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Fußball Getrieben vom Druck des Kalenders

Der erneute Lockdown, der zum Stillstand im Amateurfußball führt, erhitzt die Gemüter

Von Björn Richter 03.11.2020, 00:01

Burg l Bevor am Montag im gesamten Amateurbereich der Riegel ins Schloss fiel, zogen viele Sportverbände den neuerlichen Lockdown am Wochenende auf freiwilliger Basis vor, darunter auch der Fußball-Landesverband FSA. Die Generalabsage war allerdings nicht unumstritten, wie der Blick ins Jerichower Land zeigt.

Im Gepäck auf der rund einstündigen Fahrt nach Neugattersleben hatte Horst Wichmann am vergangenen Donnerstag auch die Hoffnung. Erfüllt hat sie sich für den Präsidenten des Kreisfachverbandes Fußball Jerichower Land (KFV) bei der turnusmäßigen Zusammenkunft des FSA-Vorstandes allerdings nicht. „Da bei uns nur zwei Spiele mit Beteiligung des VfL Gehrden, wo es einen Corona-Verdachtsfall gab, abgesagt wurden, war ich guter Dinge, dass am Wochenende noch einmal gespielt werden kann.“ Nachdem bereits gegen Mittag auf internen Kanälen die Nachricht durchgesickert war, dass der Spielbetrieb auf Landesebene bereits zwei Tage vor dem Lockdown am Montag eingestellt wird, berieten sich Wichmann und seine zwölf Amtskollegen, wie in den einzelnen Kreisen verfahren werden soll. Letztlich sprachen sich „nur der Harz und das Jerichower Land dafür aus“, dass noch ein Spieltag über die Bühne geht, bevor der Amateursport mindestens vier Wochen lang ruht.

Dass es bei dem von Bund und Ländern anvisierten Zeitfenster bleibt, darf allerdings bezweifelt werden. Nicht wenige Aktive, Übungsleiter und Vereinsfunktionäre äußerten bereits Ende der vergangenen Woche die Befürchtung, dass bis zum Jahreswechsel der Ball kein weiters Mal rollt. Der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) hatte zudem am 26. Oktober angekündigt, auf die Austragung seiner diesjährigen Hallenwettbewerbe zu verzichten. Eine Durchführung sei mit Blick auf die Erfüllung behördlicher Vorgaben nicht realisierbar, heißt es in der offiziellen Mitteilung des Gremiums. Es dürfte nicht überraschen, wenn die Kreisverbände mit dem Verzicht auf Hallenwettewerbe dem Beispiel der übergeordneten Stellen von DFB, NOFV und FSA folgen.

Mit Blick auf die eingefrorene Freiluftsaison im Senioren- und Nachwuchsbereich will man beim FSA am 20. November zu einer erneuten Bestandsaufnahme zusammenkommen. Sollten sich dann bereits wieder erste Lockerungen abzeichnen, gibt sich KFV-Präsident Wichmann optimistisch, dass es im alten Jahr noch die Rückkehr zum Regelspielbetrieb gibt: „Wenn die Infektionszahlen es zulassen – warum nicht? Wir reden hier auf unserer Ebene nicht von hunderten Zuschauern. Meist sind es in der kalten Jahreszeit nur 25, die sich auf dem Sportplatz verstreuen. Daneben wurden überall Hygienekonzepte ausgearbeitet, auf die man zurückgreifen kann.“

Zugleich müsse man laut Wichmann jedoch „allen Sportfreunden auch genug Zeit einräumen, um sich auf die Wiederaufnahme des Wettkampfbetriebes vorzubereiten“. So geht die Befürchtung vielerorts dahin, dass ein möglicher Re- zugleich auch ein Kaltstart mit entsprechend kurzer Anlaufzeit wäre. Zwar braucht es sicher anders als zu Saisonbeginn im Sommer keine zwei Monate Vorlauf, doch im Sinne eines fairen Wettbewerbs und einem überschaubaren Verletzungsrisiko erscheint eine Rückkehr zur Normalität in allen Ligen vor 2021 unwahrscheinlich. Und dann wäre da ja auch noch der Winter und die mit ihm einhergehenden Platzsperrungen: „Es bleibt abzuwarten, wie sich das Wetter gestaltet. Unter dem Strich gibt es sehr viele Faktoren, die wir nicht beeinflussen können. Uns bleibt nur, abzuwarten.“

Eben das wollte der Hallenser Stadtfachverband eben nicht und hat bereits in der Vorwoche Fakten geschaffen. Am Donnerstag gab Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) bekannt, dass der Amateursport in der Saalestadt schon an diesem Wochenende nicht mehr erlaubt ist und nicht erst ab Montag, wie von den Regierungschefs von Bund und Ländern am Mittwoch vereinbart. „Ich bin erleichtert, dass das geklärt wurde und nicht von uns Ehrenamtlern entschieden werden musste“, so SFV-Präsident Thomas Paris gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung.

