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Fußball Verbandstag zwischen Katastrophe und Farce

Der ordentliche Verbandstag des Kreisfachverbandes Fußball Börde wurde zum absoluten Desaster.

Von Christian Meyer 03.09.2018, 01:01

Eilsleben l Es war zu erwarten, dass der ordentliche Verbandstag des Kreisfachverbandes Fußball Börde nicht reibungslos über die Bühne gehen würde. Was die 69 anwesenden, stimmberechtigten Delegierten dann über dreieinhalb Stunden im Gasthof zur Eisenbahn in Eilsleben erlebten, war eine Bankrotterklärung des Gremiums, an deren Ende ein nicht entlasteter alter Vorstand und ein neuer Vorstand ohne Vorsitzenden stehen.

Es war 21.13 Uhr in Eilsleben, als Heiko Stapel die wohl eigentlich letzte Frage des Abends mit seinem Rücktritt quittierte. Gunnar Schütze (Haldensleber SC) wollte wissen, wer für diese „katastrophale Veranstaltung die Verantwortung“ übernehmen würde. Der frisch gewählte Präsident, Stapel erhielt zuvor 50 von 64 gültigen Stimmen und setzte sich gegen Rüdiger Petrasch (Wanzleben) durch, holte kurz Luft, nahm die Schuld auf sich und verkündete leise seinen Rücktritt nach nicht mal einer Stunde im Amt. Der bisherige Präsident, Eckhard Jockisch, war zu diesem Zeitpunkt nicht mal mehr vor Ort. Es war der desaströse Abschluss einer Veranstaltung, die von Anfang an nicht rund lief.

Schon bei der Tagesordnung gab es Ungereimtheiten. Im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte, allerdings nur Lappalien. Nach den Grußworten von Gast Frank Hering (Vizepräsident Recht im Fußballverband Sachsen-Anhalt), scheinbar der einzige mit Kompetenz und Rechtskenntnis in Sachen Satzungen und Ordnung am langen Präsidiumstisch, und den verdienten Ehrungen für Edgar Schulze (SV Etingen/Rätzlingen), Heiko Hornig (SSV Samswegen) und Rüdiger Lübke (Eilslebener SV) folgten die Berichte der Ausschüsse.

Egon Genz (Spielausschuss) verkündete den Rückgang von elf weiteren Mannschaften im Kreis, Heiko Stapel (Sportgericht) die immer noch hohe Anzahl von Strafen gegen Vereine mit einer mangelnden Schiedsrichterzahl (47).

Danach ging es um die Finanzen, seit drei Jahren ein sensibles Thema beim KFV Börde. Denn seit August 2015 werden die Finanzen des Kreisfachverbandes in einem damaligen „Pilotprojekt“ – mittlerweile nehmen dies sieben Kreisfachverbände in Anspruch – über den FSA abgewickelt. Dies geschah gegen den Willen des damaligen gewählten Schatzmeisters Rainer Wielinski, der klagte und in zweiter Instanz Recht bekam. Es entwickelte sich über die Jahre ein Zwist zwischen Wielinski und dem Rest des KFV-Präsidiums, der am Freitag klar zu Tage trat. Heiko Stapel stellte, wie schon in den Interviews im Vorfeld der Wahl heraus, dass das „Vertrauensverhältnis zerstört“ sei.

Die Antwort von Rainer Wielinski blieb nicht aus. In seinem Rechenschaftsbericht legte er noch einmal dar, wie es zum Zerwürfnis kam, sprach von „skandalösen Zuständen“, seinerseits zurückgewiesenen Rechnungen für die Innensäuberung von Fahrzeugen und zu teuren Laptops auf Verbandskosten und hatte sogar den Lautsprecher dabei, dessen Wert von knapp 20 Euro damals seiner Meinung nach der gern genommene Ausgangspunkt für das Pilotprojekt war. Daniel Schlüter hatte genug gehört und forderte in einem Antrag, den Bericht des Schatzmeisters zu beenden. Es war die erste Richtungsentscheidung für den weiteren Abend. Die Delegierten lehnten diesen Antrag ab, Wielinski durfte fortfahren.

