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Basketball Als sich der VfL Kalbe zum Meister krönte

Trauer, Tragik und Triumphe. Der Altmarkkreis Salzwedel bot in der Vergangenheit spektakuläre Spiele.

Von Jonas Krüger 15.05.2020, 03:00

Kalbe/Milde l Ob knallharte Derbys, Abstiegskämpfe oder Aufstiegsendspiele – sie alle gingen in die Geschichte ein. Die Volksstimme erinnert zurück an sagenumwobene Schlachten. In unserer Serie „Sternstunden der Altmark West“ sprachen wir mit Vereinslegenden, Funktionären, Spielern und Zeitzeugen der Altmark-Klubs.

In Teil 5 hat es ein Basketballverein in die Serie geschafft. Dem VfL Kalbe/Milde gelang es in Hin- und Rückspiel der Meisterschafts-Playoffs 2013/2014 gegen den USC Magdeburg, sich zum Landesmeister Sachsen-Anhalt zu küren.

Die Siege gegen die Landeshauptstädter im Basketball, zeigen nicht nur die Vielfältigkeit sportlicher Erfolgsgeschichten in der Altmark, sondern die enorme Bedeutung der Basketballabteilung des VfL Kalbe für die Altmark.

Der Erfolg gegen Magdeburg verdeutlichte, wie ein kleiner Provinzklub aus geringen Mitteln, immense sportliche Entwicklungsschritte vollziehen kann. Der VfL war beispielgebend für eine ganze Region im suburbanen Raum. Bewundernswert war vor allem die Zielstrebigkeit der Kängurus, deren Weg mit dem Titelgewinn zum großen Wurf führte.

In der Oberliga-Saison 2013/2014 erreichte der VfL erst die Meister-Playoffs und kämpfte sich dort bis in das alles entscheidende Finale vor. Das Hinspiel konnte der VfL in Magdeburg bereits für sich entscheiden. Mit einem 85:70-Sieg vor heimischer Kulisse, konnte der VfL alles klar machen.

Die Volksstimme sprach mit dem damaligen und noch gegenwärtigen Spielertrainer Harald Lotsch über die Siege gegen Magdeburg. Den einstigen Titelgewinn von vor knapp sechs Jahren und die Erlebnisse rund um die wichtigen Duelle gegen Magdeburg, erläutert die Basketball-Legende im Interview.

Volksstimme: Harald, Sie waren mit damals 35 Jahren, eine der tragenden Säulen des Landesmeistertitels 2014. In Hin- und Rückspiel hat sich der VfL gegen den USC Magdeburg durchgesetzt. Wie haben Sie das Hinspiel um die Landesmeisterschaft erlebt?

Harald Lotsch: Wir hatten in Magdeburg ein paar Fans dabei. Insgesamt war in der Halle ordentlich was los. Als Liga-Dritter hatten wir uns für die Meister-Playoffs qualifiziert und mussten zuvor den Magdeburger SV Börde im Halbfinale ausschalten. Wir taten uns schwer, schafften es aber trotz personeller Probleme, uns für die Finalspiele zu qualifizieren. Wir hatten das Hinspiel im Finale dominiert. Wir reisten mit nahezu voller Kapelle an. Das war auch nicht immer so. Beim Stand von 22:17 war es noch kribbelig und knapp. Aber so richtig kam Magdeburg nicht ran. In der Liga standen sie noch haushoch vorn an der Spitze. Sie hatten auch alle Mann an Bord. Dennoch haben wir das Hinspiel auswärts verdient gewonnen.

Und dann kam das alles entscheidende Final-Rückspiel in Kalbe. Wie habt ihr euch darauf vorbereitet und wie fühlte sich die Trainingswoche vor dem Spiel an?

Wir waren zu dem Zeitpunkt voll besetzt und total fokussiert auf das Rückspiel. Marcel Manthey, der in Berlin studierte, kam extra für dieses Spiel angereist und absolvierte bei uns die Trainingseinheiten. Er ist für seine Schnelligkeit bekannt und war eine große Waffe. Daher war es wichtig, ihn dabei zu haben. Die Euphorie vor diesem Spiel merkte man auch, wenn man durch Kalbe ging. Die Leute auf der Straße fieberten dem Spiel entgegen, wünschten uns viel Glück und munterten uns auf. Den Zusammenhalt und den Zuspruch der Bewohner von Kalbe merkte man schon stark. Das war für alle etwas Besonderes.

Wie hast du am Tag des Rückspiels die Atmosphäre in der mit knapp 200 Zuschauern gefüllten Halle an der Feldstraße wahrgenommen?

