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Fußball „Tilli“ macht sich gern zum Affen

„Tilli“ macht sich gern zum „Affen“ - um es mit den Worten seiner Ehefrau Christel zu sagen.

Von Florian Schulz 19.05.2018, 08:00

Arendsee l Auch mit mittlerweile schon 77 Jahren kann Hans-Willi Johnecke nicht genug vom Fußball bekommen und arbeitet bei den Kreisliga-Herren des SV Arendsee als Assistent von Trainer Klaus Syring. Dadurch hält sich der rüstige Rentner selbst noch ein wenig jung. Hans-Willi Johnecke macht auf den ersten Blick einen ruhigen Eindruck, doch während des Spiels ist er motiviert bis in die Haarspitzen und kann auch mal laut werden.
Das verrät zumindest Klaus Syring. Der Arendseer Chefcoach ist froh, den Rentner als Co-Trainer an seiner Seite zu haben. „Tilli“ hat in über 50 Jahren beim SVA viel erlebt und ist wohl auch bis ans Lebensende gern am und auf dem Sportplatz in der Seestadt gesehen.
Aufgewachsen ist Johnecke im Jugendalter in Kaulitz. Erst 1962 zog es ihn nach Arendsee. Zuvor hatte der Westaltmärker auch mit dem Fußball eher wenig zu tun. Lieber kümmerte er sich um die Pferde in Kaulitz, die er seinerzeit häufig ausritt. „Das war damals nur ein Hobby“, hatte „Tilli“ nie darüber nachgedacht, Reitsport zu betreiben. Nachdem man den heute 77-Jährigen zuvor schon des Öfteren auf dem Bolzplatz antraf, trat er mit 14 Jahren erstmals in einen Verein ein.
Er versuchte sein Glück bei Traktor Mechau unter der Leitung von Trainer Helmut Hartwig. Nachdem er sich anfänglich zwischen den Pfosten wiederfand, wechselte Hans-Willi Johnecke später auf die Position des Linksverteidigers. Nachdem er zwischenzeitlich noch bei Traktor Kläden aktiv war, zog es Johnecke 1968 zu Traktor Arendsee. Dort war er zunächst vorwiegend in der Zweitvertretung aktiv, ehe er im Laufe der Zeit doch in die erste Mannschaft aufstieg. Mit Letztgenannter war er bis hin zur Bezirksklasse aktiv. Schon mit 22 Jahren arbeitete „Tilli“ als Nachwuchstrainer. „Das hat sich so ergeben. Ich war eigentlich immer gern für die Jugendlichen da“, gibt der 77-Jährige zu. Damals coachte er die Arendseer A-Junioren um Manfred Duchrow, Bernd Eggert und Hartmut Schersching.
Der Westaltmärker war schon seit jeher ein Kumpeltyp. „Die Disziplin war mir immer wichtig“, so Hans-Willi Johnecke. Der Erfolg kam von ganz allein. Schon mit seiner damaligen A-Jugend feierte der Trainer mehrere Kreismeistertitel. In den 1960er Jahren übernahm Johnecke den Posten des Spielertrainers bei der ersten Herrenmannschaft der Seestädter und führte diese zurück in die Landesklasse.
Nebenbei begann „Tilli“ 1965 auch noch eine Laufbahn als Schiedsrichter und schaffte dort 1968 den Sprung bis in die Bezirksliga. Unangenehm war Hans-Willi Johnecke seine Rote Karte, die er damals in einem Heimspiel vorgezeigt bekam. „Daraufhin musste ich den Schiri-Ansetzer anrufen und ihm mitteilen, dass ich vorerst nicht pfeifen darf“, verrät der Rentner. Denn als gesperrter Akteur durfte er auch nicht als Referee unterwegs sein.
Als recht defensiv eingestellter Spieler – zumeist als Linksverteidiger, Sechser oder auf der linken Außenbahn unterwegs – war Johnecke allerdings doch eher selten gesperrt. Als Spielertrainer der Erstvertretung zog er sich mit 38 Jahren zurück. Noch bis zu seinem 50. Lebensjahr war „Tilli“ anschließend für die Altherren des SV Arendsee, bei denen er noch heute jeden Donnerstag das Training leitet und dort noch ab und an bei den Trainingsspielen selbst im Tor steht, aktiv.
In der Folge konzentrierte sich Johnecke vor allem auf seine Trainerlaufbahn, in der er sich immer mal wieder kleinere Pausen gönnte. „Der Fußball ist bei mir das A und O. Ich liebe ihn mit all seinen Seiten. Wenn ich gefragt wurde, bin ich meist immer wieder als Coach eingesprungen. Ich arbeite einfach gern mit jungen Leuten zusammen“, drückt der 77-Jährige seine Begeisterung für das runde Leder in Worten aus.
