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Fußball SSV 80 Gardelegen belohnt sich

Das Landesklassepiel zwischen dem SV Liesten 22 und dem SSV 80 Gardelegen wird noch in Erinnerung bleiben.

Von Florian Schulz 05.06.2018, 01:01

Liesten l Diese Partie wird – in welcher Form auch immer – mit großer Wahrscheinlichkeit in die Geschichtsbücher der Fußball-Landesklasse, Staffel I, eingehen. Die 430 anwesenden Zuschauer werden sich noch lange daran erinnern, was zum Saisonabschluss im Liestener Waldstadion passierte. Nach einem 0:3-Halbzeitrückstand siegte der SSV 80 Gardelegen beim SV Liesten 22 noch mit 4:3 und belohnte sich mit dem lange ersehnten Staffelsieg sowie dem Aufstieg in die Landesliga.

„Solche Geschichten schreibt nur der Fußball“, waren sich nicht nur Kevin Riewe und Thomas Haak einig. Sie drückten als Fans dem SSV 80 Gardelegen die Daumen und konnten es kaum fassen, was zuvor in 93 spektakulären Minuten passierte. Dabei waren es die gastgebenden Liestener, die eigentlich die besten Karten im Titelkampf hatten.

Einerseits hatten sie den Heimvorteil, andererseits zwei Punkte Vorsprung auf den direkten Kontrahenten. Doch der SVL ließ sich nicht auf irgendwelche Rechnereien ein, ging direkt ein hohes Tempo und führte durch Tore von Matthias Wiese, Lucas Bresch und Marcin Galkowski mit 3:0. Der Elf von Trainer Michael Piotrowski konnte eigentlich nichts mehr passieren.

Wohlgemerkt eigentlich: Denn Gardelegen bewies eine ungeheure Moral. Schon im ersten Abschnitt spielte die Mannschaft von Coach Norbert Scheinert sehr ordentlich mit, nutzte gute Chancen durch Simon Bache oder auch Clemens-Paul Berlin – beide waren die Aktivposten im SSV-Spiel – allerdings nicht. Anders die Liestener, die zuvor aus vier Möglichkeiten drei Tore machten.

In den zweiten 45 Minuten wendete sich der Spieß. Dort übernahm Gardelegen das Heft des Handelns – erst recht nach dem ersten Strafstoßtor von Florian Scheinert. Die Gäste rochen Lunte, drückten weiter auf die Tempotube und belohnten sich mit weiteren Treffern von Scheinert (Elfmeter) und Berlin mit dem 3:3-Ausgleich. Selbst dieser Zwischenstand hätte Liesten gereicht, denn Tangermünde gewann „nur“ mit 5:2 in Havelberg und konnte das Piotrowski-Team im Torverhältnis nicht mehr einholen.

Die Zeit lief dem SSV davon. Drei Minuten ließ Schiedsrichter Tim Kohnert, der sich während der Partie mit einer streckenweise nicht zu erkennenden Linie keine echten Freunde bei den Rolandstädtern machte, nachspielen. Ein letzter langer Ball nach vorne war die perfekte Vorlage für den erst 19-jährigen Innenverteidiger Xaver-Dan Haak, der Keeper Dawid Szczerbik per Kopf zum 4:3 überlupfte. Auf SSV-Seite brachen nun alle Dämme, die Emotionen mussten raus. Kohnert pfiff nach diesem Tor direkt ab. Jubel pur auf Gardelegener, Frust und Fassungslosigkeit auf Liestener Seite.

„Ich bin unheimlich stolz auf die Jungs. Diesen Titel haben sie sich auch in einer schwierigen Situation hart erarbeitet“, freute sich SSV-Trainer Scheinert. Spartenleiter Jens Bombach fand ebenso kaum Worte: „Ich freue mich riesig. Das ist der Lohn für unsere jahrelange gute Nachwuchsarbeit.“ Bombach gratulierte nicht nur jedem Spieler, sondern vor allem auch Co-Trainer André Stolle.

„Danke, dass du immer dran geglaubt hast“, so der Sektionschef zum Assistenzcoach, der auch in schwierigen Zeiten immer den Kopf oben behielt und den Titelkampf niemals abschrieb. Siegtorschütze Haak war ebenso aus dem Häuschen: „Dieses Gefühl ist unbeschreiblich. Das erlebt man kein zweites Mal. Das schafft nur der SSV.“

Statt sich selbst zu zerfleischen und die Schuld untereinander in die Schuhe zu schieben, rückten die Gardelegener in der Halbzeitpause noch einmal zusammen und hauten nach dem Seitenwechsel noch einmal alles raus. „Die Jungs haben sich gepusht“, verriet Scheinert. Doch dass seine Mannschaft noch vier Treffer erzielen würde, damit hätte selbst der Trainer nicht gerechnet. Das sorgte nicht nur für Lob im eigenen Lager, sondern beispielsweise auch von Staffelleiter René Strach, der den Staffelsieger vor Ort ehrte. Seine Einschätzung: „Das war eine fantastische Leistung vom SSV. Ich wünsche ihm in der Landesliga alle Gute.“

Auch Axel Garz, Spielausschussvorsitzender im KFV Altmark West, war erstaunt: „Gardelegen hat alles richtig gemacht.“ Nun genießen die Rolandstädter nach den enormen Belastungen in den vergangenen Wochen ihre wohlverdiente Sommerpause und werden sich dann gezielt auf die Landesliga vorbereiten, in der natürlich zunächst einmal der Klassenerhalt ganz oben auf der Agenda steht.

Auch wenn dem SSV mit seiner gesunden Mischung im Kader womöglich auch mehr zuzutrauen ist. Daniel Burkardt, der die Landesliga noch aus Bismarker Zeiten kennt, meint: „Ich denke schon, dass wir das Zeug haben, im Mittelfeld mitzuspielen.“

In Liesten (Michael Piotrowski: „Wir hatten nach der Pause scheinbar Angst vor der eigenen Courage“) wird dagegen womöglich noch ein paar Tage getrauert, dann aber in der neuen Spielzeit wieder ganz oben in der Landesklasse angegriffen. „Wenn man so kurz vor dem Ziel abgefangen wird, ist es schon extrem brutal. Das muss man erst einmal sacken lassen. Der Mannschaft sowie auch dem Trainer kann ich aber keinen Vorwurf machen. Wir werden aus dieser Situation unsere Lehren ziehen und uns besser aufstellen“, machte SVL-Sektionsleiter Mario Schulz deutlich.

„Glückwunsch an den SSV, denn wenn es eine Mannschaft aus unserem Kreis verdient hat aufzusteigen, dann die Gardelegener“, schob Schulz anerkennend hinterher. Für die Mannen um Kapitän Matthias Wiese beginnt die Sommerpause erst etwas später, denn sie bestreiten am Sonnabend auf der Salzwedeler Flora noch das Kreispokalendspiel gegen den Ligakonkurrenten FSV Heide Letzlingen.

„Diesen Trostpreis wollen wir uns zumindest noch holen“, verriet Coach Piotrowski. Zumindest einmal – wenn auch vielleicht nicht so stark wie der SSV 80 Gardelegen am Sonnabend – möchte der SV Liesten 22 in dieser Spielzeit auch noch jubeln.