Fußball Um mehr als Punkte

Ein brisantes Magdeburger Derby war jahrelang das Duell Motor Mitte gegen Motor Südost, später MSV 90 gegen FSV 1895.

Von Roland Schulz 08.06.2020, 06:00

Magdeburg l Nachdem zunächst die BSG Motor Mitte Anfang der 50er Jahre in Magdeburgs Fußball klar die Nummer eins war, ehe die Kicker 1957 zum SC Aufbau delegiert wurden, stritten sich viele Vereine um den Platz nach den Vorzeige-Kickern.

Waren es zunächst die BSG Turbine und BSG Aufbau Börde, die sich darum stritten, war von 1961/62 bis 1964/65 der Rang klar an die BSG Turbine vergeben.

Später, ab Anfang der 80er Jahre, stritten sich mit der BSG Motor Mitte und der BSG Motor Südost zwei leistungs- und auch finanzstarke Betriebssportgemeinschaften um den Platz hinter dem nun 1. FC Magdeburg heißenden Club. „Dabei ging es immer um mehr als die zwei, später drei Punkte“, fasste einmal das für beide Vereine aktive Magdeburger Fußball-Urgestein Werner Gravert treffend zusammen.

Ab der Spielzeit 1982/83 bis zur Saison 2000/01 standen sich die beiden Kontrahenten in 17 gemeinsamen Spielserien in der Bezirksliga Magdeburg, der dritthöchsten DDR-Spielklasse, und nach der Wiedervereinigung in der heute Verbandsliga heißenden höchsten Spielklasse Sachsen-Anhalts bzw. danach in der Landesliga Nord gegenüber.

Dabei hatte letztlich mal der eine, mal der andere die Nase vorn. Bis nach der Saison 2000/01 die Schere zwischen beiden Vereinen auseinanderdriftete. Heute dümpeln beide in der Stadtoberliga herum. MSO als Fermersleber SV, Motor Mitte als MSV 90 Preussen in einer Spielgemeinschaft mit dem FC Zukunft.

„Das waren immer heiße Duelle“, erinnert sich Peter Göcke, in den achtziger Jahren und später Trainer der Südoster Kicker. Besonders in Erinnerung sind ihm natürlich die Spiele ab Mitte bis Ende der achtziger Jahre geblieben, als seine Mannschaft zweimal Dritter der Bezirksliga Magdeburgs wurde. „Damals hatten wir nach dem Aufstieg 1982/83 eine durchgängig sehr gut besetzte Mannschaft“, erinnert er sich. Besonders hat es ihm auch seine Südoster „Mittelfeld-Achse mit Frank Reinhardt, Michael Klaeger und Waleri Mitrofanow“ angetan, die Ende der 80er Jahre in der Magdeburger Bezirksliga „ihresgleichen gesucht hat“.

Aber auch beim Kontrahenten von der Salzmannstraße standen zu diesem Zeitpunkt begnadete Kicker, wie z. B. Sven Dobberahn, Olaf Stock, Andreas Wollnow oder Bernd Vatterodt auf dem Platz.

Besondere Unterstützung erhielten beide BSG durch ihre Trägerbetriebe Sket bei Motor Mitte und SKL beim Motor Südost. Allerdings gab es auch das Kuriosum, dass beide Vereine Vorsitzende aus den Reihen des großen Sket hatten.

Bei Motor Südost war das z. B. Kurt Wruck, kaufmännischer Direktor beim Sket. „Gerade vor einem Derby war die Anspannung bei Kurt immer enorm. Lief das Derby erfolgreich, konnte man ja am Montag bei der Direktorenkonferenz mit breiter Brust auftreten. Lief es schlecht, war der Tag schon vorher gelaufen.“

Göcke kann sich dabei vor allem an ein Derby bei Motor Mitte erinnern. „In diesem Spiel musste ich unsere beiden etatmäßigen Torhüter Markus Henkel und Uwe Klaeger ersetzen. Unser Ersatzmann war völlig konfus, schenkte sich drei der insgesamt vier Gegentore selber rein. Wruck stand am Spielfeld-rand, sah das Drama und kommentierte es mit eigenen sarkastischen Worten. Am Montag durfte ich dann zum Rapport. Allerdings hat er meine Erklärungen für diese Klatsche akzeptiert und ich durfte Trainer bleiben.“

Auch der bekannte Magdeburger Fußballreferee Rolf Briedenhahn kann sich an dieses Derby sehr gut erinnern. „Ich habe am 2. September 1983 auf der Schmirgelscheibe, dem Hartplatz in Fermersleben, beim Spiel Motor Südost gegen Motor Mitte mein erstes Bezirksliga-Spiel gepfiffen.“

Die Begegnung endete damals vor 400 Zuschauern torlos 0:0 unentschieden. „Die Südoster bestimmten die Szenerie, konnten ihre zahlreichen Chancen aber nicht nutzen“, so Briedenhahn zurückblickend. Zudem wuchs bei den Gästen, bei denen u. a. auch ein gewisser Wolfgang „Paule“ Seguin mitwirkte, der später auch als Co-Trainer in Fermersleben aktive Heinz John mit zahlreichen Glanzparaden über sich hinaus. So hielt er u. a. in der 17. Minute einen von Lutz Wohlfahrt getretenen Foulelfmeter. Glück hatte der Gastgeber dann kurz vor Ultimo, als Ralf Lehmann nur die Querlatte des MSO-Tores traf.

Auch der heutige Co-Trainer des Verbandsligisten SV Fortuna, Dirk Nitschke, erinnert sich gern an diese Duelle. Nitschke, der auf eine jahrelange Vita bei Motor Mitte und dem MSV 90 verweisen kann, meint: „Auf diese beiden Spiele hat man immer eine halbe Saison hingefiebert. Viele Spieler kannten sich auch privat. Doch in den direkten Duellen ging es immer heiß her. Egal, wo sich welche Mannschaft in der Tabelle befand. Diese Duelle waren immer heiß, oft auch über die Schmerzgrenze hinaus.“