Seine letzte Jugendmannschaft, die er in der Seestadt trainierte, war die damalige B-Jugend um Jan Steckmann, Sebastian Tetsch und Alexander Trentz. „Nachwuchstrainer möchte ich eigentlich nicht mehr werden, höchstens als Aushilfe“, verrät Hans-Willi Johnecke. „Man kann ja nicht immer Ja sagen“, fügt „Tilli“ mit einem Schmunzeln an. Ehefrau Christel würde sich freuen, wenn ihr Mann wieder etwas kürzer treten würde. „Sie sagt, ich soll mich da nicht zum Affen machen“, verrät der Rentner mit einem Grinsen. Vor allem die jungen Spieler der jetzigen Kreisliga-Herrenmannschaft waren es, die sich für eine Rückkehr ihres ehemaligen Nachwuchstrainers stark machten.
Nach dem Rücktritt von Axel Krüger nach Beendigung der Saison 2016/2017 wollte dessen damaliger Assistent Klaus Syring nicht allein als SVA-Coach weitermachen. „Daraufhin wurde ein Assistent gesucht, und die Jungs haben mich dann irgendwie ins Gespräch gebracht. Ich freue mich, dass sie mich so sehr schätzen“, so der 77-Jährige, der letztendlich von Vereinschef Martin Retzlaff wieder zurück an den Harper Weg geholt wurde. „Ich war natürlich zunächst einmal erfreut, hatte aber auch Bedenken bezüglich meiner Familie“, gibt Johnecke zu verstehen. Der war zuvor immer interessierter Zuschauer bei den Trainingseinheiten der Seestädter und kannte schon den Großteil des Teams gut.
Seine Rückkehr in den Trainerstab der Herrenmannschaft des SVA war auch ein Stück weit Herzenssache. „Es macht mir sehr viel Spaß. Ich spreche zwar viel mit Klaus ab, doch eigentlich möchte ich nur helfen und mich eher im Hintergrund aufhalten“, überlässt der 77-Jährige Coach Syring immer gern das letzte Wort. Die Seestädter spielten eine starke Hinserie und lange um Rang zwei mit. Im zweiten Teil der Spielzeit kamen größere Verletzungssorgen hinzu.
Diese führten dazu, dass die Arendseer vorübergehend ins Mittelfeld abgerutscht sind. Dennoch genießt es Hans-Willi Johnecke, jeder Trainingseinheit und jedem Spiel beizuwohnen. „Die Zuverlässigkeit war mir schon immer sehr wichtig. Ich verlange sie von den Spielern, aber auch von mir selbst“, verrät er. Die Mannschaft sieht Johnecke gut aufgestellt: „Vor allem die Mischung aus Jung und Alt passt. Den Hut ziehe ich besonders vor Hendrik Idler, was er mit seinen 44 Jahren noch immer leistet.“ „Tilli“ steht zwar nicht mehr auf dem Feld, doch auch seine Verdienste im und um den Verein werden gewürdigt. „Das, was ich gemacht habe, habe ich immer gern und mit Freude gemacht. Ich möchte keine Sekunde davon missen“, verrät der Westaltmärker, der sich freut, dass sich auch junge Nachwuchstrainer wie beispielsweise Til Zipper den 77-Jährigen zum Vorbild genommen haben.
Auch die Arbeit im SVA-Vorstand kann Hans-Willi Johnecke nur loben. „Vor allem ohne die Arbeit von Martin Retzlaff und seinem Stellvertreter Axel Garz wäre vieles hier nicht möglich. Sie machen ihre Sache wirklich sehr gut“, urteilt „Tilli“. Eine Aufgabe als Cheftrainer kann sich der Rentner zumindest aktuell nicht mehr vorstellen: „Das halten meine Nerven im Alter nicht mehr aus.“ Womöglich ist schon nach der laufenden Spielzeit Schluss für den Assistenzcoach. „Wir werden uns noch einmal zusammensetzen und dann entscheiden, wie es weitergeht. Aber ein zweiter Jupp Heynckes muss ich nicht sein“, verrät der sympathische 77-Jährige, der sich über eine spätere SVA-Rückkehr in die Landesklasse („Wenn hier weiterhin so gut gearbeitet wird und womöglich noch etwas mehr Geld zur Verfügung steht, ist das vielleicht irgendwann möglich“) freuen würde, mit einem Schmunzeln.
Dabei ist Heynckes, der beim FC Bayern München nach dieser Saison für Niko Kovac Platz macht, sogar noch vier Jahre jünger als der Arendseer und hat sicherlich eine noch etwas größere Trophäensammlung. Doch weitere Titel sind Hans-Willi Johnecke („Ich bin mit meinem Erreichten zufrieden“) nicht wichtig. Sollte er weiterhin Spaß an seiner Funktion haben und gesund bleiben, könnte „Tilli“ seinem geliebten SV Arendsee womöglich doch noch eine Zeit lang erhalten bleiben.