Das war herausragend. Schon vor Spielbeginn waren zahlreiche Fans mit schwenkenden Fahnen, Gesang und mit Trommeln in der Halle versammelt. Man merkte schon, dass das kein normaler Tag, wie jeder andere ist. Als wir die Erwärmung dann aufnahmen, befanden wir uns aber im Tunnel. Jeder Spieler war bis in die Haarspitzen motiviert.

Dennoch konnten nicht alle Spieler von Beginn an spielen, geschweige denn auflaufen. Wie schwer fällt es einem als Verantwortlicher für das Sportliche, den Ersatzspielern und Reservisten beizubringen, am Tag des Rückspiels nicht viel Einsatzzeit zu erhalten oder gar nicht zu spielen?

Das war schon hart, das muss ich zugeben. Gerade Martin Czubkowski fällt mir ein. Der hat sich im Training zerrissen, hat sich hochgearbeitet. Erst über die Jugend, dann über die zweite Mannschaft. Er war tadellos, war diszipliniert, war körperlich gut drauf, hat sich nichts zu Schulden kommen lassen und sich immer angeboten. Einen solchen Team-Player im Spiel draußen zu lassen, fällt natürlich schwer. Da muss man schon schlucken. Wir spielten allerdings auf einem Niveau, das Martin mit Anfang 20 noch nicht hatte. Er war gerade erst frisch und ein Newcomer in der Oberliga. Da fehlte noch die Erfahrung. Zudem waren seine Leistungen noch nicht konstant genug. Ein Fehler in solch einem Finale, kann schon das Aus im Titelkampf bedeuten. Er hat die Situation aber gut angenommen. Heute ist er Stammspieler und ein felsenfester Bestandteil der ersten Mannschaft.

Als das Spiel seinen Lauf nahm, führten die Magdeburger bereits früh mit 5:0, führte im späteren Verlauf phasenweise mit acht Punkten Differenz. Hattest du zu diesem Zeitpunkt erste Zweifel daran, den Titel zu gewinnen?

Nein, wir sind ruhig geblieben und wussten, was wir können. In Magdeburg hatten wir gesehen, dass wir nur ein Viertel überragend gespielt hatten. Aber das reichte uns aus. Wir mussten nicht von Anfang bis Ende überragend spielen. Im zweiten Viertel hatten wir fünf Dreier von fünf unterschiedlichen Spielern erzielt. Das zeigt, wie gut wir qualitativ aufgestellt waren. Spätestens nach der Halbzeit beim Stand von 43:40, hatten wir den Magdeburgern richtig Probleme bereitet.

Hattest du vor dem Spiel das Gefühl, dass ihr noch einmal einen solchen Galaauftritt wie in Magdeburg hinlegen würdet?

Ich hatte vor dem Spiel schon ein ziemlich gutes Gefühl. Die Magdeburger hatten zwar mit Vladimir Ivanov einen absoluten Ausnahmespieler in seinen Reihen, der im Eins-gegen-Eins schwer zu verteidigen war, aber wir hatten mehr Tiefe im Kader. Wir waren insgesamt breiter und besser aufgestellt. Wir haben Ivanov gut aus dem Spiel genommen. Taktisch waren wir gut aufgestellt. So konnten wir Ivanov aus dem Spiel nehmen und selbst für Gefahr beim Gegner sorgen. Wir hatten Marcel Manthey, der die meisten Punkte erzielte. Berck, Günther und Melicke von Außen veranstalteten zusehends Alarm. Wir hatten eine ausgeglichene Spielweise und mindestens vier Leute in der Mannschaft, die einen zweistelligen Punkteschnitt pro Spiel aufwiesen. Das war eine richtig starke Offense. Wir haben es geschafft, das Spiel immer mehr in die Hälfte der Magdeburger zu verlagern. In der Defense hatten wir den Magdeburgern nur wenig Möglichkeiten geboten. Da waren wir richtig gut aufgestellt. Magdeburg wusste im zweiten Viertel nicht wirklich, was da los ist. In den entscheidenden Situationen griff unsere Manndeckung. Am Ende hatten wir sicherlich auch den unbedingten Einsatz und Willen, das Finale für uns zu entscheiden.

Am Ende des Spiels hat es für den Titel gereicht. Wie hast du die Titelübergabe erlebt?

Das war ein wunderbares Gefühl, zumal wir drei Jahre zuvor noch gegen den USC Halle gescheitert waren. Wir haben zwar bereits in der Regionalliga gespielt und dort die Liga halten können, aber sich mit einem Titelgewinn bei der Landesmeisterschaft zu krönen, ist noch einmal etwas anderes. Unsere Mannschaft befand sich am Zenit. Für den ein oder anderen, war es die letzte Chance, diesen Titel zu holen. Die Oberliga war zudem für uns alle eine hohe Belastung, auch wenn wir gut gespielt hatten. Die Leistungsdichte war hoch in der Liga. Umso stolzer waren wir, es endlich geschafft zu haben. Das war ein einmaliges Erlebnis. Den Titel zu stemmen war Freude und Erleichterung zugleich. Für mich und meine Kumpels, mit denen ich schon lang zusammen gespielt hatte, ging ein Traum in Erfüllung.

