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Fußball Ein Wechsel zum Wohle des Vereins

Trainer Enrico Tietzel tritt beim SV Förderstedt aus der Landesliga kürzer. Der 45-Jährige bleibt dem Verein aber erhalten.

Von Enrico Joo 14.06.2017, 23:01

Förderstedt l Vertrauensvolle, offene und vor allem ehrliche Gespräche sind im Sport ungemein wichtig. Nur wer sich in die Augen schauen kann, klar formulieren kann, was er möchte und wie er gewisse Dinge sieht, der kann auch konstruktiv Sachen anstoßen und helfen, den notwendigen Entwicklungsprozess voranzubringen.

So ist das auch beim SV Förderstedt in der Landesliga. Schon vor einigen Wochen, also lange bevor der Klassenerhalt überhaupt feststand, saßen Trainer Enrico Tietzel, Co-Trainer Michael Buschke, der sportliche Leiter Thomas Conrad und Präsident Herbert Busch zusammen an einem großen Tisch. Das tun sie oft, weil sie offen miteinander reden. Diesmal ging es aber um die Frage: Wie geht es weiter beim SV Förderstedt? Klar: Enrico Tietzel und Michael Buschke sind Übungsleiter mit Leib und Seele. Die Arbeit mit Spielern macht ihnen Spaß. „Aber Micha und ich waren fast nie gleichzeitig beim Training“, erklärt Tietzel. Beide arbeiten in Schichten, sind beruflich stark eingebunden. Buschke ist zudem frisch gebackener Papa von Zwillingen. Und zerteilen können sie sich nicht. „Aber du musst ja immer präsent sein“, so Tietzel.

Ideen wurden ausgetauscht, Anregungen gemacht und irgendwann machte Tietzel von sich aus einen Vorschlag. Er zieht sich zurück als Cheftrainer. Zum Wohle des Vereins. „Es war meine Entscheidung“, sagt er. „Ich ordne mich gerne unter.“ Denn Förderstedt braucht einen Trainer, der einfach mehr Zeit hat. Und es ist ja nicht so, dass Tietzel den Verein verlässt. Seine gelebte Euphorie, seine Leidenschaft für den Sport, seinen Elan setzt er jetzt einfach woanders ein. Tietzel wechselt die Seiten. Schon bevor er den Posten des Trainers angenommen hatte, war er als Scout in Förderstedt unterwegs. Und das wird er auch weiter tun. „Ihm macht beides Spaß“, erzählt Michael Buschke. Transfers einfädeln, dabei helfen, dass der kleine Verein weiter im Konzert der Großen mitspielen kann, dafür ist ein Mann wie Enrico Tietzel der perfekte Mann.

So gesehen ist der Schritt, den der SV Förderstedt jetzt gegangen ist, genau richtig. „Jeder hilft eben, wo er kann“, sagt Tietzel. Aktuell befindet sich der SVF also auf der Suche nach einem neuen Trainer. Was der Verein ganz entspannt angeht. Und auch bei der Spielersuche sind die Förderstedter ja nicht untätig. Unter der Woche hat der Verein offiziell bekannt gegeben, dass Hussein Alkabib und Chris-Mario Tietzel nach Förderstedt wechseln.

Der Name Alkabib kreist schon länger in Förderstedt herum. Der Syrer, der seit drei Jahren in Hettstedt wohnt, war im Winter schon mehrfach zum Probetraining und bei Testspielen dabei. Mit seiner Schnelligkeit und Körperlichkeit fiel der athletische Stürmer sofort auf. Mit einem Transfer wollten die Verantwortlichen aber noch warten. Auch aus Respekt vor dem FC Hettstedt, wo er zuletzt spielte. Der neugegründete Verein ist gerade souverän Meister geworden in der 1. Kreisklasse und schaffte den zweiten Aufstieg in Folge. Auch dank Alkabib.

Denn der Syrer ist eindeutig zu Höherem berufen. In 31 Spielen in knapp anderthalb Jahren machte Alkabib unglaubliche 65 Tore. 41 allein in 23 Spielen in der vergangenen Saison. „Er hat einen guten Eindruck bei uns gemacht“, sagt Tietzel. Auch der Syrer konnte so jemand sein aus den unteren Ligen, der genau zum SV Förderstedt passt und dort den nächsten Sprung machen kann. Das ist auch eine der Philosophien beim SVF. Geld ist nicht so viel da wie bei anderen Vereinen. Also versucht der Klub mit weniger Geld viel zu machen. So etwas gelang ja auch vor einem Jahr bei Michal Zawada. Der kam aus der Kreisoberliga. Heute geht er bei Askania Bernburg auf Torejagd. Auch, weil er in Förderstedt Spielzeit und Selbstvertrauen gesammelt hat.

Vom FSV Drohndorf/Mehringen kommt Chris-Mario Tietzel. Er bringt reichlich Landesklasse-Erfahrung mit. Der Name ist kein Zufall. Der offensive Mittelfeldspieler ist der Sohn vom Coach, der ja ab sofort Co-Trainer ist. „Er könnte auch menschlich ein wichtiger Baustein sein in der Mannschaft“, so Papa Enrico. Denn Chris-Mario Tietzel ist zum Beispiel mit Hogir und Necirvan Isa gut befreundet.

Aber es braucht natürlich noch ein paar mehr Spieler für die neue Saison. „Mindestens fünf“, wie Enrico Tietzel sagt. Ein Ersatz für Michael Buschke muss zum Beispiel her. Der Abwehrchef hört auf und wechselt bekanntlich in das Management. Er soll die rechte Hand werden vom sportlichen Leiter Thomas Conrad.

Und Enrico Tietzel? Der kann ruhigen Gewissens etwas kürzer treten. Der Tausendsassa bleibt dem SV Förderstedt erhalten. „Ich bin ja immer noch präsent“, sagt er lachend. Er hat noch immer Spaß an der sportlichen Arbeit. Bald vielleicht sogar mehr als zuvor. Die Auszeiten werden ihm auch gut tun.