausgleich verhindert haben, sonst hätte ich meine Rübe dafür hinhalten müssen“, sagte der 23-jährige Lemke nach dem Spiel am Montagabend erleichtert und erhielt sogleich Rückendeckung von Bundestrainer Dagur Sigurdsson: „Auch berühmte Fußballer haben schon Elfmeter verschossen, weil sie ausgerutscht sind.“ Auch Bennet Wiegert war „happy, dass nicht eine Aktion seine gesamte Leistung geschmälert hatte“, sagte der SCM-Trainer. „Denn den Ball hätte wirklich jeder verwerfen können.“

Spätestens seit dieser Partie hat Lemke eine zentrale Rolle in der Nationalmannschaft übernommen. Er war entscheidend daran beteiligt, dass Deutschland trotz 13:17-Rückstands zur Pause die Partie drehte und den ersten Turniersieg landete. Vor allem die Umstellung der Abwehr, die zur zweiten Hälfte in einer 4-2 offensiver agierte, sorgte für den Umschwung. „Du gewinnst dann einen Zweikampf, dann noch einen und plötzlich bist du richtig drin im Spiel“, erklärte Lemke.

Der 2,10 Meter große Hüne stand sinnbildlich für etwas, was der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB), Bob Hanning, später so umschrieb: „Wenn du ein Bad Boy (böser Junge) sein willst, musst du das Röckchen ausziehen und Gas geben.“ Dagur Sigurdsson lobte: „Finn war überragend.“ Und so kann es weitergehen für den Hünen bei seinem ersten großen Turnier: Gegen Slowenien soll am Mittwoch (17.15 Uhr/ZDF) der Einzug in die Hauptrunde gesichert werden.

So soll es auch weitergehen, wenn Finn Lemke in den Magdeburger Bundesliga-Alltag zurückkehrt. Am 10. Februar empfängt der SCM zum Auftakt der Rückrunde den SC DHfK Leipzig. „Ich würde mich allerdings noch mehr freuen, wenn er in der Nationalmannschaft auch eine bessere Rolle im Angriff spielen würde“, betonte Wiegert. Denn für den 33-Jährigen ist es zum einen wichtig, dass „Finn ein kompletter Handballer wird“. Zum anderen spielt Lemke in seiner Planung „eine tragende Rolle in der Offensive“.

Welchen Mehrwert der Student der Sozialen Arbeit in Abwehr wie Angriff hat, das hatte er im Dezember zum Beispiel im Punktspiel beim HSV Hamburg gezeigt, erinnerte sich Wiegert – trotz der 22:27-Niederlage. „Ich hoffe, dass er mit breiter Brust von der EM zurückkehrt“, sagte der Coach entsprechend. Und vor allem: gesund.