1. Startseite
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Lokalsport Magdeburg
  6. >
  7. Ehemaliger „Lautsprecher“ in Lernphase

Fußball Ehemaliger „Lautsprecher“ in Lernphase

Daran muss man sich erst gewöhnen: Michael Piotrowski steht nicht mehr im Tor des SV Liesten 22, sondern als Trainer an der Seitenlinie.

Von Florian Schulz 17.12.2016, 04:00

Liesten l Seine Bilanz aus den ersten fünf Partien in der Fußball-Landesklasse I kann sich mit zwei Siegen, zwei Remis und nur einer Niederlage durchaus sehen lassen.

Gegentore konnte Michael Piotrowski schon als Schlussmann nur ungern hinnehmen. Das gilt aber auch als Trainer, denn der 34-Jährige legt viel Wert auf eine sichere Defensive. Immerhin: In den ersten fünf Begegnungen unter seiner Regie spielten die Liestener, zuvor defensiv noch auf recht wackligen Beinen, bereits zweimal zu Null. Der Pretzierer hat im Waldstadion aber auch in Zukunft noch viel vor.

„Ich hatte einfach Lust darauf“

Sein Interesse an der Volkssportart Nummer eins entdeckte Michael Piotrowski äußerst früh. Doch erst als Fünfjähriger stieg „Pio“ auch aktiv im Verein, genauer gesagt bei Motor Salzwedel unter der Regie von Klaus Hilgenfeld, ein. „Ich wollte eigentlich schon früher anfangen, doch da hatten meine Eltern etwas dagegen“, denkt der Westaltmärker, der die Bewegung schon immer geliebt hat, mit einem Schmunzeln zurück. Seine Laufbahn begann Piotrowski zusammen mit einigen Kumpels allerdings als Feldspieler und war auf so ziemlich jeder Position aktiv. Mit der Zeit fand der gebürtige Salzwedeler dann aber seinen Platz im Tor. „Es wollte keiner so wirklich und ich habe mich im Training ab und an mal reingestellt. Ich hatte einfach Lust darauf“, verrät der 34-Jährige. So beorderte ihn Coach Hilgenfeld auch dauerhaft zwischen die Pfosten, wo der Schlussmann auch direkt einschlug. „Mich hat schon immer der mannschaftliche Zusammenhalt fasziniert. Wenn man einmal drin ist, kommt man da auch nicht mehr heraus“, weiß Michael Piotrowski.

Bis zur C-Jugend blieb Piotrowski an der Jeetze, ehe es ihn zusammen mit Christian Schwan zum Altmarkrivalen Lok Stendal zog. Auch dort hütete der Westaltmärker den Kasten und nahm in dieser Zeit viel mit. „Sportlich war dieser Wechsel das absolut Richtige“, denkt der 34-Jährige zurück. In der Verbandsliga lieferte sich „Pio“ mit den Eisenbahnern packende Zweikämpfe mit dem 1. FC Magdeburg um die Landesmeisterschaft. Als Michael Piotrowski in der A-Jugend angekommen war, hatte der Verein aus der Rolandstadt mit finanziellen Problemen zu kämpfen. So waren auch für Piotrowski selbst die Fahrten nach Stendal, wo er zuvor sogar sporadisch mit der ersten Herrenmannschaft trainieren durfte, nicht mehr zu stemmen. Der Torhüter gönnte sich vorübergehend eine kleinere Auszeit, ehe er ein Angebot vom TuS Gorleben aus dem Wendland erhielt. Bei diesem Klub war auch sein Bekannter Norman Trostmann aktiv und damit sicherlich auch ein wesentlicher Faktor, weshalb Piotrowski als 18-Jähriger fortan seine Töppen in Niedersachsen schnürte. Nach nur einem halben Jahr war für den Keeper aber auch schon wieder Schluss, da er mit dem Teamgefüge in Gorleben trotz der souveränen Tabellenführung nicht zufrieden war.

2002 holte Trainer Dietrich Timm Michael Piotrowski zum SV Eintracht Salzwedel in die dortige erste Herrenvertretung in der Landesliga. Direkt im ersten Jahr schaffte „Pio“ mit den Hansestädtern nicht nur den Staffelsieg in selbiger Spielklasse, sondern zugleich auch noch den Aufstieg in die Verbandsliga. „Das war der absolute Höhepunkt meiner Laufbahn. Das war eine richtig geile Truppe mit einem starken Zusammenhalt. Da war man eigentlich nie vor 23 Uhr zu Hause“, erinnert sich Piotrowski zurück. In der höchsten Spielklasse Sachsen-Anhalts stieg die Eintracht in der Saison 2003/2004 nur unglücklich ab. „Dennoch war es eine sehr lehrreiche Spielzeit“, so der 34-Jährige. Der bedauert es, dass die Westaltmark heute doch recht weit davon entfernt ist, einen Verbandsligisten zu stellen. „Das ist sicherlich dem demographischen Wandel geschuldet. Ich traue es dem SV Eintracht Salzwedel und dem SSV 80 Gardelegen mit Blick auf deren starke Nachwuchsarbeit irgendwann zu, zumindest wieder den Sprung in die Landesliga zu schaffen. Für viele andere Vereine in unserer Region wird es hingegen womöglich sehr schwer“, erklärt der ehemalige Schlussmann. Er schließt nicht aus, dass es „in fünf oder sechs Jahren“ im Altmarkkreis Salzwedel auf Kreisebene aufgrund des Wegbrechens mehrerer Mannschaften sogar noch eine Spielklasse weniger gibt.

