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Handball Pendlerin aus Leidenschaft

Lok Schönebeck trifft im Spitzenspiel der Sachsen-Anhalt-Liga auf Gräfenhainichen. Auch Carolin Schedlo wird wieder gefragt sein.

Von Enrico Joo 27.10.2017, 23:01

Schönebeck l Carolin Schedlo machte mal wieder die Nacht zum Tage. Nein, feierwütig ist die Dame nicht. Aber ihre Arbeit ließ das eben nicht anders zu. Nachtdienst. Schon wieder. Die Polizeibeamtin ist von Berufs wegen kaum zu beneiden. Direkt nach der Arbeit war sie am Freitag im Morgengrauen in Wolfsburg aufgebrochen, um über die Landesgrenze von Niedersachsen nach Sachsen-Anhalt zu düsen und gegen sechs Uhr am Morgen in Schönebeck einzutrudeln. Dann legte sie sich bei ihren Eltern ein paar Stunden auf‘s Ohr, stand gegen die Mittagszeit wieder auf, um ab 17.30 frisch und fit auf der Platte zu stehen, wenn die Handballerinnen der SG Lok Schönebeck in der Sachsen-Anhalt-Liga im Topduell als Tabellendritter den Klassenprimus BSG Aktivist Gräfenhainichen empfangen.

Was sich Carolin Schedlo doch so alles antut, um ihrem Hobby nachzugehen. „Es kommt auch schon mal vor, dass ich dann nach dem Spiel in den Nachtdienst muss.“ Es ist für die 28-Jährige wahrlich ein Balanceakt, Beruf und Sport unter einen Hut zu bekommen. Ein Segen, dass Schedlo einen Partner hat, der das alles versteht.

Lok Schönebeck und Carolin Schedlo, das ist eine über die Jahre gewachsene und innig umwickelte Herzensverbindung geworden. Lok kann nicht ohne Carolin Schedlo, sie aber auch nicht ohne Lok. „Ich kann mich nicht trennen“, sagt sie. Sie macht das, weil sie Leistungsträgerin, lokales Aushängeschild und Sympathieträgerin in Personalunion ist. Und über all die Jahre immer war.

Zwar hatte Schedlo zwischen 2011 und Ende 2012 in Gifhorn eine Luftveränderung im Handball gewagt. Dort hat sie aber auch gemerkt, was sie an Lok hat. Natürlich kann Schedlo, die mit ihrem Verlobten in Bad Nenndorf, westlich von Hannover wohnt, Dienstag nie zum Training gekommen. Wenn überhaupt, dann freitags. Was man in Schönebeck versteht. „In Gifhorn war das aber nicht so. Da wurde ich schief angeguckt, wenn ich nicht so oft beim Training war. Ich bin echt dankbar, dass man in Schönebeck Verständnis hat.“ Fit ist sie ja trotzdem. Sie geht ins Fitnessstudio oder schwimmen. Auch ihr belgischer Schäferhund hält sie auf Trab. Sie muss das gar nicht, wegen des Handballs jedes Wochenende nach Schönebeck fahren. Sie tut es trotzdem. „Handball ist für mich auch gut zum Abschalten.“

Lok Schönebeck ist gerade in der jetzigen Erfolgswelle froh, eine solche Spielerin zu haben. „Für die Mannschaft ist sie sehr wichtig“, sagt Trainer Dirk Schedlo. „Sowohl im Angriff als auch in der Defensive.“ Dann stockt er. Was soll er sagen? „Es ist schwer, über die eigene Tochter zu sprechen“, erklärt er. Es ist schwer, sie zu loben. „Es ist immer im Hinterkopf, dass jemand sagen könnte, sie darf mehr, weil sie die Tochter ist. Das Gegenteil ist aber der Fall. Sie darf viel weniger.“ Er erwartet gerade von seiner Tochter, der Linkshänderin, mehr als von anderen Spielerinnen. „Als Trainer bekommt sie von mir Druck.“ Wie übrigens aber auch Janka Bauer oder Karin Stagge. „Das sind Spielerinnen, auf die sich die Mannschaft verlässt, die vorne weg gehen.“ Und seine Tochter hat eben „als eine der wenigen Spielerinnen keine Angst, Verantwortung zu übernehmen“. Carolin Schedlo ist sich dieser Rolle in der Mannschaft bewusst. „Ich bin ja selbst mein größter Kritiker.“ Gerade in dieser Spielzeit „fehlt mir vorne ab und an das Glück. Ende der letzten Saison war ich mit mir viel zufriedener.“

Sicher kann Carolin Schedlo heute dennoch helfen, die vier Spiele anhaltende Siegesserie auszubauen. Auch wenn Tugce Kümüs privat verhindert ist und der Einsatz von Leistungsträgerin Janka Bauer wegen muskulären Problemen noch fraglich ist. Wobei es gegen Gräfenhainichen nicht leicht wird. „Das wird ein schweres Spiel“, schätzt der Coach ein. „Gräfenhainichen verfügt über eine stabile Abwehr und ein vorbildliches Rückzugsverhalten.“ „Aber in dieser Liga ist fast alles möglich“, sagt Carolin Schedlo. „Bei einer guten Tagesform können wir auch gegen den Tabellenführer gewinnen. Wir werden uns den Hintern aufreißen. Es ist auch schön zu sehen, dass das Schönebecker Publikum mitbekommen hat, dass auch wir attraktiven Handball spielen können, nicht nur die Männer.“

Gerade Carolin Schedlo will wieder mit einem guten Gefühl nach dem Spiel beim Abendbrot sitzen. Zusammen mit Papa Dirk. Ob es da noch über Handball geht? „Nein“, sagt der Trainer. „Ich will diese Belastung zu Hause nicht.“ Sport und Privates wird da klar getrennt. Aber als Vater ist Dirk Schedlo freilich auch froh, dass seine Tochter des Sports wegen jedes Wochenende zu Hause ist. „Das ist ein toller Effekt. Als Papa macht mich das sehr glücklich.“