Leichtathletik Raus aus Omas Garage

Speerwerfer Gordon Schulz kehrt an seine angestammte Trainingsstätte zurück.

Von Daniel Hübner 14.05.2020, 01:01

Burg/Magdeburg l Gordon Schulz hat die Lautstärke seiner Stimme gesenkt und dann verkündet: „Ich habe die Playstation wieder rausgeholt.“ Anhand solcher beiläufigen Bemerkungen lässt sich die Auswirkung der Corona-Krise ganz gut erklären. Denn bis zur Abschaltung seines normalen Alltags war der 19-Jährige so was wie der Stolz einer Generation, weil er sich mit allem beschäftigte – nur nicht mit Videospielen.

Irgendwann war es dem Speerwerfer vom SC Magdeburg allerdings zu langweilig geworden zwischen den Trainingseinheiten im Stadtpark und in Omas Garage, wo er sich seinen Kraftraum einrichten durfte. „Dafür habe ich immer ein Tässchen Kaffee mir ihr getrunken“, sagt Schulz lächelnd. Irgendwann reichten eben Essen und Schlafen in den Trainingspausen nicht mehr, um die verbleibende Zeit sinnvoll zu füllen.

Nach dem x-ten Spaziergang durch den Stadtpark konnte er jeden Grashalm persönlich begrüßen. Nicht immer taugte das Wetter, um auf Inlinern durch die Welt zu rollen. Und für sein Hobby, für das Angeln, fehlt ihm noch der entsprechende Schein. „Und irgendwann wusste ich nichts mehr mit meiner Zeit anzufangen“, gesteht er.

Auch Schulaufgaben musste Schulz nicht mehr erledigen. „Ich bin im vergangenen November vom Sportgymnasium abgegangen“, berichtet er. Weil die Noten nicht sonderlich gut waren, weil ein Studium für ihn sowieso nicht infrage gekommen wäre. „Ich habe die Entscheidung getroffen, weil sie für mich und meinen Sport gut ist“, betont Schulz. Stattdessen bestreitet er derzeit seinen Bundesfreiwilligen-Dienst in der Geschäftsstelle des SCM. Mehr oder weniger in diesen Zeiten: „Ich stehe sozusagen auf Abruf zur Verfügung.“

Sein Trainer steht ihm indes stets und ständig zur Verfügung. Das stand er in den vergangenen Wochen mit seiner Ferndiagnose per WhatsApp. Das steht er nun wieder live und Farbe auf dem Trainingsareal am Magdeburger Olympiastützpunkt. Seit dem vergangenen Dienstag darf Schulz, der zum Nachwuchskader 1 des Deutschen Leichtathletik-Verbandes gehört, in seinem „natürlichen“ Bereich und unter den Augen von Coach Ralf Wollbrück seine Einheiten absolvieren.

Vorbei ist damit die gemeinsame Zeit mit den Wurfkugeln im Stadtpark. Die waren zumindest 800 Gramm schwer, so schwer wie der Männerspeer, den Schulz seit 2019 in der U 20 wirft – und den er schon auf starke 74,51 Meter geworfen hat. Vorbei ist die Zeit an den Hanteln in Omas Garage. Nun arbeitet Schulz auf seinen Start in der U 23 hin, auf die Europameisterschaften in Bergen/Norwegen im nächsten Jahr.

Dabei war es nicht mal unbedingt die Technik, um die sich Schulz in jüngster Zeit Sorgen gemacht hat. Wenngleich: „Ziel der Vorbereitung war es auch, die Technik zu verbessern, gerade die Position meines Wurfarms“, erklärt er. Mehr noch haben ihm seine Kraftwerte Kummer bereitet. „Die hatte ich im Winter verbessert. Beim Reißen bin ich etwa auf 100 Kilo gekommen. Eine Bestleistung, die ich mir schon seit zwei Jahren vorgenommen hatte.“ Und nun? „Ich habe schon einen Kraftverlust gespürt“, sagt er. Das bisschen Hanteltraining konnte die Arbeit mit schweren Gewichten, mit denen er im normalen Alltag die Muskulatur aufbaut, nicht kompensieren.

Man kann sich bei Schulz allerdings sicher sein, dass er diesen Verlust nun wieder aufholen und irgendwann erneut um eine neue Bestleistung reißen wird. Und man kann sich sicher sein, dass Schulz auch auf der beruflichen Ebene den nächsten Schritt gehen wird. „Ich möchte im März 2021 eine Ausbildung bei der Landespolizei beginnen und damit in die Sportförderung kommen.“ Das wäre eine gute Entscheidung – für ihn und für seinen Sport.