Auch für die Salzwedeler Eintracht ging es zwei Jahre nach dem Abstieg aus der Verbandsliga noch eine weitere Etage runter. Ab sofort waren die Kreisstädter in der Landesklasse aktiv. Dort wurden die Mannen um Marko Trostmann und Jürgen Brandt allerdings in der Spielzeit 2005/2006 souveräne Staffelsieger und schafften den Sprung zurück in die Landesliga. Dort spielte der SVE über Jahre hinweg immer eine gute Rolle. Das änderte sich in der Saison 2011/2012, als der Verein einen starken personellen Aderlass hinnehmen musste und mit nur sieben Punkten sang- und klanglos abstieg. Allein sechs Akteure wechselten vor dieser Spielserie zum damaligen Kreisligisten SV Liesten 22 – darunter auch Michael Piotrowski. „Es gab in Salzwedel interne Probleme und ich wollte daraufhin eine neue Herausforderung annehmen“, verrät „Pio“ rückblickend. Die Liestener spielten 2011/2012 unter der Leitung von Trainer Lutz Bierstedt eine herausragende Saison und sicherten sich mit 88 von maximal möglichen 90 Punkten die Kreismeisterschaft. Somit ging es für den beschaulichen Dorfverein bereits zum zweiten Mal hoch in die Landesklasse. Dort traf man im Folgejahr unter anderem auch auf die Salzwedeler Eintracht und schaffte auch auf Anhieb den Staffelsieg. Auf den Gang in die Landesliga verzichtete der SVL 22, der 2012 und 2013 auch noch Kreispokalsieger („Das war eine echt geile Zeit“) wurde, allerdings.

„Familie und Beruf gehen einfach vor“

„Nach 2013 war es hier in Liesten allerdings eine sehr aufregende Zeit“, beschreibt Michael Piotrowski. Das galt speziell in personeller Hinsicht. Denn absolute Leistungsträger wie beispielsweise Marian Falkenhagen und Norman Weiß zogen sich aus privaten Gründen immer mehr zurück. „Das ist nun mal so. Familie und Beruf gehen einfach vor“, weiß Piotrowski, der vollstes Verständnis für seine ehemaligen Mannschaftskollegen hat. Doch der Zusammenhalt hat in Liesten trotzdem immer gestimmt. „Ich persönlich habe den Fußball hier aus einem anderen Blickwinkel kennengelernt. Wie viele Leute auf dem Dorf mit anpacken, das ist schon faszinierend. Genau dies zeichnet unseren Verein auch aus“, schwärmt der 34-Jährige von der Arbeit in der beschaulichen Ortschaft nahe Salzwedel. Speziell das Errichten einer überdachten Tribüne zum Landespokalspiel im September des Jahres 2013 gegen den damaligen Regionalligisten 1. FC Magdeburg beeindruckt den gebürtigen Kreisstädter noch immer. Die Partie gegen die Elbestädter ging mit 0:7 verloren, doch Piotrowski war mit der Vorstellung seines Teams sehr zufrieden. „Ein eigenes Tor wäre da eigentlich noch das i-Tüpfelchen gewesen“, denkt der Westaltmärker vor allem an den verschossenen Elfmeter von Matthias Wiese zurück.

In der Spielzeit 2014/2015 legte dann Lutz Bierstedt sein Traineramt beim SVL 22 nieder. Auch Dietrich Timm konnte aus gesundheitlichen Gründen diese Funktion nicht mehr übernehmen. So fragte der Vorstand nach mehreren erfolglosen Gesprächen mit auswärtigen Kandidaten bei zwei Führungsspielern nach: Lucas Bresch und eben Michael Piotrowski. Beide verfügen über reichlich Sachverstand und arbeiteten fortan zusammen als Spielertrainer im Waldstadion. „Die Mannschaft hat toll mitgezogen und es hat wirklich Spaß gemacht“, erinnert sich der 34-Jährige zurück. Speziell die starke Defensive zeichnete die Liestener, die mit der Zeit auf eine Viererkette („Wir wollten mal etwas Neues einbringen“) umstellten, aus. Dank einer bärenstarken Rückrunde fand man sich nach eher durchwachsenem Start noch auf dem vierten Platz in der Gesamtabrechnung ein. Bresch, bereits Inhaber der B-Lizenz, und Piotrowski legten viel Wert auf die Kommunikation mit jedem einzelnen Spieler. So wurden sogar extra Theoriestunden eingeführt. Dies alles brachte auch den gewünschten Erfolg.