Somit ist klar: Der Fußball in Halle rollt nur noch bei den Drittliga-Profis vom HFC. Und das nicht nur bis Ende November. So lange gilt die Verordnung, welche die Politik am Mittwoch verabschiedet hat. „In diesem Jahr werden wir auf Stadtebene nicht mehr spielen“, betont Paris. Schließlich, so erklärt er, könne nach dem Monat gänzlich ohne Trainingsbetrieb nicht einfach direkt wieder gespielt werden. „Aus der Kalten zu starten, das geht nicht“, betont Halles Fußballchef. Stattdessen müsse überhaupt erst mal wieder Mannschaftstraining stattfinden, dann könnte der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden. „Aber dann ist ja schon Weihnachten, dann Silvester“, sagt Paris. „Das macht keinen Sinn.“ Ein Abbruch der Spielzeiten sei derzeit aber noch kein Thema im Stadtverband. Stattdessen wird nun überlegt, die Winterpause zu verkürzen, um die vielen Spiele, die nun ausfallen, nicht alle im Frühjahr unter der Woche nachholen zu müssen. „Eigentlich wollten wir Ende Februar mit der Rückrunde beginnen“, sagt Paris. „Wir überlegen jetzt, das vorzuziehen.“

Der Termindruck bleibt demnach ein zentrales Thema und war auch im KFV Jerichower Land das Hauptargument, um zumindest am vergangenen Wochenende noch einen Spieltag durch zu bekommen. Spielobmann Jürgen Schulze hatte Ende vergangener Woche etwa gefordert: „Wir sollten das gegenwärtige Wetter und die Möglichkeit, noch Spiele durchführen zu können, nutzen.“ Was daraus wurde, ist bekannt. Folglich gilt es nun, Exit-Strategien zu entwickeln, wie das angefangene Spieljahr zu Ende geführt werden kann. Der Kalender ist durch den Rahmenterminplan eng gestrickt, bietet aber auch noch Reserven, wie Wichmann erklärt: „Die Erfahrung der zurückliegenden Winter zeigt, dass wir unter Umständen schon im Februar Punktspiele austragen können.“ Nach aktuellem Stand sind die Wochenenden am dem 13. Februar für Nachholspiele in der Landesklasse geblockt, die Landesliga soll dann bereits wieder einen vollständigen Spieltag bestreiten. Die kreislichen Ligen steigen dagegen erst knapp einen Monat später wieder ein. Und auch eine Verlängerung der Spielzeit erscheint als gangbarer Weg, um nicht die zweite Saison in Folge abbrechen zu müssen. Das derzeit anvisivierte Saisonende am 19./20. Juni 2021 dürfte mittlerweile kaum einzuhalten sein.

Unabhängig von der Frage, wann Trainings- und Spielbetrieb wieder anlaufen, beschäftigen die Verantwortlichen aber auch die unmittelbaren Konsequenzen des Lockdowns. „Dass die Aktiven im Herrenbereich nun ihre Wochenenden zuhause verbringen, ist das Eine und sicher weitaus weniger dramatisch als es die Folgen für den Nachwuchs sind. Mir tut es leid, wenn ich sehe, dass Kindern und Jugendlichen ihr Hobby genommen wird“, bedauert Wichmann die aktuellen Verordnungen, die den organisierten Sport zum Erliegen kommen lassen.

Dass es anders geht, beweist der Blick zu den Nachbarn. In Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wurde am Wochenende nicht nur regulär weitergespielt, die Bestimmungen der einzelnen Landesregierungen ermöglichen es dem Kicker-Nachwuchs auch in Zeiten des Lockdowns, dem Ball nachzujagen. Wobei man über die Lösungen im Detail geteilter Meinung sein darf. In der Bundeshauptstadt wird etwa nur für Kinder bis zu zwölf Jahren der Trainingsbetrieb im Freien aufrechterhalten. In Mecklenburg-Vorpommern wurde die Altersgrenze dagegen auf 18 Jahre festgelegt.

Doch nicht nur mit Blick auf den Fußball-Flickenteppich Deutschland regiert die Uneinigkeit. Dass man gar nicht so weit über den Tellerrand hinausschauen muss, begründet Michael Müller, Präsident des KFV Altmark Ost: „Wir haben intensive Monate hinter uns. Wir hatten die Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Interessant wurde es, wenn der Vorsitzende eines Vereins sagte, wir sollen abbrechen und ein Trainer anrief und sagte, er wolle spielen. Dieser Vorgang zeigt, dass man sich selbst innerhalb der Vereine nicht mehr immer einig ist, eben weil die Sache so schwierig ist.“ Kritik erfährt durch Müller auch die Art und Weise des Miteinanders in den sozialen Medien: „Wenn einer eine Meinung äußert, die nicht der lauten Mehrheit entspricht, wird er gleich von sechs Leuten befeuert, ob er keine Ahnung hätte. Das Virus wird nicht schnell weg sein. Daher hoffe ich, dass ein positives und solidarisches sowie ruhiges Miteinander möglich ist. Zugleich hoffe ich dennoch, dass der Ball noch so oft wie möglich rollt und wir eine vernünftige Sprache sprechen.“