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Interview der Woche Der scheidende Vorsitzende des FSV Borussia zur schwierigen Suche nach Vorstandsnachfolgern Jürgen Werner: "Schätze Lage als sehr dramatisch ein"

09.02.2013, 01:18

Der FSV Borussia Genthin sorgt sich um seine Zukunft. Da im Juni der Vorstand neugewählt wird, sucht der reine Fußballverein fieberhaft nach einer neuen Vereinsspitze - bisher ergebnislos. Sportredakteur Björn Richter traf sich mit Jürgen Werner, dem scheidenden Vorsitzenden, zum Gespräch.

Volksstimme: Herr Werner, in der vergangenen Woche hat der FSV Borussia eine außerordentliche Mitgliederversammlung in Vorbereitung auf die Hauptversammlung im Juni einberufen. Mit welchem Ergebnis?

Jürgen Werner: Mit einem ernüchternden. Von 97 stimmberechtigten Mitgliedern waren gerade einmal 29 anwesend. Auch konnte unser Hauptziel, die Kandidaten für den neuen Vorstand aufzustellen, nicht erfüllt werden. Es findet sich niemand, der Verantwortung übernehmen möchte. Da es um die Zukunft unseres Vereins geht, schätze ich die Lage als sehr dramatisch ein.

Volksstimme: Was wären die Konsequenzen, wenn sich niemand für die zu besetzenden Posten im Vorstand findet?

Werner: Im schlimmsten Falle droht die Auflösung des Vereins. Sollte sich bis zum Ende der Wahlperiode am 30. Juni niemand finden, wäre ein möglicher Weg die Anrufung des Amtsgerichts. Dieses bestellt dann kommissarisch einen Notvorstand. Sollte auch dies zu keiner Lösung führen, stünde am Ende die Löschung aus dem Vereinsregister, die faktische Liquidation. Wir haben uns in all den Jahren viel aufgebaut. Der Verein zählt seit seiner Gründung vor fast auf den Tag genau 21 Jahren zu den sportlich erfolgreichsten im Jerichower Land. Ich möchte nicht der Vorsitzende sein müssen, der das Schreiben an das Amtsgericht übermittelt. Das darf nicht passieren.

Volksstimme: Welche Ämter gilt es neu zu besetzen?

Werner: Insgesamt dreht es sich um drei Vorstandsämter. Der stellvertretende Vorsitzende Thomas Barske ist nun seit neun Jahren im Amt, möchte sich zukünftig aber voll und ganz auf seine Arbeit als Nachwuchstrainer im Verein konzentrieren, was ich sehr gut nachvollziehen kann. Der bisherige Kassenwart Reinhard Templin, seit fast 15 Jahren im Amt, geht Ende dieses Jahres in den Ruhestand, will verständlicherweise als Pensionär etwas kürzer treten.

"Nachwuchs und Ehrenamt sind das Tafelsilber dieses Vereins."

Volksstimme: Zu guter Letzt scheiden auch Sie als Vorsitzender aus dem Amt. Warum?

Werner: Ich bin selbstständiger Unternehmer. Die Arbeit für den Verein ist sehr zeitintensiv. Ich habe in den letzten Monaten gemerkt, dass ich beides nicht mehr genügend in Einklang bringen kann. Und auch die Familie und das Privatleben kamen sehr kurz.

Volksstimme: Klingt nicht, als wäre die Aufgabe besonders attraktiv. Warum sollte sich also jemand dieses Amt zumuten?

Werner: In erster Linie ist es unsere Nachwuchsabteilung, die für sehr viele Dinge entschädigt. Wie angesprochen, zählen wir zu den erfolgreichsten Vereinen im gesamten Landkreis. Viel motivierender ist aber zu sehen, wie diese Erfolge zustande kamen. In unserem Verein gibt es ein Vielzahl "positiv Verrückter". Die tauschen wie selbstverständlich ihre Schichtpläne auf der Arbeit, opfern ihre Wochenenden und stellen Ihr Privatleben zurück, nur um für andere da zu sein. Für mich ist das ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein sehr emotionaler Mensch bin. Deshalb glaube ich, dass jeder, der halbwegs mit Herz und Gefühl ausgestattet ist, begreift, dass es eine wunderbare Sache ist. Der Nachwuchs und unsere Ehrenamtlichen - das ist das Tafelsilber dieses Vereins.

"Gibt noch keine praxis-taugliche Anleitung: ¿So geht Vereinsarbeit\'."

Volksstimme: Abgesehen von Herz und Gefühl, welchem Anforderungsprofil müssen Kandidaten entsprechen?

Werner: Es kann ein Elternteil sein, ein Aktiver, auch jemand Externes. Theoretisch muss ein Kandidat noch nicht einmal Mitglied im Verein sein, auch wenn es wünschenswert wäre. Ansonsten gibt es leider noch keine praxistaugliche Anleitung mit dem Titel "So funktioniert Vereinsarbeit". Hinzu kommt, dass sich die Anforderungen im Laufe der Jahre verschärft haben. Wenn ich nur daran denke, dass der gesamte Spielbetrieb nur noch online abgewickelt wird und dann die Fragen rund um das Thema Vereinsrecht. Dazu habe ich vor einiger Zeit einmal den Satz geprägt : "Eine Wiese, ein Ball und zwei Tore - eigentlich wollen wir doch nur Fußball spielen."

Volksstimme: Das womöglich schlimmste Szenario von der Liquidation des Vereins haben Sie angesprochen. Was aber ist, wenn sich nicht für alle der drei zu besetzenden Vorstandsämter Kandidaten finden?

Werner: Auf der außerordentlichen Versammlung hatte ich auf eine Möglichkeit hingewiesen. Nach Vereinsrecht ist eine Reduzierung der Vorstandsmitglieder zulässig. Laut unserer Vereinssatzung besteht der Vorstand derzeit aus sechs Mitgliedern. Vorstellbar wäre daher, dass die Mitgliederversammlung eine Satzungsänderung beschließt und sich beispielsweise nur auf vier oder drei Vorstandsmitglieder festlegt. Nachteil wäre natürlich ein gewisser Verlust von Transparenz und gegenseitiger Kontrolle. Allerdings beginnt die Mitgliederversammlung im Juni mit der Frage nach Kandidaten. Wenn sich dann niemand findet, ist auch eine Satzungsänderung hinfällig.

Volksstimme: Was sollte jemand tun, der sich engagieren möchte?

Werner: Der oder die Interessierten sollten umgehend mit mir Kontakt aufnehmen. Der derzeitige Vorstand wird bis zum letzten Tag seine Aufgaben ausführen und auch danach dem neuen Präsidium beratend zur Seite stehen.