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Handball Wefensleber-Talente leben den SCM-Traum

Zwei deutsche Meister sind in Wefensleben zuhause. Paul Hoffmann und Tom Diestelberg lernten das Handball-ABC beim TSV.

Von Florian Bortfeldt 01.09.2018, 01:01

Wefensleben l Im Frühsommer 2018 feierten beide mit der B-Jugend des SC Magdeburg den lang ersehnten Titel. Die beiden 17-Jährigen entstammen jeweils Handball verrückten Familien – natürlich im positiven Sinne. Torwart Tom Diestelberg ist der Jüngste von drei Brüdern, die alle in der altehrwürdigen Wefensleber Halle zum Handball fanden. Papa Matthias gehörte jahrelang zum Männerteam. „Da war es nur logisch, dass auch er sich dafür entscheidet“, blickt Mutti Kathrin zurück. Schon frühzeitig, im Kindergartenalter, jagte er gemeinsam mit Kumpel Paul dem kleinen runden Leder hinterher.

Auch Paul Hoffmann entstammt einer Handball begeisterten Familie, der Weg war klar. Sowohl Vater Dennis als auch Opa Enrico prägten über Jahre den Männerhandball im Ort, auch die Tante gehörte zum Sportverein. Allerdings ist Paul Einzelkind, hier konnten die Eltern den Fokus entsprechend „einfach“ kanalisieren.

Die Initiative zum Wechsel in Richtung traditionsreicher SC Magdeburg ging 2009 von den Hoffmanns aus. „Ein Freund fragte mich, ob wir Paul nicht mal zum Probetraining schicken wollen“, blickt Dennis Hoffmann zurück, „das haben wir recht schnell realisiert und dann ging es sehr fix. Direkt nach dem ersten Training kam der Trainer zu uns, wollte dass Paul ab sofort zum Team gehört“. Allerdings fehlte noch der „Daumen hoch“ vom Hauptprotagonisten. „Nö, ich will da nicht spielen“, stimmte der zunächst dagegen. Die Sporthalle war ihm zu groß, der Respekt zu gewaltig. Die Handballkarriere stand in diesem Moment auf des Messer Schneide. Pauls Eltern konnten ihn aber umstimmen, leisteten Überzeugungsarbeit und gingen auch auf dessen Ängste ein. „Ich hätte ja auch jederzeit wieder zurück gekonnt“, schaut er heute zurück. Damals war er immerhin Grundschüler, gerade mal sieben, acht Jahre.

Ein Jahr später folgte Tom. Hier war es dann Paul, der seinen Kumpel mitzog – in Magdeburg wurde noch ein Keeper gesucht – und vom SCM überzeugte. Natürlich musste auch hier ein Probetrainig her, aber ganz ähnlich wie beim Wefensleber Freund, reichte dem Trainer eine Einheit, um zu wissen: „Den möchte ich in unserem Team!“ Nicht nur der Coach freute sich, auch Kumpel Paul: „Toms Wechsel hierher tat auch mir richtig gut.“

Von nun an mussten die beiden, obwohl gerade Viertklässler, einige Entbehrungen auf sich nehmen – Selbstständigkeit war gefragt. Bei Tom lief es zunächst „familienfreundlicher“ ab. Er wurde jeweils zum Training gefahren und direkt wieder mit nach Hause genommen, schlief also weiterhin im eigenen Bett – bei Mutti und Papa und bei den zwei älteren Brüdern Alex und Karl. Paul hingegen zog mit Mutti Claudia umgehend in die Landeshauptstadt. „Für uns war es so einfacher“, erklärt der Vater, „wir haben uns eine Wohnung in Magdeburg genommen, in der er mit meiner Frau die Woche über lebte. Da sie dort arbeitet, war das eine echte Alternative“.

Bis zum Wechsel auf das Sportgymnasium mit Internat blieb es für die Diestelbergs eine große Herausforderung. „Wir waren täglich auf der A2 unterwegs“, beschreibt Kathrin Diestelberg, Lehrerin an der Wefensleber Förderschule, „aber wie gesagt, wir waren schon immer eine Sport interessierte Familie, entsprechend wurde das unterstützt“.

Für Paul änderte sich in Magdeburg nicht nur das Trainingspensum, es blieb fortan auch weniger Zeit für Körperpflege. „Ich erinnere mich, dass mir wichtig war, dass meine Haare richtig liegen. Damals in Wefensleben habe ich vor einem Punktspiel viel Zeit im Bad verbracht, war vor den Spielen aufgeregt.“ Wir sprechen hier wohl bemerkt von einem Fünf- bis Sechsjährigen. Für den Irokesenschnitt blieb beim SCM deutlich weniger Aufmerksamkeit, wenngleich die Haare bis heute gut gestylt sein müssen.

Mit dem SCM verinnerlichte der flinke Linksaußen schnell das Sieger-Gen. „Damals spielten wir noch auf Bezirksebene. Fast jedes Spiel endete mit mindestens 50 Treffern für uns. Die kleineren Vereine wollten dich immer irgendwie schlagen, entsprechend war die Stimmung oft aufgeheizt. Als Außen muss man das ausblenden, denn was man da so zu hören bekommt entlang der Zuschauerbänke, ist schon grenzwertig.“

Auch Torwart Tom, der als Jüngster der Familie sowohl beim Fußball als auch beim Handball immer zwischen die Pfosten gestellt wurde und so zu einem „Job“ kam, fand relativ schnell in das neue Umfeld. „Ich wurde freundlich empfangen, das Training war anstrengend aber ich habe es immer gern gemacht.“ Die Entscheidung, weg aus Wefensleben, weg von den Freunden, war auch für ihn nicht ohne. Er sagte sich aber: „Ab jetzt darf ich mit den Besten trainieren. Und im Nachhinein steht fest: Das war alles richtig!“

Mit dem B-Jugend-Team wurden dann auch die Gegner deutlich stärker. Inzwischen spielten die beiden auf mitteldeutscher oder ostdeutscher Ebene, sammelten bereits Pokale, Titel und Urkunden. Die Ergebnisse wurden knapper, alle im Team waren mehr gefordert. Das Team wuchs mit seinen Aufgaben und katapultierte sich im Juni 2018 in das Finale um die Deutsche B-Jugend-Meisterschaft.