Anschließend sollte laut Tagesordnung der alte Vorstand nach dem Bericht der Kassenprüfer entlastet werden. Allerdings gab es diesen Bericht nicht, denn: Kassenprüfer waren vor vier Jahren schlicht gar nicht gewählt worden! Auch die Überprüfung durch Mitarbeiter des FSA lag nicht in schriftlicher Form vor.

Ein amateurhafter Fehler, der das Kopfschütteln im Saal noch größer werden ließ. Schon jetzt drohte ein Abbruch des Verbandstages, doch die Delegierten entschieden sich per Abstimmung dafür, den Vorstand auf einem späteren Verbandstag zu entlasten und mit der Tagesordnung fortzufahren.

Dann ging es um Fußball: Die von der SG Empor Klein Wanzleben eingereichten Anträge auf Erhöhung der Bördeoberliga auf 16 Mannschaften (17 Ja-Stimmen/31 Nein-Stimmen/21 Enthaltungen) und Teilung der Bördeliga in zwei Staffeln (16/36/14) wurden deutlich abgelehnt. Erfolgreich war hingegen der Vorschlag des SV Irxleben, die Reservemannschaften wieder zum KFV-Pokal zuzulassen (35 Ja-Stimmen/15 Nein-Stimmen/14 Enthaltungen).

Nach diesem kurzen Ausflug in den Sport wurde es wieder politisch. Der Antrag von Rainer Wielinski, die Finanzhoheit des KFV Börde wieder vom FSA auf den Kreisfachverband zu übertragen und das Pilotprojekt zu beenden, sei „zu spät eingereicht worden“, erklärte Versammlungsleiter Michael Nolte zunächst. Der Betroffene Wielinski entgegnete, dass der Antrag per Einschreiben fristgemäß eingegangen sei. Licht ins Dunkel brachte Norman Schmelzer vom Sportgericht. Er erklärte, dass die Entscheidung über fristgemäß oder nicht noch nicht final gefällt werden konnte, „weil keine Stellungnahme des KFV-Präsidenten vorliegt“. Nach viel Unruhe wurde über die Sachlage abgestimmt. Wieder zugunsten Wielinskis. 33 Delegierte stimmten für seinen Antrag, 15 dagegen und 18 enthielten sich.

Wahlleiter Frank Schulze, der seinen Job exzellent erledigte, bat danach zur Abstimmung über die einzelnen Posten. Die Wahl des Präsidenten fiel eindeutig aus. Heiko Stapel setzte sich mit 50 Stimmen deutlich gegen Rüdiger Petrasch (14) durch. Im Amt bestätigt wurden Egon Genz (62 Stimmen/Spielausschuss), Matthias Schröder (64 Stimmen/Jugendausschuss) und Peter Bree (60 Stimmen/Schiedsrichterausschuss).

Es folgte die Gretchenfrage des Abends: Die geheime Wahl des Schatzmeisters. Zur Abstimmung standen Rainer Wielinski und Udo Eggers, der vom KFV-Präsidium intensiv beworben wurde. Doch die Delegierten entschieden anders. Rainer Wielinski wurde mit 37 Stimmen im Amt bestätigt, Eggers erhielt 23 Stimmen. Präsident Eckhard Jockisch bekam diese Entscheidung nicht mehr mit, er hatte den Saal zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Die Freude, die Heiko Stapel seit seiner Berufung ausgestrahlt hatte, war nun wie weggeblasen.

Es folgten die Wahl von Rüdiger Fechner zum Vorsitzenden des Jugendsportgerichtes (58 Stimmen), Peter Drache zum Vorsitzenden im Ausschuss Freizeit- und Breitensport und DFBnet (59 Stimmen) sowie von Steffen Mootz (61 Stimmen), Bernd Scheer (57 Stimmen), Jens Alicke (55 Stimmen), Gordon Gerhardi (47 Stimmen) und Michael Bode (57 Stimmen) als Vereinsvertreter. Die Ämter des Vorsitzenden des Kreissportgerichtes, des Lehrwartes und des Pressewartes blieben unbesetzt.

