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Fußball Vieirinhas Gruß sorgt für strahlende Augen

Im letzten Moment hat der VfL Wolfsburg über die Relegation noch den Klassenerhalt in der 1. Bundesliga geschafft.

Von Florian Schulz 10.06.2017, 05:00

Stendal/Wolfsburg l Einer, der kräftig mitfieberte, war Vin Kastull. Womöglich wird auch er eines Tages für die VfL-Profis aktiv sein, doch bis dahin ist es für das zwölfjährige Stendaler Offensivtalent, das in der C-Jugend der Wölfe kickt, noch ein weiter Weg. Man muss als Zwölfjähriger schon eine Menge Mut haben, sich der Doppelbelastung Schule und Leistungssport zu stellen. Diesen hatte augenscheinlich Vin Kastull vor knapp einem Jahr, als er aus der Talentschmiede des 1. FC Lok Stendal zum VfL Wolfsburg wechselte. Der Sohn von Sven Körner, seines Zeichens Trainer der Stendaler Herrenmannschaft, möchte sich in der VW-Stadt möglichst seinen großen Traum vom Profigeschäft erfüllen.

Gerade mal vier Jahre alt war Vin, als er zum ersten Mal dem runden Leder nachjagte. „Ich habe schon immer fast den ganzen Tag Fußball gespielt, für mich gibt es momentan nichts anderes. Also musste mich niemand von dieser Sportart überzeugen“, verrät der Altmärker. Als Anfänger ging er für die Bambini-Mannschaft der Stendaler Lok (G-Jugend) auf Punktejagd. Aufgestellt wurde er von seinem Trainer Florian Lühr als rechter Verteidiger. Dort bestach er durch seinen Ehrgeiz, den Teamgeist, seine Schnelligkeit, sein Durchsetzungsvermögen und – für einen Defensivakteur nicht unbedingt üblich – durch seinen starken Abschluss mit beiden Füßen. Alles Punkte, die auch den Weltklassefußballer Cristiano Ronaldo auszeichnen. Kein Wunder, ist doch der Portugiese in Diensten von Real Madrid („Er trainiert immer mehr als alle anderen“) auch sein großes Vorbild.

In der Nachwuchsabteilung des altmärkischen Aushängeschilds 1. FC Lok Stendal fühlte sich Vin Kastull in all den Jahren pudelwohl. „Die Trainer im Verein machen generell eine gute Nachwuchsarbeit. Man sieht es ja schon allein daran, dass in den vergangenen Jahren immer wieder junge Spieler in Nachwuchsleistungszentren von Bundesligisten gewechselt sind“, deutet Vin auf die Beispiele Moritz Berg (1. FC Magdeburg) und Florian Wendt (Borussia Dortmund), die mit ihm zusammen im vergangenen Sommer das Weite suchten, hin. Natürlich blickt der junge Stendaler ab und an sehnsüchtig auf seine Zeit bei seinem Heimatklub zurück. „Ich habe gern mit meinen Freunden und Schulkameraden zusammen gespielt“, verrät der Zwölfjährige. Nie vergessen wird der Youngster die Landesmeisterschaftsteilnahme in der U13, als er unter der Leitung von Trainer Henry Berg als drei Jahre jüngerer Akteur bereits wertvolle Wettkampferfahrung sammeln durfte. Nur ein Jahr später durfte Kastull jubeln, denn dort holte er sich mit den Stendaler E-Junioren mit Coach Sergey Devyatov sogar die Landesmeisterschaft. Noch immer schaut sich der talentierte Altmärker bei Gelegenheit Nachwuchsspiele, aber auch Partien der ersten Herrenvertretung an. Letztgenannte wird von seinem Vater Sven Körner trainiert und hat in dieser Saison den Aufstieg von der Verbands- in die Oberliga geschafft. Vin Kastull freut sich natürlich mit: „Ich kenne die Spieler natürlich sehr gut. Die Mannschaft ist jung und spielt einen guten Ball. Es ist schön, dass sie den Aufstieg geschafft hat. Ich hoffe, dass sie sich auch in der Oberliga hält.“

