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Handball Auf der Suche nach „frischem Wind“

Nach der Last-Minute-Rettung in der Sachsen-Anhalt-Liga: Eintracht Gommern und Trainer Dirk Heinrichs gehen getrennte Wege.

Von Björn Richter 07.05.2016, 01:01

Gommern l Die Bundesstraße 246a verlangt Pkw-Fahrern viel ab. Auf dem kurvigen Abschnitt zwischen Plötzky und Ranies ist Konzentration gefordert. Später, mit der Stadt Schönebeck im Rücken sowie der Gemeinde Bördeland vor sich, zahlen sich starke Nerven aus, wenn an den Ampelkreuzungen wieder einmal rote Welle herrscht. Nein, diese Straße ist nicht geeignet, den Gedankenstrom beim Autofahren fließen zu lassen.

Dirk Heinrichs hat es am Samstagabend trotzdem getan. Immerhin ist er diese Strecke in den vergangenen drei Jahren in der Regel dreimal wöchentlich hin- und hergetourt. Hinter ihm liegt eine Saison, die unglaublich an den Nerven gezehrt hat und an deren Ende der von ihm trainierte SV Eintracht durch einen 32:20-Erfolg über den HBC Wittenberg dem Abstieg am letzten Spieltag entgangen ist. Und wenige Minuten zuvor hat er das Team ein letztes Mal gecoacht. „Man fährt ganz stolz nach Hause, lächelt eigentlich die ganze Zeit. Immerhin ist die Mannschaft im letzten Spiel zu etwa 80 Prozent dort angekommen, wo wir vom Potenzial her sein sollten.“

Waren also die fehlenden 20 Prozent ausschlaggebend dafür, dass der Verein Heinrichs eine Woche zuvor, im Rahmen der 29:38-Auswärtsniederlage beim USV Halle II, offenbart hat, dass er über die Saison hinaus nicht mit ihm plane? „Nein“, sagt Andreas Schütte, stellvertretender Handball-Abteilungsleiter des SVE. „Wir sind Dirk sehr dankbar für die Arbeit in den vergangenen drei Jahren. Wir hatten großartigen Erfolg mit dem Aufstieg in die Sachsen-Anhalt-Liga und dem zweimaligen Klassenerhalt.“ Dennoch sei man innerhalb der Abteilungsleitung „zu der Entscheidung gekommen, dass zur neuen Saison eine Veränderung her muss, wir einfach auch frischen Wind benötigen“.

Im Großen wie im Kleinen streiten die Gelehrten darüber, ob es den geeigneten Zeitpunkt gibt, um derartige Entscheidungen intern wie auch nach außen hin zu kommunizieren. Werden frühzeitig Fakten geschaffen – etwa zum Jahreswechsel und damit in der Mitte einer Spielzeit – besteht die Gefahr, dass der Ehrgeiz schwindet. Die Liste mit Beispielen, bei denen nach Verlautbarung einer Trennung nicht mehr alle Beteiligten an einem Strang zogen, ist lang.

Lässt man sich andererseits Zeit, bis die Saison vorüber ist, gefährdet dies nicht nur die Zukunftsplanung des Vereins, auch dem Trainer wird so die Möglichkeit genommen, mit anderen Vereinen in Kontakt zu treten. Schütte betont daher, dass in Gommern weder von einer Panik-Reaktion, noch von Kalkül die Rede sein kann: „Es ist eine Entscheidung, die in den vergangenen Wochen gereift ist. Natürlich stand vor allen anderen Dingen der Klassenerhalt. Allerdings wollten wir auch eine Verabschiedung ermöglichen.“

Abgang ist keine „Flucht“

Zu dieser kam es am vergangenen Sonnabend nicht. Als eine „Flucht“ wollte Heinrichs seinen unmittelbaren Abgang nach Ende der Partie gegen Wittenberg jedoch nicht verstanden wissen: „Das Engagement in Gommern läuft wie vorgesehen bis Ende Mai. Bis dahin werde ich noch drei Wochen lang das ‚Abtrainieren‘ leiten.“ Auch danach soll es keinen Groll zwischen ihm und dem SVE geben. „Das Verhältnis zur Mannschaft, dem Verein und den Fans ist ungebrochen. Ich kann allen nur alles Gute für die Zukunft wünschen. Sicher werde ich auch das ein oder andere Spiel in Gommern besuchen. Solche Episoden wie eine spontane Grillparty, als plötzlich die gesamte Mannschaft im Sommer bei mir zu Hause vorgefahren kam, vergisst man nicht und ich werde sie vermissen.“

Die Erinnerungen stehen also über den Erfahrungen. Dass diese speziell bei den Übungseinheiten im zurückliegenden Jahr teils frustrierend waren, verhehlt der 46-Jährige nicht. „Ich unterscheide bei der Trainingsarbeit gern drei Stufen: Erarbeitung, Erhaltung und Beschäftigung.“ Durch die vielen verletzungs- und berufsbedingten Ausfälle „war häufig nur Stufe drei möglich. Natürlich fährt man dann unzufrieden nach Hause und es läuft in den Spielen alles andere als rund. Aber ich denke, jeder hat gesehen, dass wir in der Rückrunde eine klare Steigerung hingelegt haben“, schließt der B-Lizenz-Inhaber das Kapitel versöhnlich ab.

Noch kein Nachfolger

So wartet dann auch auf den Nachfolger eine besondere Herausforderung. Einerseits ist die Mannschaft ohne Frage qualitativ stark besetzt, doch wie von der 3. Liga bis hinab in kreisliche Handballgefilde üblich, gehen Beruf, Familie und Gesundheit vor. Namen gibt es übrigens noch nicht im Bezug auf einen neuen Mann an der SVE-Seitenlinie. „Es gab bisher keine konkreten Gespräche mit potenziellen Nachfolgern“, erklärt Schütte.