Fußball Der Extrempendler

Für den SV Förderstedt steht in der Fußball-Landesliga gegen Ilsenburg Abstiegskampf an. Devis Drici ist dann wieder aus München angereist.

Von Enrico Joo 15.12.2016, 23:01

Förderstedt l Die Toten Hosen haben sich in den vergangenen Jahren von einer Punk-Band zu einer massentauglichen Rock-Combo gewandelt, die Stadien füllt. Bereits im Jahr 1996 schmissen Campino & Co aber einen ihrer größten Hits unter das Volk: Zehn kleine Jägermeister. Der Song handelt – grob zusammengefasst – vom Verschwinden der Jägermeister unter mysteriösen Umständen. Die Gruppe wird also immer kleiner.

Im übertragenen Sinne erinnert das ein bisschen an den Fußball-Landesligisten SV Förderstedt. Wenn Trainer Enrico Tietzel in den vergangenen Wochen seine elf Leute für ein Fußballspiel zusammen hatte, war er schon froh. Beim 2:2 in Uchtspringe hatte er nicht mal die. Zehn tapfere Förderstedter erkämpften sich einen Punkt in der Altmark. Es ist bemerkenswert, wie sich der SVF Woche für Woche dem Abstiegskampf stellt. Einer sticht dabei besonders heraus: Devis Drici.

Der 27-jährige Techniker im Mittelfeld pendelt jede Woche aus München nach Förderstedt. Der Deutsch-Albaner arbeitet in Bayerns Landeshauptstadt als Maschinenkonstrukteur. Seit dem 1. Juni muss er Beruf, Freundin in Halle, Fußball in Förderstedt und Familie in Aschersleben unter einen Hut bringen. Drici ist der Extrempendler in Förderstedt. Fast jedes Wochenende ist er auf der Autobahn. „Ich bin in den fast sechs Monaten 40 000 Kilometer gefahren“, sagt Drici. Und trotzdem war er fast immer am Sonnabend beim Spiel.

Auch am Sonnabend beim Heimspiel gegen den FSV Grün-Weiß Ilsenburg, dem letzten Spiel des Jahres, wird Drici wieder vor Ort sein. Natürlich. Der Mittelfeld-Regisseur steht da und kann nicht anders. „Ich lebe eben den Sport“, so Drici.

Und Trainer Tietzel ist einfach froh, dass er ihn hat. „Er ist ein ganz intelligenter Spieler, auch für den Zusammenhalt“, sagt er. „Er ist zwar körperlich nicht der größte, dafür aber auf dem Feld.“ Seine Impulse sind bitter nötig, damit der SVF zumindest einen Tropfen in der fast leeren Hoffnungsflasche aufsaugen kann. Sechs Punkte sind es bis zum Nichtabstiegsplatz. „Wir gucken nicht auf die Tabelle“, meint Tietzel. Der Trainer ist vielmehr damit beschäftigt, Woche für Woche eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen.

Morgen zumindest sind bis auf den gesperrten Maik Teutloff alle dabei. Das hat Tietzel noch mal dazu veranlasst, psycholgische Tricks anzuwenden. „Ich habe gefragt, wer bereit ist. Nicht wer da ist“, sagt Tietzel. Das war ein Appell an die Ehre. Und der Rücklauf war eindeutig positiv. Sie wollen den Dreier morgen gegen Ilsenburg. „Ich wollte noch mal das Rot in die Augen treiben“, erklärt der Coach.

Ähnlich motiviert ist auch Drici. Der Mittelfeld-Mann, der jetzt im zweiten Jahr in Förderstedt ist und früher schon in Aschersleben Landesliga spielte, hatte in Bayern sogar ein Angebot ausgeschlagen. Bei einem Landesliga-Team in der Nähe von München hatte Drici unter der Woche ein wenig mittrainiert. Der Verein wollte ihn dann dauerhaft in die Region lotsen. Drici aber sagte ab. Er ist noch nicht fertig in Förderstedt. Und weil er sich in München sowieso nicht wohl fühlt, trotz der „coolen Arbeit“, ist der 27-Jährige vielleicht bald auch wieder unter der Woche beim SVF. Drici orientiert sich gerade beruflich um und fahndet nach einer Arbeitsstelle in der Nähe von Förderstedt.

Das sind positive Signale für die Rückrunde. Auch das Lied der Toten Hosen hat ja bekanntlich ein gutes Ende. Nach dem Verlust aller anderen Jägermeister lud sich der letzte verbliebene einfach neun neue Meister ein. In diesem Sinne ist auch beim SV Förderstedt zu hoffen, dass sich im Winter personell etwas tut. Die Hoffnung ist groß. „Ich brauche auch Quantität im Kader“, klagt Tietzel. „Ich komme nicht mit 13 bis 14 Spielern durch die Saison.“ Es zeichnet sich immerhin ab, dass Allzweckwaffe Marco Janich nach seinem Handbruch im Januar wieder einsatzfähig ist.

Und neue Spieler für die Defensive hat Tietzel auch an der Angel. „Bei drei bis vier Spielern ist es konkret“, sagt er. Alle Kicker kommen aus dem Umkreis von Förderstedt aus der Landesklasse und Kreisoberliga. Mehr will der Coach aber nicht verraten. „Die Kandidaten warten noch bis zum letzten Spieltag, um sich bei ihren Vereinen abzumelden. Die wollen keine Unruhe reinbringen.“ Dass sie kommen, davon ist er felsenfest überzeugt.

Gehen wird allerdings Marcus Janich im Winter. Der 27-Jährige bekommt Arbeit und Sport nicht mehr unter einen Hut. „Er hat sich abgemeldet“, sagt Tietzel. „Ihm fehlt, dadurch dass er nie beim Training sein kann, auch die Kraft für die Landesliga.“ Janich will, wenn er die Zeit findet, bei Germania Kroppenstedt in der Bördeliga noch ein bisschen Fußball spielen.

Es fehlen: Marco Janich (langzeitverletzt), Maik Teutloff (Sperre nach Roter Karte); SR: Christopher Große (Wimmelburg)