„Man hat kaum Fortschritte gesehen“

Zur Saison 2015/2016 verpflichteten die Liestener dann allerdings mit Thomas Schulz aus Lüchow erstmals einen niedersächsischen Trainer. Auch, um Lucas Bresch und Michael Piotrowski zu entlasten und sich einzig und allein auf ihre Spieleraufgaben fokussieren zu lassen. „Thomas war menschlich gesehen ein feiner Typ und hat auch viele neue Ideen mit eingebracht“, verrät Piotrowski. Gerade in personeller Hinsicht gestaltete sich die Spielzeit jedoch äußerst schwierig. Die vielen Ausfälle führten dazu, dass nicht mehr als das graue Mittelmaß herauskam. Ordentlich aufgerüstet, vor allem mit jungen Spielern, wurde daher vor der laufenden Saison. Unter anderem kamen mit Lukasz Polak, Dawid Szczerbik, Pawel Kijewski und Sebastian Kordus auch vier polnische Akteure nach Liesten. Dorthin gelotst wurden sie von Bodo Mönke, der neuerdings zusammen mit Thomas Schulz das Sagen an der Seitenlinie hatte. Doch trotz der durchaus namhaften Verstärkungen lief es beim SVL 22 nicht nach Wunsch. Wieder kam man über das Mittelfeld nicht hinaus und hatte vor allem in der Defensive seine Probleme. „Man hat leider kaum Fortschritte gesehen“, merkt auch „Pio“ an.

Der Vorstand sah die Mannschaft weit entfernt von den eigenen Erwartungen und musste handeln. Das Trainerduo Thomas Schulz/Bodo Mönke musste nach zehn Spieltagen gehen und wurde durch Michael Piotrowski ersetzt. „Ich hatte schon immer ein gutes Verhältnis zu unserem Sektionsleiter Mario Schulz. Er hat mich angesprochen und ich habe zugesagt, weil ich die Mannschaft und den Verein nicht im Stich lassen wollte“, verrät Piotrowski. Der hatte in der laufenden Spielzeit seinen Stammplatz im Tor an den Polen Dawid Szczerbik verloren und wollte somit kürzer treten. „Die Familie stand im Fokus, so dass ich nur noch im absoluten Notfall zur Verfügung gestanden hätte“, so der 34-Jährige. Der hat nun seit Mitte November das Sagen an der Seitenlinie beim SVL 22. „Von draußen ist das Spiel natürlich ganz anders. Man kann nicht mehr selbst einwirken und ist daher angespannter und nervöser“, verrät der Übungsleiter, der sich aber noch in der „Lernphase“ sieht. Anfang des kommenden Jahres, genauer gesagt von Ende Februar bis Anfang April, möchte er im Schnellkurs in Dessau die B-Lizenz erwerben. „Ich hätte mir später so oder so eine Traineraufgabe vorstellen können, aber eigentlich nicht in dieser Eile“, gibt der nun in Pretzier lebende Michael Piotrowski zu. Als Spieler war „Pio“ zumeist der „Lautsprecher“ im Team und dirigierte seine Vorderleute mit klaren Worten. „Auch als Trainer kann ich laut werden, wenn ich sehe, dass nicht das Maximum herausgeholt wird“, gibt der 34-Jährige zu verstehen.

Sein vorrangiges Ziel ist vor allem die schnelle Stabilisierung der Abwehr. „Speziell die jungen Spieler sollen jetzt erst einmal die Raumdeckung verinnerlichen“, erklärt der Pretzierer. Im 19-Mann-Kader sieht Michael Piotrowski viel Qualität. „Menschlich und sportlich passt alles gut zusammen, ebenso wie die Mischung im Team“, so „Pio“. In der Rückrunde möchten die Liestener noch ein paar Plätze gutmachen und den Anschluss zur Spitzengruppe herstellen. Unterstützt wird Piotrowski übrigens von seinem Assistenten und derzeit verletzten Spieler Sven Komnick. Der arbeitet beim Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) und verfügt bereits über die B-Lizenz. „Er verfügt über reichlich Kompetenz. Doch auch Führungsspieler wie Lucas Bresch, Matthias Wiese oder René Mangrapp haben immer mal wieder Ideen, die uns weiterbringen“, deutet der Trainer darauf hin, dass beim SVL 22 im Verbund gearbeitet wird. Er trifft letztendlich aber die Entscheidungen. Der 34-Jährige hofft, dass das Team weiterhin so gut zusammenhält und noch weiter an Qualität gewinnt. Für den Verein wünscht sich Michael Piotrowski nicht nur „ruhigere und konstantere Zeiten“, sondern auch mehr Nachwuchs. Dann kann der SV Liesten 22 vielleicht auch irgendwann sein dauerhaftes Ziel, den Aufstieg in die Landesliga, erreichen.