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Fußball Schmidt beendet Karriere beim SV 09

In zwei Jahren schwang sich Michael Schmidt in Staßfurt zum Leitwolf auf. Nun beendete er seine Karriere aus gesundheitlichen Gründen.

Von Enrico Joo 02.07.2018, 23:01

Staßfurt l Michael Schmidt hat sich einen Kindheitstraum erfüllt. Vor zwei Wochen hat der 33-Jährige das erste Mal in seinem Leben ein Tennis-Spiel live gesehen. Und dabei nicht irgendeinen Spieler, sondern dem vermutlich besten aller Zeiten dabei zuschauen dürfen, wie er mit eleganter Leichtigkeit die kleinen gelben Bälle über das Netz schleuderte. Vor zwei Wochen saß Schmidt auf der Tribüne beim Viertelfinale der Gerry Weber Open in Halle (Westfalen), als der „Maestro“ Roger Federer den Australier Matthew Ebden mit 7:6 und 7:5 schlug. „Er ist mein absolutes Idol“, sagt Schmidt über Federer, der gemeinhin als „GOAT“ bezeichnet wird. Also als „Greatest of all time“, zu deutsch: Größter aller Zeiten. Kein Wunder. Der Schweizer ist Rekord-Grandslam-Sieger und führte so lange wie kein anderer Spieler die Tennis-Weltrangliste an. Und gehört auch mit bald 37 Jahren zu den besten Spielern der Welt.

Es sagt viel über Michael Schmidt aus, dass der Staßfurter Fußballspieler solch ein Idol hat. Mit seiner spielerischen Eleganz begeistert Federer seit fast 20 Jahren die Fans rund um den Globus. Tennisspielen sieht bei ihm nie nach Arbeit aus. Dazu gehört der Schweizer auch neben dem Tennisplatz zu den beliebtesten Spielern, weil er bescheiden ist und Bodenhaftung bewahrt hat. Hat man Schmidt die vergangenen zwei Jahre beim Fußballspielen in Staßfurt beobachtet, so könnte man meinen, er hätte zumindest im Kleinen seinem großen Idol eine ganze Menge abgeschaut. Immerzu war Schmidt der fleißige Arbeiter im defensiven Mittelfeld, baute die klugen Spielzüge aus der Zentrale auf und war dazu als Kapitän eher leise, aber bestimmend. Verbale Aussetzer kannte man von ihm nicht.

Ja, die Staßfurter werden Michael Schmidt definitiv vermissen. Wenn im August die neue Saison in der Landesliga Nord beginnt, dann wird Schmidt fehlen. Er hat seine Fußballschuhe an den Nagel gehängt. Nicht, weil er will, aber unbedingt muss. „Seit fast 14 Jahren habe ich Bandscheibenvorfälle“, sagt er. „Ich habe viele Tabletten genommen und Spritzen bekommen. Das müsste operiert werden.“ Und es duldet keinen Aufschub mehr. Wie lange er die Idee mit sich herumtrug, tatsächlich Schluss zu machen? „Vor zwei bis drei Monaten habe ich mich dazu durchgerungen“, so Schmidt.

Er wählt diesen Kampfbegriff, weil er liebend gern weiter gespielt hätte. Und vor allem hätte er sich einen schöneren Abschied gewünscht, als diese bittere 2:4-Niederlage im Aufstiegsendspiel gegen den SV Westerhausen Anfang Juni. Auch mit einem Monat Abstand denkt Schmidt ungern zurück. „Schrecklich“, nennt er das Spiel. „Ich habe das bis heute nicht verdaut. Das war eine herbe Enttäuschung. Wir haben nicht das gezeigt, was wir uns vorgenommen haben. Das Spiel ist ab der ersten Sekunde gegen uns gelaufen. Damit kann ich gar nicht umgehen. So wollte ich nicht aufhören.“ Im ersten Moment dachte er sogar daran, seinen Entschluss wieder rückgängig zu machen, nicht mit dieser Enttäuschung abzutreten. „Ich dachte, das kann nicht mein letztes Spiel gewesen sein. Aber die Vernunft hat dann doch gesiegt.“

Und so teilte er dem SV 09 mit, dass er nach zwei Jahren in Staßfurt aufhört. „Alle waren furchtbar traurig. Es wurde sich sehr lieb bemüht.“ Von dem Spiel in Westerhausen abgesehen, hat er nur positive Erinnerungen an seine Zeit in Staßfurt. „Ich hatte gar keine großen Erwartungen, habe aber im Nachhinein keine einzige Sekunde bereut.“ In Staßfurt hat er noch einmal das erlebt, wovon jeder Fußballer träumt. „Das war pure Fußball-Romantik. Die Spieler tragen das Wappen nicht nur auf der Brust, sondern im Herzen. Das war in Bernburg nicht mehr so.“ Dort, wo Schmidt zuvor in der Oberliga Kapitän war. Natürlich kennt er auch die Stimmen, die dem SV 09 vorwerfen, im Geld zu schwimmen. Kein Spieler spielt in Staßfurt ohne Lohn. Aber: „Der Verein hat nichts geschenkt bekommen. Das Geld wird von Ralf Möller (Präsident, Anm. d. Red.) absolut gewissenhaft eingesetzt“, sagt Schmidt.

Michael Schmidt trennt sich also nur im Guten vom Verein. „Wir werden auf jeden Fall in Kontakt bleiben. Ich werde mir, soweit es geht, auch die Spiele anschauen.“ Irgendwann will er vielleicht in den Betreuerstab einsteigen. Aber erst in ferner statt naher Zukunft. „Ich brauche jetzt erstmal Abstand.“ An den Sonnabenden, an denen er in den vergangenen Jahren immer auf dem Rasen gestanden hat, wird er nun nicht mehr drumherum kommen, im OP-Saal zu stehen. Schmidt arbeitet als Mediziner in der Gefäßchirurgie.

Und wer weiß, vielleicht kehrt Schmidt sogar noch mal als Spieler zurück. Zum Beispiel dann, wenn Trainer Jens Liensdorf extreme Personalnot hat. Dann wäre Michael Schmidt der Letzte, dem ein kategorisches „Nein“ über die Lippen kommen würde. Dafür war Schmidt all die Jahre viel zu verliebt in sein Lieblingshobby. Stand jetzt hat er aber mehr Zeit für anderen Sport. Für all den Sport, der „kein Kontaktsport“ ist, wie Schmidt sagt. Den soll er vermeiden. Tennis könnte er spielen. Vielleicht bleibt er aber auch nur Zuschauer. Da wäre dann auch Basketball möglich. Auch den mag er. Michael Jordan ist ebenso ein großes Idol von Schmidt, der gerne seinen Horizont erweitert. Auch „Wimbledon“, das wichtigste Tennis-Turnier der Welt, das gestern begonnen hat, wird er verfolgen. Titelverteidiger dort ist – natürlich – Roger Federer. Schmidts absolutes Idol.