Da Vin Kastull schnell durch seine elegante Spielweise bestach, stand er auch frühzeitig auf dem Zettel prominenterer Vereine. So war er vor gut einem Jahr als Gastspieler für RB Leipzig bei einem Turnier am Ball und markierte in der Gruppenphase das entscheidende Tor gegen einen gewissen VfL Wolfsburg. Darüber hinaus hinterließ der Youngster auch spielerisch einen guten Eindruck. Der VfL zögerte nicht lange und nahm – da er sich mittlerweile auch über Vins Herkunft schlau gemacht hatte – Kontakt auf. Der Stendaler wurde zu einem Probetraining in die VW-Stadt eingeladen und überzeugte auch dort auf Anhieb. „Danach teilte der Verein meinem Vater mit, dass er sich freuen würde, wenn ich ab dem 1. Juli 2016 für den VfL spiele“, verrät der Zwölfjährige. Da der Altmärker generell hohe Ziele verfolgt, wagte er diesen zugegebener Maßen schweren Schritt. „Ich denke, dass jeder junge Fußballer davon träumt, irgendwann in einem vollen Stadion zu spielen und das entscheidende Tor zu erzielen“, gibt Vin offen und ehrlich zu, dass er es eines Tages schon gern ins Oberhaus schaffen würde. Gemeinsam mit seinem Senior schaute sich Kastull schon vor seinem Wechsel von Stendal nach Wolfsburg ab und an Partien der VfL-Profis an. Als echten Fan konnte sich das Talent aber nicht bezeichnen, er sympathisierte dann doch eher den Rekordmeister FC Bayern München. Dennoch drückt der Stendaler mittlerweile auch den VfL-Profis fest die Daumen – natürlich auch kürzlich in der Relegation. Durch zwei 1:0-Erfolge über Zweitligist Eintracht Braunschweig schaffte das Team von Trainer Andries Jonker quasi in letzter Sekunde den Klassenerhalt und darf auch in der kommenden Saison in der 1. Liga spielen. „Die Relegation war schon sehr aufregend. Ich war bereits im Heimspiel gegen Ingolstadt als Balljunge dabei und durfte Spielern wie Mario Gomez oder Vieirinha näher kommen. Vieirinha fragte bei einem Einwurf sogar, ob bei mir alles klar ist. Da leuchten einem natürlich die Augen“, schildert der Zwölfjährige sein Erlebnis. Die „Wölfe“ sind dem Stendaler also schon sehr ans Herz gewachsen. Daher wünscht er sich nur eins: „In der nächsten Saison sollen sie möglichst nichts mit dem Abstieg zu tun haben.“

In Wolfsburgs Nachwuchsabteilung wurde Vin Kastull – in der Spielzeit 2016/2017 aktiv in der U13 in der C-Junioren-Bezirksliga – mit aller Herzlichkeit aufgenommen und hat laut eigener Aussage „schnell den Anschluss gefunden“. Durch die gemeinsame Zeit im Trainingslager haben die Spieler der VfL-Drittvertretung viel Zeit füreinander. „Wir haben dort viel Kontakt, weil wir auch unsere Handys abgeben müssen und außerdem jeden Tag zusammen trainieren“, verrät der Zwölfjährige. Der spielt zumeist auf der sogenannten Zehner-Position im zentralen offensiven Mittelfeld. Falls das Team von Trainer Thomas Spöttle jedoch mit zwei Spitzen agiert, kommt Vin auch durchaus mal als zweiter Stürmer zum Einsatz. Die Hinrunde dieser Saison verlief womöglich besser als erwartet für den Altmärker. „Ich habe in jedem Spiel von Beginn an gespielt und war darüber hinaus auch zweitbester Torschütze in meinem Team“, verrät der Stendaler. Dagegen war Kastull im zweiten Teil der Spielzeit vom Pech verfolgt. „Ich habe mich am Anfang der Rückrundenvorbereitung verletzt und konnte in der gesamten Rückrunde kein Spiel mehr bestreiten“, so der Offensivakteur. Wegen eines Knochenwurzelödems musste Vin allein zehn Wochen an Krücken laufen. Erst seit wenigen Wochen befindet sich der Altmärker nun wieder im Einzeltraining. „Ich brenne darauf, endlich wieder mit der Mannschaft zu trainieren“, verrät der Zwölfjährige.

