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Handball „Sportliche Entscheidung wäre fairer“

Der Handballverband Sachsen-Anhalt hat sich auf ein sofortiges Ende der laufenden Saison geeinigt.

Von Tobias Zschäpe 08.04.2020, 23:01

Staßfurt l Zudem wurde entschieden, dass es keine Absteiger geben soll, aufstiegsberechtigte Teams jedoch zur kommenden Saison in der nächsthöheren Spielklasse antreten können (siehe Infokasten). Eine Mannschaft, die diese Entscheidung besonders hart trifft, ist Sachsen-Anhalt-Ligist HV Rot-Weiss Staßfurt um Trainer Sebastian Retting, der nach dem knapp verpassten Aufstieg im vergangenen Jahr nun erneut mit leeren Händen dasteht. Im Gespräch mit Volksstimme-Volontär Tobias Zschäpe erklärte Retting, wie er die Entscheidung des HVSA einschätzt und wagte bereits einen Ausblick auf die kommende Saison.

Volksstimme: Herr Retting, wie bewerten Sie die Entscheidung des HVSA, die Spielzeit bereits jetzt zu beenden?

Sebastian Retting: Ganz ehrlich: Ich denke, das ist eine schlechte Entscheidung. Die meisten Mannschaften haben in der Sachsen-Anhalt-Liga noch fünf Spiele offen, da wären zehn Pluspunkte möglich gewesen und es hätte noch viel passieren können. Man hätte es wie andere Verbände handhaben können und die Entscheidung noch ein wenig hinauszögern können. Beispielsweise bis zum 15. Mai. Dann wäre immer noch genug Zeit, um die Saison beispielsweise bis zum 30. Juni zu Ende zu spielen.

Sie haben also bis zuletzt auf eine Fortsetzung der Saison gehofft?

Mir wäre eine sportliche Entscheidung auf jeden Fall lieber gewesen. Ob nun, indem man die offenen Spiele austrägt, oder in Form eines Aufstiegsturnieres aller Mannschaften, die in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen für die Mitteldeutsche Handball-Oberliga gemeldet haben, darüber hätte man diskutieren können. Aber so finde ich die Entscheidung zu einfach. Wir hatten beispielsweise das bessere Torverhältnis als Wittenberg-Piesteritz und das direkte Duell gewonnen. Das alles wird jetzt vernachlässigt. Da wäre eine sportliche Entscheidung sicher fairer gewesen.

Ist eine frühzeitige Entscheidung aber nicht besser für alle Teams, als die Frist der Aussetzung immer weiter aufzuschieben?

Man hätte zumindest die Entscheidung vom DHB abwarten sollen, welche bis zum 19. April fallen soll. In den höherklassigen Ligen ist man sich noch nicht sicher, wie es weitergeht, da ist die Entscheidung in meinen Augen zu früh getroffen worden. Aber ich verstehe auch, dass den Verantwortlichen beim HVSA in den vergangenen Tagen sicher das eine oder andere graue Haar gewachsen ist und sie sich die Entscheidung nicht leicht gemacht haben. In meinen Augen ist es aber dennoch die falsche.

Sie und Ihre Mannschaft sind von der Entscheidung besonders hart betroffen. Hat das Einfluss darauf, wie sie den HVSA-Beschluss beurteilen?

Der Handball-Gott meint es offensichtlich nicht gut mit uns. Nachdem wir in der letzten Saison sportlich knapp gescheitert sind, stehen wir diesmal wegen höherer Gewalt mit leeren Händen da. Ich kann der Mannschaft aber keinen Vorwurf machen. Wir haben mit einigen wenigen Ausnahmen kaum Fehler gemacht und eine starke Saison gespielt. Natürlich kann man sagen, wenn wir zuletzt in Kühnau oder in der Hinrunde in Radis keine Punkte liegen lassen, stehen wir auf Platz eins. Das gleiche gilt, wenn wir die enge Partie in Wittenberg gewinnen. Aber wer weiß, was in den letzten Spielen passiert wäre. Deshalb wäre mir eine sportliche Entscheidung lieber gewesen.

Kann man die beiden verpassten Aufstiege miteinander vergleichen? Welcher trifft Sie persönlich und die Mannschaft härter?

Das kann man nur schwer miteinander vergleichen. Beide Fälle sind sehr ärgerlich, auch wenn es diesmal sportlich noch hätte klappen können. Aber vielleicht ist es am Ende gar nicht schlecht, ein weiteres Jahr Sachsen-Anhalt-Liga zu spielen. Da es nur Aufsteiger und keine Absteiger gibt, werden die Ligen in der kommenden Saison deutlich aufgestockt. Es wäre sicherlich sehr schwer geworden, auf einem Nichtabstiegsplatz zu landen, wenn am Ende fünf oder sechs Mannschaften wieder runter müssen. Gleichzeitig haben wir im kommenden Jahr dann kein höherklassiges Team, welches neu in der Liga ist.

Das Ziel ist für die kommende Saison also – getreu dem Motto „Alle guten Dinge sind drei“ – erneut der Aufstieg in die Mitteldeutsche Handball-Oberliga?

Das ist definitiv das Ziel, wenn nicht wieder etwas Unvorhersehbares dazwischen kommt.

Befürchten Sie, dass die Corona-Krise langfristige Auswirkungen auf den Sport hat?

Das wird sehr wahrscheinlich der Fall sein. Überhaupt gibt es derzeit noch viele offene Fragen, die auch die höherklassigen Teams betreffen. Beispielsweise, wie viel Sponsoren noch in den Sport investieren, wenn sie kurz zuvor auf Kurzarbeit umstellen oder Arbeitnehmer entlassen mussten. Selbst Mannschaftsrückzüge sind möglich. Das ist ein weiterer Grund, warum ich mit einer Entscheidung noch gewartet hätte.

Planen Sie dennoch bereits für die kommende Saison?

Ich denke, wir sind einer der wenigen Vereine, die schon relativ weit in der Planung für die Spielzeit 2020/2021 sind. Wir haben bereits einige Gespräche mit potentiellen Neuzugängen geführt, wovon aber noch nichts spruchreif ist. Natürlich können wir neuen Spielern nun statt der vierten nur die fünfte Handballliga anbieten, dennoch habe ich die Hoffnung, dass die Spieler sich davon nicht beirren lassen und wir bald Vollzug vermelden können.

Überwiegt im Rückblick auf die nun beendete Saison der Ärger über den erneut verpassten Aufstieg, oder doch die Freude über eine erneut starke Spielzeit?

Natürlich ist es ärgerlich, dass es wieder nicht für den ersten Platz gereicht hat. In Sachen Aufstieg ist es derzeit wie verhext bei uns. Dennoch bin ich froh, wie die Saison verlaufen ist. In den letzten Wochen und Monaten ist sehr viel Ruhe in den Verein eingekehrt und wir haben eine sportliche Kontinuität auf hohem Niveau hinbekommen.

Woran machen Sie diese fest?

Zum einen natürlich an der guten Platzierung, die wir auch diesmal wieder erreicht haben, zum anderen aber auch an den Erfolgen die sich im Training ergeben haben und auf der Platte widerspiegelten. Sebastian Scholz kümmert sich sehr intensiv um die Außenspieler. Eine solche intensive Schulung, wie in der zweiten Saisonhälfte, haben sie zuvor sicher schon lange nicht erlebt und machte sich auch in den vergangenen Partien bezahlt.