Der neue Vorstand war nun gewählt, aber überstand nur drei Fragen der abschließenden Diskussion. Ließ Heiko Stapel den Vorwurf der „fachlichen Inkompetenz“ von Jörn Schenke noch über sich ergehen, zog er bei der Frage von Gunnar Schütze nach der Verantwortung „für diese katastrophale Veranstaltung“ seine Konsequenz. Er stellte sich vor den nicht mehr anwesenden Ex-Präsidenten Jockisch, der ihn lange Zeit als Wunschlösung für seine Nachfolge aufgebaut hatte, übernahm die Schuld und verkündete seinen Rücktritt.

Es ist eine Entscheidung mit bitterem Beigeschmack. Denn zum einen schockierte Stapel die 50 Vereinsvertreter, die ihm kurz zuvor das Vertrauen ausgesprochen hatten, zum anderen hätte er, bei aller Konsequenz eines komplett zerstörten Vertrauensverhältnisses zum alten und neuen Schatzmeister bereits direkt nach dessen Wahl zurücktreten können oder aber sich gar nicht erst selbst zur Wahl stellen dürfen, wenn er eine Zusammenarbeit mit diesem trotz demokratischer Entscheidung der Vereine von Anfang an ausschloss.

So steuert der KFV Börde momentan mit mächtiger Schieflage und ohne Kapitän durch stürmische Gewässer. Mit Rüdiger Lübke, Staffelleiter der Bördeoberliga, verließ bereits ein wichtiger Funktionär das sinkende Schiff. Weitere Personalentscheidungen sind in der kommenden Woche zu erwarten. Am Montag möchten Verantwortliche des KFV Börde beim FSA vorstellig werden und Hilfe erbeten.

Steffen Mootz (Vereinsvertreter SV Altenweddingen):

„Es ist absolut enttäuschend. Als Vereinsvertreter war ich geschockt, wie die Veranstaltung vorbereitet wurde und abgelaufen ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dass es jetzt einen Neuanfang geben muss – mit Herrn Wielinski, denn er wurde gewählt. Wenn jetzt alle hinschmeißen, dann haben wir keinen Spielbetrieb mehr."

Eckhard Jockisch (Ex-Präsident):

„Wir haben ja schon im Vorfeld damit gerechnet, von Herrn Wielinski als Verbrecher hingestellt zu werden. Nach seiner üblen Rede war ich so aufgewühlt, dass ich gegangen bin. Das tut mir im Nachhinein sehr leid, besonders für Heiko."

Gunnar Schütze (Haldensleber SC):

„Ich habe so etwas  überhaupt noch nicht erlebt. Es war eine Katastrophe. Für mich wirkte der Verbandstag teilweise unvorbereitet. Aber mein größtes Problem ist, dass sie die Grabenkämpfe, die sie intern führen, auf diesen Verbandstag gepackt haben. Mit seiner Kandidatur ist Heiko Stapel volles Risiko gegangen, da meiner Meinung nach bereits vorher klar war, dass er das Amt nur antritt, wenn Rainer Wielinski nicht gewählt wird. Dass Eckhard Jockisch, ohne sich zu verabschieden, vorzeitig die Veranstaltung verlässt, gehört sich – ohne das ich ihm was schlechtes will– nicht. Für mich braucht dieser KFV einen absoluten Neustart."

Heiko Stapel (zurückgetretener Präsident):

„Mir tut es leid für die Menschen, die mir das Vertrauen geschenkt haben, aber jemand musste die Verantwortung übernehmen für das, was hier abgelaufen ist. Der Rucksack wäre zu groß gewesen. Ich hätte mir keine Zusammenarbeit mit Rainer Wielinski, der seit drei Jahren zu keiner Vorstandssitzung gekommen war, vorstellen können – und so denken mehrere Präsidiumsmitglieder – das habe ich im Vorfeld deutlich gemacht. In einem Rechenschaftsbericht jemanden persönlich anzugreifen, halte ich für die falscheste aller Möglichkeiten."