Auf dem Weg dorthin hatten die zwei Wefensleber mit ihrer Mannschaft namhafte Gegner wie den TV Großwallstadt, den SC DHfK Leipzig und GWD Minden ausgeschaltet. Einer der großen Meisterschaftsfavoriten, die Füchse Berlin, blieb bereits zuvor auf der Strecke – im Halbfinale gegen die Rhein Neckar Löwen. Im Finale ging es nun für Paul und Tom gegen eben jene Löwen um alles. Auch für die Handballhochburg in Magdeburg ging es um viel: Die großartige Nachwuchsschmiede SCM hatte seit über zehn Jahren keinen Titel mehr an die Elbe geholt. In den 1990er und 2000-er Jahren redete bei der Titelvergabe der A- und B-Junioren so gut wie immer Magdeburg ein Wörtchen mit.

Das Hinspiel in der Hermann-Gieseler-“Hölle“ lief aus Sicht der Gastgeber wie geschnitten Brot. Mit 28:21 legten die Elbestädter einen mehr als guten Grundstein. Tom Diestelberg war einer der Väter des Erfolgs. Er stand 60 Minuten lang zwischen den Pfosten und kostete den Löwen mit seinen Paraden einige Nerven. „Das Spiel lief perfekt“, schaut Linksaußen Paul zurück, „im Rückspiel haben wir dann den Gegner womöglich unterschätzt und uns überschätzt“, schiebt er selbstkritisch hinterher. Zehn Minuten vor Ende lagen die Gäste in der Kronauer Halle vor etwa 500 Zuschauern mit sieben Toren zurück, der Titel war in diesem Augenblick passé, futsch, dahin. Tom: „Da war schon Hektik zu spüren.“

Zum Glück behielten die SCM-Junioren, vorne weg Paul Hoffmann, die Nerven. Mit fünf Treffern im Hinspiel hatte er bereits großen Anteil, in der Höhle der „Löwen“ traf er nun sieben Mal. Bemerkenswert dabei: Der Strafwurfschütze vom Dienst verwandelte alle sechs Siebenmeter – Mr. 100 Prozent sozusagen. „Da war ich in einer komplett anderen Welt. Ich hatte schon Schiss. Ich dachte mehrfach: ‚Wenn du den nicht triffst, dann wird es richtig brenzlig‘. Zum Glück ist alles gut gegangen, darauf bin ich auch stolz.“ Am Ende feierte der SCM trotz der 26:29-Niederlage die Meisterschaft, auch, weil zwei Wefensleber einen enormen Teil dazu beisteuerten. Die Freude über den Titel war grenzenlos. „Das freut uns, dass wir die Schale endlich wieder nach Magdeburg geholt haben.“

Dass die Erfolgsleiter als 17-Jähriger noch lange nicht bis ganz nach oben bestiegen ist, leuchtet ein. Der Weg der beiden talentierten Handballer könnte also weiter gehen. Der nächste Schritt ist getan. Die Vorbereitung auf die neue Saison haben sie bei den Youngsters absolviert, die spielen in der 3. Liga. Darüber hinaus besteht der Kontakt zu den sportlichen Verantwortlichen des Bundesligisten. Torwarttrainer Tomas Svensson und das Gespann Yves Grafenhorst und Bennet Wiegert führen regelmäßig Gespräche mit den beiden. Die große Handballkarriere ist möglich, die zwei Wefensleber wissen dies aber trotz ihres jungen Alters einzuordnen. „Grundsätzlich gilt es verletzungsfrei zu bleiben. Und das große Ganze hat viel mit Glück zu tun. Man muss im richtigen Moment auf den richtigen Trainer treffen“, so Paul. „Manchmal kann man noch so gute Leistungen bringen, wenn es nicht zum Stil oder ins Schema des Trainers passt, ist das egal.“

Auch von den Versuchungen in ihrem jugendlichen Alter wissen sie, das können sie abschätzen. Tom: „Unser Leben richtet sich nach dem Sport.“ Paul ergänzt: „Man muss verzichten können. Das wussten wir vorher. Wir haben uns für diesen Weg entschieden. Ich habe damit kein Problem.“ Und doch gibt es auch bei diesen zwei Leistungssportlern Momente, in den sie lieber frei hätten oder bei Freunden wären.

Grundsätzlich liegt der Fokus aber voll auf der Handballkarriere. Auf ihrem bisherigen Weg haben sie schon einige Trainer begleitet. Der erste beim SCM war Gerd Most. Ihm überließen sie das Meistertrikot direkt nach Abpfiff in Kronau. Paul: „Erwähnen möchte ich Jeanette Kopmann, die mich zum Training beim TSV einlud. Jens Parduhn hat mir in der C-Jugend viel beigebracht, auch menschlich.“ Tom nennt seinen D-Jugend-Trainer Wolfram Brose. Dessen Motto hat er verinnerlicht: „Egal wie anstrengend etwas ist, du musst immer alles geben. Sonst schaffst du Dein Ziel nicht.“

Das erste Punktspiel der SCM A-Jugend: 8. September um 14.20 Uhr beim THW Kiel.