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Fußball Ein Benefizspiel für Bernd Wede

Wie Sepp Herberger seinen Weltmeisterschützlingen von 1954 um Fritz Walter eintrichterte, sollen elf Freunde auf dem Platz stehen.

Von Jonas Krüger 05.06.2020, 06:00

Kalbe/Milde l Dieses Credo des ersten Weltmeistertrainers des Deutschen Fußballbundes besitzt heute noch seine Gültigkeit.

Vor allem im Falle des VfL Kalbe und Bernd Wede galt dies im Jahr 2007 ganz besonders. Als Bernd Wedel im Spiel der Alten Herren am 22. November 2003 in Saalfeld einen Ball gegen den Kopf bekommt, ist nichts mehr so, wie es für ihn und den VfL Kalbe einmal war.

Nach der Schockdiagnose Blutquetschung im Hirn mit langanhaltenden chronischen Folgeschäden, versuchte sich der heute 57-Jährige zurück zu kämpfen. Diverse Ärztevisitationen und Therapien brachten nicht den durchschlagenden gesundheitlichen Erfolg. Nichts half. Eine Remission der Symptome hat nicht stattgefunden.

Seitdem sitzt Wede im Rollstuhl. Körperlich und geistig gilt Wede als behindert. Dennoch hat der VfL Kalbe seinen Freund niemals aufgegeben und hängen lassen. Um Wede finanziell etwas auf die Beine zu helfen, für ein restliches Dasein in Abhängigkeit von Pflegepersonal und Familienangehörige, sammelte der VfL so viel Geld zusammen, wie es eben nur möglich war.

Ein anderer VfL spielte dabei eine ganz wichtige Rolle im Prozess der finanziellen Intervention. Mit dem Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg gelang es dem VfL Kalbe, einen sehr prominenten Gegner an die Milde zu lotsen.

Am 1. Mai 2007 trat Bundesligist Wolfsburg dann im Rahmen eines Benefizspiels mit der Profimannschaft um Stars wie Ex-Nationalspieler und Teilnehmer des WM-Sommermärchens von 2006 Mike Hanke an. Der 17:3-Sieg der Wölfe wurde dabei zur Nebensache.

Mit Kalbes Vereinslegende Dieter Staschat sprach die Volksstimme-Sportredaktion über das größte und zugleich auch tragischste Spiel der Vereinsgeschichte des VfL Kalbe/Milde.

Volksstimme: Herr Staschat, Sie hatten alles Menschen mögliche getan, um Bernd Wede ein Leben unter würdigen Bedingungen zu ermöglichen und seinen Gesundheitszustand zu verbessern. Wie entstand die Idee mit dem Benefizspiel?

Dieter Staschat: Ursprünglich hatten wir bei Rudi Assauer angefragt (ehemaliger Manager des FC Schalke 04 und SV Werder Bremen, Anmerkung der Redaktion). Er konnte uns aber für ein Benefizspiel nicht zusagen. Er konnte uns aber immerhin 2000 Euro schicken. Aber als wir den Scheck einlösen wollten, gab es Probleme mit der Sparkasse. Die wollten ihn nicht einlösen. Da gab es einen riesigen Wirbel.

Und das Spiel gegen Schalke fand dann auch nicht statt. Stattdessen kam der VfL Wolfsburg nach Kalbe.

Ja wir hatten damals mit Klaus Augenthaler Kontakt (Trainer des VfL Wolfsburg, Weltmeister 1990, Anmerkung der Redaktion). Die Wolfsburger hatten ohne zu zögern sofort zugesagt. Zirca 3000 Zuschauer waren dann auch am 1. Mai 2007 bei diesem Spiel dabei. Die komplette erste Bundesliga-Mannschaft des VfL war dabei. Das war das größte und bestbesuchte Spiel unserer Vereinsgeschichte.

Dennoch konnte das Spiel ihrem Freund keine Gesundheit bringen?

Das nicht. Aber die Einnahmen halfen Bernd und seiner Familie. Er ist ein Leben lang auf die Hilfe anderer angewiesen. Deswegen half jeder Euro, um ihn in einer schweren Lebenslage zu unterstützen.

Der VfL Kalbe reagierte schnell und solidarisch. Hat sehr schnell den Kontakt aufgenommen mit dem VfL Wolfsburg, um das Spiel für den guten Zweck zu ermöglichen. War der VfL Kalbe schon immer so gemeinschaftlich und empathisch?

Marcel Falk und sein Team haben gute Arbeit geleistet und haben schnell gehandelt. Bernd wurde nicht hängen gelassen. Dieser Gemeinschaftssinn war schon zu meinen Spielerzeiten hier so stark ausgeprägt und wurde über Generationen weiter getragen.

Der Gemeinschaftssinn war zu Spielerzeiten schon vorhanden. Können Sie ein Beispiel dafür nennen?

Nun, ich bin schon sehr alt und möchte nicht zu weit nach hinten blicken. Aber wir sind zum Beispiel mit elf Spielern zu einem Fußballturnier gefahren. Allerdings mit dem Fahrrad. Von Kalbe bis nach Bismark reisten wir zum Turnier an. Sportklamotten hatten wir da schon an. Normalerweise ist man von solch einer Fahrt kaputt. Man benötigt schon mit dem Auto 20 Minuten bis nach Bismark. Wir spielten aber danach noch das Turnier und fuhren gemeinschaftlich wieder von Bismark nach Kalbe zurück. Wer aus der heutigen Zeit macht denn so etwas noch? Bei uns haben aber damals alle mitgezogen.

Nachdem der VfL Wolfsburg bei euch war, habt ihr danach wieder gegen Profi-Mannschaften gespielt?

Nein. Das war ein einmaliges Erlebnis und nur als Hilfe für unseren Freund gedacht. Die Unterhaltung der Fans war dabei natürlich nur ein Nebenaspekt. Wenn ich irgendwie könnte, würde ich dieses Spiel gegen die Gesundheit von ihm eintauschen, auch wenn es das größte Spiel unserer Vereinsgeschichte war.

Wie waren die Stars des VfL Wolfsburg aus ihrer Sicht?

Bodenständig und nicht überheblich. Sie haben Autogramme unterschrieben und Fotos gemacht. Marcelinho (ehemaliger Brasilianischer Nationalspieler, Anmerkung der Redaktion) und andere Spieler konnten aber nur portugiesisch sprechen. Für sie musste gedolmetscht werden. Aber sie haben schnell verstanden, worum es geht und was die Kalbenser wollten.

Wie geht es Bernd Wede heute eigentlich?

Er ist nicht mehr der Alte. Er redet kaum. Wir haben mit den Einnahmen auch eine Delphin-Therapie angepeilt. Aber es hat nichts geholfen. Selbst im brasilianischen Amazonas-Gebiet suchte Bernd nach einer Heilung. Es brachte am Ende alles nichts.

Dennoch ist er ein Mitglied des Vereins geblieben?

Er ist natürlich noch ein Teil von uns und schaut in der Halle beim Training der Alten Herren vorbei und bei Heimspielen vorbei. Wir geben niemanden auf. Wer einmal Kalbenser ist, der bleibt auch Kalbenser. Wir lassen ihn nicht hängen. Er bleibt immer ein Teil der großen VfL-Familie.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft Dieter Staschat.