Vin Kastull wohnt noch immer bei seinen Eltern und pendelt täglich mit dem Zug zwischen Stendal und Wolfsburg. Nach dem Aufstehen um 6 Uhr und dem Duschen wird gefrühstückt sowie gegebenenfalls für die Schule gelernt. Letztgenannte beginnt um 7.30 Uhr und endet um 13.10 Uhr. Bis zirka 15.45 Uhr bleibt Zeit für Hausaufgaben, ehe um 16 Uhr der Zug nach Wolfsburg abfährt, wo Vin gegen 17 Uhr ankommt und anschließend vom Bahnhof zur Trainingsstätte am Elsterweg laufen muss. Die Trainingseinheiten in der VW-Stadt dauern von 18 bis 19.30 Uhr an, ehe es um 20 Uhr mit der Bahn wieder zurück in die Heimat geht. Nach der Ankunft gegen 21 Uhr bleibt nur noch wenig Zeit, um das Abendbrot zu sich zu nehmen und die letzten Aufgaben für die Schule zu erledigen. Gegen 22 Uhr ist dann die Nachtruhe angesetzt. Dieses Programm absolviert der junge Altmärker vier- bis fünfmal pro Woche, dazu kommen dann am Wochenende auch noch die Partien. „Meist spielen wir in und um Braunschweig. Manchmal sind meine Eltern, wenn es die Zeit zulässt, auch dabei“, verrät der Zwölfjährige. Da vor acht Monaten seine Schwester Martha geboren wurde, konnte sich seine Mutter in letzter Zeit nur noch äußerst selten zu den Begegnungen des Talents einfinden. „Ich freue mich, wenn sie bald wieder regelmäßiger zuschauen kann“, so der Stendaler. Der hat sich mittlerweile zwar an die hohe Belastung gewöhnt, doch leicht ist es ihm nicht gefallen. „Es ist sehr intensiv. Man muss auf vieles verzichten, wenn man alles schaffen will“, erklärt Vin Kastull, der in Stendal das Winckelmann-Gymnasium besucht. „Man freut sich einfach auf die Ferien, wo man auch mal ausschlafen kann“, gibt der Youngster zu. Auch sportlich musste sich der Zwölfjährige erst einmal an das deutlich gestiegene Niveau in Wolfsburg gewöhnen. „Das Training ist körperlich und geistig viel anstrengender. Zudem hat man deutlich bessere Mit- und Gegenspieler“, verrät Vin, für den es allerdings eine Ehre ist, bei Turnieren auf Teams wie Borussia Dortmund oder Manchester City („Das ist schon ein tolles Erlebnis“) zu treffen.

Seine doch eher begrenzte Freizeit nutzt Vin Kastull, um sich mit seinen Freunden zu treffen oder zumeist seinen Vater auf der PlayStation in „FIFA“ herauszufordern. „Ich schlage meinen Papa immer wieder gern. Da geht es eigentlich immer heiß her und oft hängt der Haussegen schief“, verrät der Altmärker mit einem Schmunzeln. Auf der Konsole scheint Vin also schon ein Könner zu sein, in der Realität möchte er aber noch einige Dinge an sich verbessern. „Ich denke da vor allem an den technischen und koordinativen Bereich“, so der Offensivakteur. Neben seinem Abitur, das er in ein paar Jahren unbedingt ablegen möchte, ist es Kastulls großes Ziel, bald wieder mit der Mannschaft zu trainieren und ihr wieder mit seinen Treffern zu helfen. „Mir ist es auch ganz wichtig, gesund zu bleiben“, erklärt der Zwölfjährige. Verletzungsbedingt pausieren musste der Altmärker in letzter Zeit schließlich zur Genüge. Ganze vier Monate ohne das runde Leder „taten weh“. Doch wenn Vin Kastull seinen eingeschlagenen Weg fortführen sollte, könnte er sich eines Tages durchaus als Profi beim VfL Wolfsburg einen Namen machen und selbst für strahlende Augen bei den Balljungen sorgen.