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WM-Kampf SES-Boxer geht in der 6. Runde zu Boden / 60. Sieg für phänomenalen Weltmeister Klitschko K.o. trifft Pianeta ganz tief in der Seele

Von Janette Beck 06.05.2013, 01:32

Wladimir Klitschko ist und bleibt das Nonplusultra des Schwergewichtsboxens. Bis zur 6. Runde hatte Herausforderer Francesco Pianeta tapfer dagegen gehalten. Dann ging auch der SES-Boxer wie viele andere vor ihm k.o. Nach der ersten Niederlage der Karriere trug sein Boxer-Herz Trauer: "Diese Niederlage schmerzt vor allem meine Seele."

Mannheim l Es war 1.30 Uhr am Sonntagmorgen, da ließ sich Wladimir Klitschko, der in seinem 63. Kampf dem Kampfnamen als "Dr. Steelhammer" mit dem 52. K.o.-Sieg alle Ehre gemacht hatte, dann doch zur obligatorischen Pressekonferenz herab. 200 Journalisten hatten eine Stunde im stickigen und engen Presseraum artig gewartet, bis der 37-Jährige endlich die Dopingprobe erledigt und zum x-ten Mal an diesem RTL-Abend den exklusiven Interview-Wünschen seines Haussenders nachgekommen war. Ein Klitschko weiß eben Prioritäten zu setzen.

Als der 37-Jährige auf dem Podium erschien, wurde das nicht etwa mit bösen Kommentaren oder Murren der "versetzten" Medienmeute kommentiert. Nein, dem wie aus dem Ei gepellten Herren im roten Trainingsanzug wurde applaudiert: Ehre, wem Ehre gebührt.

Die Szene erklärt das Phänomen Klitschko, die im deutschen Boxen das Maß der Dinge sind. Genauso wie eine zum vierten Mal mit 13 000 ausverkaufte SAP-Arena, in der die Programmhefte für satte 10 Euro verkauft wurden. 700 Euro teure Plätze am Ring, die weggegangen waren wie warme Semmeln. Eine TV-Traumquote von 8,94 Millionen Zuschauer (Marktanteil 37,4 Prozent). Oder eben Zuschauer, die den Ukrainer mit Faszination und Begeisterung anfeuerten während sich einer wie Pianeta, ein "Junge von hier" aus dem Ruhrpott, Respekt und (Be)Achtung hart erarbeiten musste.

Während der Sieger sein Statement höchst professionell, wortgewandt und im fehlerfreien Deutsch abgab - "Ich freue mich, dass ich mich mit 37 Jahren so gut darstellen kann. Ich fühle mich besser als mit 27. Das liegt an meiner Erfahrung, die zahlt sich aus." - suchte der Verlierer nach Worten: "Was soll ich sagen? Ich habe verloren. Es war eine Scheißleistung von mir."

"Das war eine Scheißleistung von mir"

Francesco Pianeta

Dreimal war er zu Boden gegangen, Ende der sechsten Runde war nach einer Links-Rechts-Kombination an die Schläfe endgültig das Licht ausgegangen. "Das war aber nur kurz, danach ging es mir schnell wieder gut. Ich hätte gern weitergeboxt, aber der Ringrichter hat mich nicht gelassen", haderte Pianeta mit seinem Schicksal. "Klar ist es keine Schande, gegen den Besten der Besten zu verlieren. Aber dennoch bin ich traurig, dass der Kampf so geendet hat."

Dabei hatten der Boxer und sein Trainer Dirk Dzemski einen Plan ausgetüftelt. Und Pianeta war diesen in den ersten Runden mutig angegangen. Doch es gelang ihm nicht, Klitschkos schärfste Waffe, die ellenlange linke Führhand, zu entschärfen. Dzemski: "Wir wollten versuchen, in die Halbdistanz zu kommen. Francesco hat alles versucht, aber Wladimir hat das clever gemacht und geklammert, wenn es so weit war. Er war heute der Bessere, dass müssen wir sportlich anerkennen."

Klitschko fand nur lobende Worte für den Herausforderer, dem schon in den Vorberichten ungewöhnlich viel Platz eingeräumt wurde. "Es haben schon viele Gegner vorher gequatscht, was sie alles Schlimmes machen wollen, Francesco hat sich dagegen sportlich sehr fair verhalten." Er habe schnelle, starke Hände gehabt, beteuerte Klitschko. "Das waren die härtesten Schläge, die ich je gespürt habe. Ich bin froh, dass er mich nicht erwischt hat, denn wer weiß, sonst wäre ich vielleicht zu Boden gegangen."

Pianeta konnte wohl selbst nicht glauben, was er da hörte. Und es konnte ihn auch nicht trösten, dass Klitschko ihn mit einer rosigen Zukunftsvision aufzubauen versuchte und an die Worte seines verstorbenen Star-Trainers erinnerte: "Du bist ehrgeizig und jung. Du wirst aus dieser Niederlage viel lernen und mitnehmen. Das wird dir heute noch nicht bewusst sein, aber bald. Und wenn Emanuel Stewart gesagt hat, du wirst der spätere Weltmeister sein, dann wirst du das auch schaffen."

Was den Gelsenkirchner den Kopf doch ein wenig heben ließ, waren die Worte seines Magdeburger Promotors Ulf Steinforth: "Francesco sollte sich das Beispiel Robert Stieglitz vor Augen halten. Der hat auch seine allererste WM-Chance nicht nutzen können." Ohnehin seien die Pläne andere gewesen und ein solcher WM-Kampf drei Jahre nach der Krebserkrankung möglicherweise zu früh gekommen. "Wenn man die Chance bekommt, gegen einen Klitschko zu boxen, muss man natürlich zugreifen. Eigentlich ist Francesco unser Mann für die Nach-Klitschko-Ära. Mit 28 Jahren gehört ihm die Zukunft."