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Handball Im Rausch: Calbe entzaubert Staßfurt

Mit einem taktischen meisterhaften 27:19 (16:14)-Erfolg in Staßfurt setzt die TSG Calbe in der Sachsen-Anhalt-Liga ein starkes Zeichen.

Von Enrico Joo 16.09.2018, 23:01

Staßfurt l Andreas Wiese wusste, bei wem er sich zu bedanken hatte. Im grandiosen Euphorie-Gewitter lief der Trainer der TSG Calbe aus der Sachsen-Anhalt-Liga nach dem 27:19 (16:14)-Erfolg am Sonnabend beim HV Rot-Weiss Staßfurt als Erstes zu den etwa 150 mitgereisten Fans aus der Saalestadt und verbeugte sich zweimal.

Im Theater ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass die Darsteller nach einer gelungenen Show vom Publikum Beifall entgegennehmen. Natürlich applaudierten die Calbenser ihrem Team mit stehenden Ovationen. Man konnte die Verbeugung aber auch umgekehrt als Liebesbeweis Wieses zum Team deuten. Ein „seid stolz auf diese Mannschaft“, lag in der Geste.

Mit einer taktischen Meisterleistung entzauberte die TSG den großen Aufstiegsfavoriten und zeigte selbst, welches Potential in ihr steckt, wenn alle Rädchen ineinandergreifen. „Der Teamgeist hat gestimmt, das Spielkonzept ist voll aufgegangen“, sagte Wiese. „Wir wussten, dass wir in der Abwehr auf die Fresse kriegen. Das tat weh. Aber wir haben trotzdem weiter gemacht. Ein großes Lob an die Mannschaft.“

Weil die TSG-Spieler kleiner sind als die robusten Staßfurter, impfte Wiese seinem Team die gewohnte Philosophie ein: Gar nicht erst im Rückraum versuchen, über die Abwehr drüber zu kommen, sondern mit den „Halben“ im Rückraum, zum Teil zwei Kreisläufern und wendigen Außenspielern die Abwehr des Gegners auseinanderziehen. Das klappte. „Mathias Walther hat gut Druck gemacht, Jan Illig ist überragend auf Lücke gegangen“, lobte Wiese. Wobei die beiden stellvertretend für die gesamte Mannschaft standen. „Die Deckung war überragend. Ich bin stolz auf mein Team.“

In der zweiten Halbzeit erzielte Staßfurt nur fünf Tore. In den ersten 20 Minuten ploppten gar nur zwei neue Zahlen auf der Anzeigetafel auf. Was auch am grandiosen Keeper lag. Stefan Wiederhold zeigte mehr als ein Dutzend Paraden. Zur Höchstform lief er nach dem Seitenwechsel auf, als er fünf „Freie“, also Bälle in Eins-gegen-Eins-Situationen, entschärfte. Hatte er sich besonders vorbereitet? „Nein. Man kennt seine Pappenheimer“, sagte Wiederhold, der die Lieblingsecken der Staßfurter eben einfach kennt und seine Erfahrung nutzte. „Die Abwehr hat es mir aber auch leicht gemacht, die stand überragend.“ So durfte sich Wiederhold in einen Rausch spielen. „Das war einfach nur geil. Ich hatte mittags schon ein Kribbeln im Bauch. Wann spielst du schon mal vor so einer Kulisse? Die Hütte hat gebrannt und unsere Fans waren lauter als die aus Staßfurt.“ Knapp 700 Zuschauer drängelten sich in die Salzland-Sporthalle, die auf beiden Seiten für ohrenbetäubenden Lärm sorgten.

Und gerade in der ersten Hälfte hatten die Staßfurter noch viel zu bejubeln. Mit einigen gelungenen Auslösehandlungen im Positionsangriff über Rückraum und Kreis zog der Gastgeber auf 9:6 (17.) davon. Auch hinten war alles gut. „In den ersten 20 Minuten war die Abwehr in Ordnung“, sagte Staßfurts Trainer Sven Liesegang. „Auch die zwei Tore Rückstand zur Pause sind im grünen Bereich. Aber als wir dann mit fünf Toren hinten lagen, wurden wir unstrukturiert, haben schlechte Würfe genommen. Da hätten wir ruhiger spielen müssen, der Kopf hat gefehlt. Das hat mich geärgert.“

Staßfurts Kapitän Sebastian Retting war ebenfalls geknickt. „Die Niederlage tut dolle weh. Calbe hat uns in Sachen Einsatz und Disziplin etwas vorgemacht.“ So zog die TSG nach dem noch knappen 18:16 (42.) in sieben Minuten auf 23:16 davon. Das war die Entscheidung. Beispielhaft war das 19:16 durch Illig (43.), der die Staßfurter Abwehr leichtfüßig durchtänzelte und traf. Bei Calbe klappte nun alles, bei Staßfurt gar nichts mehr. „Am Ende haben wir uns in einen Rausch gespielt“, sagte Wiese. „Wenn wir unser Spiel auf die Platte bringen, können wir jeden schlagen.“

Was dann in der Pressekonferenz zur Frage führte, ob Calbe nun selbst Aufstiegsambitionen hegt. „Was ist das für eine Frage?“, wies Wiese diese zurück. „Das ist kein Thema.“ Spätestens seit Sonnabend ist aber klar: Die TSG gehört zu den stärksten Teams der Liga, wenn sie ihr Spielkonzept umsetzen kann.

Staßfurt: Tuchen, Schliwa – Fanselow, R. Reiske (4), Retting (3/1), Jacobi (2), Vadaszi (2), Steinbrink (1), Frank, Spadt, Strnad, Schöne, Hähnel (4), Meißner (3)

Calbe: Wiederhold, Bertram – Walther (1), Fritz, Haverland, Barby, Gieraths (3), Lück (5), Schwarz (3), Weiß (6/3), Sowa (5), Illig (3), K. Reiske (1/1)

Siebenmeter: Staßfurt 2/1 – Calbe 5/4 Zeitstrafen: Staßfurt 5 – Calbe 3