Hättest du vor der Saison geglaubt, dass ihr die Meisterschaft 2014 nach Kalbe holen würdet?

Nein, nie im Leben. Daran war nicht zu denken. Wir spielten zwar gut, aber andere Mannschaften hatten noch bessere Strukturen. Wir sind nicht als Favorit in die Saison gegangen. Im letzten Drittel der Saison hat man dann gemerkt, dass da etwas gehen könnte. Wir hatten selbst die zwei, bis drei Spiele gewonnen, die für uns richtig schwer liefen. Zudem hatten die Konkurrenten geschwächelt. Ab dem Halbfinale gegen Börde hatten wir uns dann gesagt, dass alles möglich ist.

Wie lief die Meisterschaftsfeier am selben Abend noch ab?

Das zog sich auf jeden Fall in die Länge. Zunächst haben wir sehr lange mit den Fans noch gefeiert, die uns tadellos unterstützt haben. Keiner wollte einfach so nach Hause gehen, sondern mit uns auf den Erfolg anstoßen. Also blieben wir gleich in der Halle, tranken ordentlich und zogen später noch weiter. Am Ende ging es noch mit den Spielern bei mir in der Wohnung weiter. Ich hatte die Getränke schon vorher im Kühlschrank kaltgestellt. Die Feier sollte aber noch aus einem ganz anderen Grund für mich unvergesslich werden. An jenem Abend habe ich meine Lebenspartnerin kennen gelernt. Sie kam aus Gardelegen angereist und schaute beim Spiel zu. Wir unterhielten uns nach dem Spiel sehr lang und verstanden uns blendend. Heute haben wir zwei Kinder und bewohnen als Familie unser eigenes Haus.

Das klingt nach einer Bilderbuchgeschichte. Warum ging das wunderbare Märchen nicht auch für den VfL Kalbe so weiter und endete mit dem Abstieg aus der Oberliga?

Sportlich hätten wir sicherlich nicht absteigen müssen. Allerdings machte es für uns Sinn, sich dann irgendwann zurückzuziehen. In Kalbe legten wir den Fokus immer auf Werte wie Kameradschaft. Es gab keine externen Spieler, die bei uns bezahlt wurden. Geld hat in Kalbe nie eine Rolle gespielt. Niemand hat ein Spielergehalt bezogen oder Prämien erhalten. Auf Dauer konnten wir damit also finanziell nicht mithalten. Wir hatten aber auch nicht die Ansprüche, um Jahr für Jahr gegen die Besten ganz vorne mitzuspielen. Zudem überschritten nach dem Titelgewinn viele Spieler ihren Zenit.

Wir hatten zwar immer Harmonie in der Mannschaft, aber wir wurden genügsam. Das merkte man dann auch. Wir sind zu den Auswärtsspielen auch nicht immer mit der vollen Kapelle angereist. Beruflich war es für den ein oder anderen schwer, jedes Wochenende dabei zu sein. Der ein oder andere wollte mehr Zeit in die Familie investieren. In Kalbe legten wir den Fokus immer auf Werte wie Kameradschaft. Niemand hat ein Spielergehalt bezogen oder Prämien erhalten. Und unser Nachwuchs war noch nicht so weit, um höherklassig zu spielen. Da wären wir körperlich untergegangen. Der Neuanfang in der Bezirksliga war genau die richtige Option für uns damals.

Glaubst du, dass sich der Erfolg jemals wiederholen lässt oder ihr zumindest mit dem VfL Kalbe wieder in der Oberliga spielen könnt?

Man soll ja niemals nie sagen, aber da muss wirklich viel zusammen passen. Aktuell sehe ich diese Situation noch nicht auf den VfL Kalbe zukommen. Der Titel wird meiner Meinung nach einmalig bleiben. Was die Oberliga angeht, ist es derzeit nicht absehbar, aber nicht ausgeschlossen. Stendal reißt aktuell in der Oberliga auch nicht gerade einen Blumentopf aus. Dennoch wäre es für den Verein bis dahin noch ein anstrengender Weg.

Wir bedanken uns recht herzlich für das ausführliche Interview und wünschen alles Gute für die sportliche Zukunft.

VfL Kalbe: Lotsch 15 Punkte, Lange 6, Mehlicke 14, Günther 14, Drüsedau 3, Manthey 18, Czubkowski, Gericke 1, Lohse, Schröder, Berck 14.