HandballJenny überall

Jenny Friese hat den Erfolg einer Landesmeisterschaft schon erlebt. Deshalb gönnt sie dieses Ereignis auch ihrem TuS 1860 Magdeburg.

Von Daniel Hübner 07.04.2020, 06:00

Magdeburg l Jenny Friese hat da eine ziemlich genaue Vorstellung von der Saisonabschlussfeier. Darin treffen sich dann alle Handballerinnen vom TuS 1860 Magdeburg, alle Fans und die Fußballer des Vereins vor der heimischen Halle, lassen eine Flasche „Berliner Luft“ kreisen, heizen den Grill an.

Irgendwo in der Ecke steht das Kassettenabspielgerät, das vom Musikminister der Mannschaft bedient wird. Und irgendwann, zu sehr später Stunde, beginnt womöglich noch die Karaokeparty.

Sollte also irgendwann an einem lauen Frühlingsabend ein Ensemble aus lauter Sopran- und Alt-Stimmen wie jene von Jenny Friese ein „We are the champions“ von Queen in den Himmel über Magdeburg schmettern, muss sich niemand in der näheren Umgebung der Sporthalle an der Nachtweide wundern: Die Damen von TuS 1860 sind dann Landesmeister und potenzieller Aufsteiger in die Mitteldeutsche Oberliga.

Wobei es bei Letzterem einen Friese-Haken gibt: „Wenn es nach mir geht, möchte ich nicht mehr in der Mitteldeutschen Oberliga spielen, die Sachsen-Anhalt-Liga reicht mir. Ich habe eine Familie und eine große Verantwortung in meinem Beruf, beides füllt mich aus. Und das Niveau hat in der Sachsen-Anhalt-Liga in den vergangenen Jahren immer mehr zugenommen“, sagt Friese, verheiratet mit Maik, zwei gemeinsame Söhne.

Das bessere Niveau resultiert natürlich auch aus dem Spiel einer Jenny Friese, die früher einmal Arens hieß, die über TuS zum ehemaligen HSC 2000 kam, dann als 18-Jährige zum HSV Haldensleben geholt und sogleich Landesmeister wurde, seither die Rückennummer 18 nicht mehr abgibt. Sie stieg zudem in die Regionalliga und in die 3. Bundesliga auf. Aus dieser Zeit hat sie jede Menge Erfahrung mitgenommen, jede Menge Qualität, die sich natürlich auch bei den Gegnern rumgesprochen hat. „Wir wetten immer vor dem Spiel, ob eine Manndeckung gegen mich gestellt wird“, berichtet sie.

Das kann man der Konkurrenz wirklich nicht verdenken. Jenny Friese, 32 Jahre jung, hat in der vergangenen Saison 168 Treffer erzielt und war damit beste Schützin der Sachsen-Anhalt-Liga. Sie hat zugleich den Wunsch ihres Mannes erfüllt, der auch in dieser Saison ihr gerne das Versprechen abgerungen hätte, letztlich wieder an der Spitze zu stehen. Aber darauf hat sie sich diesmal nicht eingelassen.

Und das war ganz gut so. Denn nach aktuellem Stand ist Friese Zweite in der Liste mit 117 Treffern hinter Anja Muth vom Post SV (119). Und das könnte so bleiben, wenn der Handballverband nach dem 19. April die Saison als vorzeitig beendet erklärt.

„Ohne die Mannschaft würde ich nicht so viele Tore werfen.“

Was ihren persönlichen Kampf um den neuerlichen Status als beste Torschützin betrifft, würde sich Friese ja nicht grämen. Aber wenn diese Entscheidung in eine Saison ohne Wertung mündet, „dann wäre es für die Mannschaft sehr ärgerlich“, sagt sie. Die Mannschaft steht nämlich an der Tabellenspitze, „und einige Mädchen von uns sind noch nie Landesmeister geworden“.

Um die Mannschaft geht es Friese immer. „Ohne sie und die Zuspiele würde ich auch nicht so viele Tore werfen“, betont Friese, die in diesen Tagen, da sie vom Coronavirus zum Homeoffice und zur Trainingspause gezwungen wird, „meine Mädels schon sehr vermisse“. Und das Spiel an sich. Und die Gespräche darüber nach der Schlusssirene, die manchmal so lange dauern, dass Maik erst die Kinder ins Bett und dann sich selbst auf die Couch gebracht hat, bevor die Dame des Hauses über die Schwelle der Wohnungstür getreten ist. Und natürlich fehlen ihr die Diskussionen – wie mit Trainer Wolfgang Matzat.

Wenn sie nämlich über eine ihrer Schwächen reden muss, dann führt sie allein ihren Diskussionsbedarf an. „Ich war schon immer so, musste wissen, warum, weshalb und wieso wir so oder so spielen“, berichtet sie lachend. Und warum, weshalb und wieso Schiedsrichter so oder so entschieden haben, wenn sie mit ihrer Stärke – dem direkten Zweikampf – mal gescheitert ist. Ansonsten aber ist Matzat wirklich froh, eine Jenny Friese zu haben. Wo er sie einsetzt? „Im Rückraum, überall. Und auf Außen“, berichtet sie.

So hat also auch der Coach eine ganz genaue Vorstellung davon, wie und wo sein Dreh- und Angelpunkt im Spiel dem Team zum Erfolg verhelfen kann. Und der wäre nach dem Pokalsieg 2019 die Landesmeisterschaft, ob die Saison nun mit oder ohne Wertung abgebrochen oder doch noch zu Ende gespielt wird. Die Abschlussparty wird in jedem aller Fälle kommen. Das ist sicher. Mit Musikminister. Und mit Gesang: „We are the champions.“