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Fechten Start mit Degen an heimischer Herdplatte

Einmal wöchentlich treffen sich beim USC Fechter zwischen acht und 50 Jahren zum Training. Aushängeschild ist Karen Dömeland.

Von Hans-Joachim Malli 20.12.2018, 00:01

Magdeburg l Während auf dem ansonsten vor allem von Volleyballern genutzten Spielfeld die älteren Fechter mit Uwe Richter trainieren, wird es im Keller der USC-Sporthalle 3 auf dem Campusgelände wuselig. Neben der Kegelbahn und den Fitnessräumen hat der Fechtnachwuchs sein Domizil. Die Waffen werden aus dem sicheren Verschluss geholt, die weißen Fechtanzüge angezogen, die Maske aufgesetzt. Dann geht es los im „Spiegelsaal“.

Fechten galt lange Zeit als elitärer Sport. Beim Kauf der Ausrüstung – Fechtanzug, Maske, Schuhe – kommt man schnell auf über 1000 Euro. In der DDR gab es zunächst ein Waffenverbot, das auch fürs Fechten galt. „Erst 1951 wurde das gelockert, wurde in Magdeburg bei der SG Dynamo die erste Fechtsektion gegründet”, erklärt Richter, Geschäftsführer des Fechterbundes Sachsen-Anhalt und Trainer beim USC Magdeburg.

Beim USC sammelten sich Anfang der 1990er Jahren die Fechter aus Magdeburg und der Umgebung neu. Das Leistungszentrum im Bundesland ist allerdings in Halle/Saale. Beim USC konzentriert man sich auf den Nachwuchs. Dazu kommen einige durchaus erfolgreiche Seniorensportler, wie die 44-jährige Karen Dömeland.

„Beharrlichkeit und der Umgang mit Sieg und Niederlage zeichnen einen Fechter aus”, sagt Richter. Der unterweist die Jüngsten im Florettfechten, die Älteren greifen dann zum Degen, während der Säbel im Osten kaum gebräuchlich ist.

Die Abteilung Fechten des USC hat aktuell 50 Mitglieder, muss auch aus Kapazitätsgründen mit einer Warteliste für Kinder arbeiten. Nach einer zentralen Aufnahmeprüfung beginnt die intensive Ausbildung. „Diese Prüfung ist wie eine große Arbeitsschutzbelehrung. Immerhin arbeiten wir mit Waffen

Andreas Kusian ist gegenwärtig einer der erfolgreichsten jungen Fechter des USC. Wie einige andere kam der jetzt 14-Jährige über die AG der internationalen Ecole-Schule Pierre Trudeau in Barleben zum Fechten. Vater Holger Kusian drängte seinen Filius zu diesem Sport, obwohl er selbst nie aktiv war.

 

„Ich hatte zwar als Jugendlicher Interesse, bin als Barleber aber nie zum Training nach Magdeburg gekommen. Dann fand meine Mutter auf dem Dachboden zwei alte Degen. Einen klemmte ich in meinem Zimmer in die Herdplatte, mit dem anderen bin ich dann drauflos. Das fand ich toll, mehr wurde aber nie draus”, denkt Kusian senior an die durch die damaligen Mantel-und- Degen-Filme inspirierten Anfänge. Filius Andreas ist inzwischen durchaus erfolgreich unterwegs, ist aktueller deutscher Vizemeister der B-Jugend.

„Andreas hat Köpfchen und weiß, was er will. Die Eltern unterstützen ihn. Wir schicken ihn auch zum Training ins Landesleistungszentrum nach Halle“, sagt Trainer Richter, der stolz darauf verweist, dass der USC inzwischen Landesleistungsstützpunkt im Fechten ist.

Am vergangenen Wochenende gab es für Andreas Kusian eine besondere Bewährungsprobe. Beim internationalen Händel-Cup des European Cadet Circuit im Herrenflorett der Altersklasse U 17 stand der 14-Jährige gemeinsam mit seinen Mannschaftskameraden Friedrich Schmidt und Richard Schmidt in Halle (Saale) erstmals auf der internationalen Fechterbühne.

Bei diesem EM-Qualifikationsturnier mit Fechtern aus 24 Nationen, darunter die 64 besten deutschen Florettfechter, waren die drei USC-Starter natürlich nur Außenseiter. Die 14- und 15-jährigen Magdeburger sind reine Freizeitsportler, die – im Gegensatz zu den Leistungsspitzen der europäischen Fecht-Elite nur drei Stunden pro Woche trainieren.

 

Das USC-Trio focht gut und gab sich redlich Mühe, um mit den Gegnern aus Italien, Großbritannien, Polen, Österreich, Schweden, Spanien, Dänemark, Frankreich und Kroatien mitzuhalten. Doch nur Richard Schmidt überstand die Vorrunde und schied erst im folgenden Direktausscheid aus.

 

Mit Arwen Borowiak vom FC Tauberbischofsheim gewann ein deutscher Florettfechter den Händel-Cup, der seine Laufbahn einst in Sachsen begann.

Sportliches Aushängeschild der Abteilung Fechten des USC ist aber Karen Dömeland. Die kam einst durch ihre fünf Jahre ältere Schwester Kerstin zur SG Dynamo. Die jetzt 44-jährige Karen Dömeland wechselte in der 8. Klasse an die Sportschule in Berlin.

Nach der Wende hängte sie den Sport für viele Jahre an den Nagel, ließ sich 2011 zur Rückkehr auf die Planche überreden und ist jetzt im Seniorenbereich sehr erfolgreich. 2017 holte sie den deutschen Meistertitel im Degen-Einzel.

„Ich war Leistungssportlerin, hatte eigentlich damit abgeschlossen”, erzählt Karen Dömeland, deren Mann Frank im Förderverein der Ecole-Schule mitwirkt, und deren drei Kinder die Schule in Barleben besuchen. Familie Dömeland sorgte auch dafür, dass der Fechtvirus auf die Schule überschwappte: „Wir veranstalteten einen Schnupperkurs, brachten zehn Floretts, Handschuhe und Masken mit und hatten am Anfang 20 interessierte Kinder, von denen zwölf am Ende dabeiblieben. Zwei Wochen später standen die in strahlend weißen Fechtanzügen vor uns.“ Von denen sind jetzt noch drei aktiv – einer davon ist Andreas Kusian.

 

„Fechten ist ein traditioneller Sport. Natürlich wurde er mit der Zeit athletischer und dynamischer. Vieles ist aber Kopfsache, Psychologie”, sagt Dömeland, die viele ihrer jetzigen Gegnerinnen noch aus früheren Gefechten kennt. Fechten ist zwar ein Kampfsport und der einzige mit der Waffe in der Hand, aber ausgesprochen fair.

Karen Dömeland wurde vor Jahren bei einem Wettkampf in Merseburg von einer abgebrochenen Klinge am Bein verletzt, blieb ansonsten ohne ernsthafte Treffer. Mit ihrer Schwester Karin und der in Hannover studierenden Anika Fricke bildet sie das aktuelle Damenteam des USC.

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