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Frauenfußball Erst probieren, dann kritisieren

Der Fußballverband Sachsen-Anhalt ordnet zur neuen Saison den Spielbetrieb neu. Im Salzlandkreis begegnet man der Reform aufgeschlossen.

Von Björn Richter 19.07.2017, 01:01

Salzlandkreis l Es ist Luxus und Problem zugleich: Der SV Blau-Weiß Breitenhagen hat in den vergangenen Jahren mit einem gut gefüllten Kader stets eine Sonderrolle in der Fußball-Unionsliga der Frauen eingenommen. Weil bei der Spielstärke Eins zu Sechs aber immer jemand zum Zuschauen verdammt war, „haben wir diesmal den Schritt gewagt“, wie Trainer Hans-Joachim Quenstedt es ausdrückt. Sein Team wechselt zur neuen Spielzeit auf das verkürzte Großfeld. Gekickt wird dann in der Süd-Staffel der Regionalklasse. Diese ist zwar im Bezug auf das Spiel Neun gegen Neun keine neue Erfindung, doch dieser Tage Gegenstand eines großen Politikums im sachsen-anhaltischen Frauenfußball. Der Landesverband FSA setzt zur Saison 2017/2018 eine Reform des Spielbetriebs um, die in etlichen Vereinen Protest hervorruft.

Spätestens seit der Veröffentlichung der Staffeleinteilungen vor einigen Tagen sind die Pläne in den Clubs angekommen. Demnach gibt es zur neuen Saison drei Spielweisen des Frauenfußballs in Sachsen-Anhalt mit unterschiedlichen Mannschaftsstärken: Großfeld, verkürztes Großfeld sowie Kleinfeld. Diese Interpretationen gibt es, wenn auch wenig einheitlich, in den einzelnen Ligen auf Kreis- und Landesebene seit Jahren. Indem jedoch auch Ligenstruktur und Staffeleinteilung  neu geordnet werden, ist nun von der Verbandsliga bis in die sogenannten Regionalklassen geregelt, wer mit wie vielen auf welchen Ausmaßen gegen wen spielt. Die Vereine wurden vorab gefragt, welche Spielstärke sie aufbieten können und entsprechend eingeordnet.

Diese Regionalisierung stößt jedoch auf Widerstand. Teams aus der Altmark und dem Jerichower Land befürchten, dass Touren bis in den Saalekreis zu einer Kostenexplosion führen. Laut Hans-Jürgen Winterfeld, Vorsitzender des Frauenausschusses im Kreisfachverband Salzland, auch eine Frage mangelhafter Kommunikation: „Den Hintergrund einer einfacheren Gesamtplanung verstehen und befürworten wir. Es wurde jedoch neben Verbands- und Landesliga zunächst von Kreisligen und Kreisklassen gesprochen. Mit der Einführung der Regionalklassen, deren Einteilung vom Landesverband vorgenommen wurde, stehen wir vor den Vereinen nun aber ein wenig als Lügner da.“

Hinter den Reformabsichten verbirgt sich der „DFB-Masterplan“, der 2012 beim sogenannten Amateurfußballkongress beschlossen wurde. Seitdem wurde in den Gremien des FSA und der Kreisverbände an der Umsetzung gearbeitet. Winterfeld stellt klar: „Wie es mit einem Plan immer ist: Ob er gut ist oder nicht, sieht man, wenn er umgesetzt wurde. Die Vereine sollten es zumindest erst einmal versuchen.“

Der SV Lok Aschersleben hat es etwa vor zwei Jahren mit dem Wechsel in die Regionalklasse Süd, Staffel I, vorgemacht und liefert positive Anhaltspunkte: Die Auswärtsfahrten in den Raum Halle/Merseburg führten weder in die Insolvenz, noch zu gescheiterten Ehen. „Und letztlich hat zum Beispiel Union Schönebeck schon die Hälfte des Weges hinter sich, wenn Lok Aschersleben gerade auf die A 14 auffährt“, veranschaulicht Winterfeld.

Auch beim SV Blau-Weiß Breitenhagen, der in der Unionsliga auch Tagestouren in den Harz hinlegen musste, will man der neuen Herausforderung über Fahrgemeinschaften begegnen. Das flächendeckende Problem fehlender Sponsoren ließe kaum eine andere Wahl. Und überhaupt: „Wir stellen uns gegen die Reform nicht quer, ein Rückzug wäre ohnehin keine Option. Seit 1996, also seit 21 Jahren, gibt es eine Frauenmannschaft in Breitenhagen. Das wollen wir nicht aufgeben und probieren es daher lieber ein Jahr lang.“

Anderenorts sieht es weniger gut aus. Die SG Etgersleben/Staßfurt sucht man beispielsweise nunmehr vergeblich. Der Rückzug war jedoch ohnehin beschlossen. „Wir sind jeden Sonntag mit weniger Leuten losgefahren. Uns stehen selbst für das Kleinfeld nicht genug Spielerinnen zur Verfügung“, erklärt Trainer Rainer Feldheim. Gegen das Hauptproblem des Frauen- und Mädchenfußballs im Land hilft dann auch keine Strukturreform, sondern dürfte nur darüber zu lösen sein, noch mehr Begeisterung für den Sport zu wecken.