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Handball Kretzschmar: "Wiegert packt Leute an Eiern"

Handball-Ikone Stefan Kretzschmar über die Perspektiven des SC Magdeburg, Trainer Bennet Wiegert und seine neue Rolle beim TV-Sender Sky.

Von Thomas Juschus 23.08.2017, 01:01

Magdeburg l Sein Geld beim Meistertipp in der Handball-Bundesliga würde Stefan Kretzschmar (44) auf den THW Kiel setzen, aber auch den SC Magdeburg sieht er wieder weit vorn. Große Stücke hält er von Trainer Bennet Wiegert. „Ein Top-Trainer“, sagt die Handball-Ikone im Interview mit Thomas Juschus.

Volksstimme: Welche Mannschaft sehen Sie am Ende der Bundesliga-Saison 2017/18 vorn?
Stefan Kretzschmar: Ich würde mein Geld auf den THW Kiel setzen. Die Spielmacher-Position war das einzige Problem. Mit der Verpflichtung von Miha Zarabec haben sie das gelöst. Aber auch Flensburg, die Rhein-Neckar Löwen, Melsungen, Berlin und Magdeburg haben durchaus Chancen, den Titel zu gewinnen. Es wird ein Sechskampf, in dem Kiel die Nase etwas vorn hat.

Warum trauen Sie Magdeburg eine solche Rolle zu?
Der SCM hat eine sehr gute Mannschaft, die oben reingehört. Magdeburg hat eine unfassbare hohe Qualität im Kader. Für mich war letzte Saison nur die Frage: Werden sie auch eine Mannschaft? Wenn Bennet Wiegert hinbekommt, aus dieser Ansammlung individuell großartiger Spieler eine Mannschaft zu formen – Magdeburg ist die internationalste Mannschaft der Liga –, dann haben sie eine Chance und können dieses Fund der Qualität auf das Spielfeld bringen. Das ist ihnen in der Hinrunde überhaupt nicht gelungen. In der Rückrunde umso beeindruckender. Damgaard und O’Sullivan haben eine ganz starke Entwicklung hingelegt. Musa, den ich mal kroatische Bahnschranke genannt habe,  hat Fortschritte gemacht, die ich nicht für möglich gehalten habe. Jetzt macht er die entscheidenden Tore. 

Vier Spieler, darunter Finn Lemke, haben den SCM verlassen. Vier Spieler sind gekommen – wie schätzen Sie die Wechsel ein?
Chrapkowski ist ein sehr solider Abwehrspieler, der vor drei, vier Jahren eine hohe Torgefahr hatte. Seine Entwicklung ist seitdem stagniert. Lukas Mertens ist ein sehr guter Linksaußen, wobei ich glaube, dass Matthias Musche gesetzt ist. Der Junge ist eine Maschine und die letzte große Identifikationsfigur in der Mannschaft. Kalarash und Molina sind für mich Wundertüten.

Gibt es zu wenig Spieler aus dem eigenen Nachwuchs?
Ja, ganz klar, das ist das große Manko. Ich würde mir mehr Identifikation mit dem Nachwuchs wünschen. Mit Yves Grafenhorst als Koordinator ist zumindest mal der Grundstein gelegt. Der SCM muss mehr in den Nachwuchs investieren. Das war jahrelang das Aushängeschild des Vereins. Es kann nicht sein, dass man die zweite Position Rechtsaußen auch noch mit einem Ausländer besetzt. Ich habe auch keine Ahnung, was mit Alexander Saul schiefgelaufen ist. Er war einer der größten Talente im rechten Rückraum. Andererseits: Wir in Leipzig profitieren davon, dass der SCM nicht auf seine Eigengewächse setzt

Bis 2020 will der SCM in der Champions League spielen. Kann der Club diesen Schritt mit Trainer Bennet Wiegert schaffen?
Ganz klar: Ja. Ich kenne keinen Magdeburger, der sich mehr mit dem SCM identifiziert als Bennet Wiegert. Früher haben wir davon geredet, dass wir grün-rot bluten. Er tut es wirklich. Er kann alle mitreißen – erst recht die ausländischen Mitspieler. Denen muss er ja erklären, was Handball in und für Magdeburg bedeutet. Die große Zeit ist ja doch schon ein bisschen her. Das kann er sehr gut. Er kriegt die Leute an den Eiern gepackt. Rein fachlich hat er es auch drauf, hat sich als Trainer entwickelt. Der SCM hat zum Schluss der vergangenen Saison auch einen schönen Handball gespielt. Ablegen muss Wiegert seine übertriebene Emotionalität am Spielfeldrand,  da muss er sich mehr zusammenreißen und seriöser werden. Alles in allem: ein Top-Trainer.

Welche Beziehung haben Sie noch zu Magdeburg?
Ich bin einmal die Woche in Magdeburg, mein Sohn lebt noch da, mit meiner Ex-Frau. Er spielt beim FCM und beim SCM. Die Verbindung ist also nach wie vor da. Und natürlich habe ich weiter eine Sympathie für den SC Magdeburg. Da kann ich auch aus meinem Herzen keine Mördergrube machen – und das kriege ich bei Social Media oft genug um den Hals gewickelt.