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Fußball Thomas Weise: Mannschaften müssen trainieren

Thomas Weise ist seit dem 8. November 2019 Präsident des 1. FC Lok Stendal. Er steht im Interview Rede und Antwort.

Von Thomas Wartmann 09.11.2020, 00:01

Stendal l Der 1. FC Lok Stendal blickt auf einen durchwachsenen Start in die vierte Oberligasaison. Vor dem letzten Heimspiel gegen Blau-Weiß Berlin wandte sich Lok-Präsident Thomas Weise in einem offenen Brief an Fans, Mitglieder und Unterstützer. Die Volksstimme unterhielt sich mit Thomas Weise über die aktuelle Situation.

Volkstimme: Herr Weise, vor dem Spiel gegen Blau-Weiß Berlin ließen Sie über den Facebook-Account des Vereins einen offenen Brief veröffentlichen. Warum zu diesem Zeitpunkt?

Thomas Weise: Für November 2020 war die jährliche Mitgliederversammlung des 1. FC Lok Stendal geplant. Dort war eine umfangreiche Berichterstattung und Aussprache über die letzten Monate vorgesehen. Es ging darum, den Mitgliedern zu zeigen, wo wir stehen und Halbwahrheiten und Falschinformationen richtig zu stellen und dabei nichts unter die Decke zu kehren. Transparenz ist wichtig, vor allem, weil wir zu Beginn des ersten Lockdowns zu lange sprachlos waren. Die aktuell ständig steigenden Infektionszahlen durch das Corona-Virus machten uns leider einen Strich durch die Rechnung. Der Vorstand musste reagieren. Daher fassten wir den Beschluss, uns direkt mit einem offenen Mitgliederbrief an alle Vereinsmitglieder, Fans, Förderer aber auch Kritiker zu wenden. Für mich war es dabei wichtig, das unmittelbar vor unserem Heimspiel zu machen.

Wie sind Sie mit der Lage im Verein und im Speziellen mit der sportlichen Situation der ersten Männermannschaft zufrieden?

Die aktuelle sportliche Situation unserer Oberligamannschaft kann uns nicht zufriedenstellen. Allerdings kann ich nach einer holprigen Vorbereitung, dem Weggang von gestandenen Leistungsträgern und der Integration neuer junger Spieler, eine Festigung erkennen, die leider noch nicht in Siegen zu messen ist. Es fehlten die Zeit und die Vorbereitungsmöglichkeiten, aber die mannschaftliche Leistung, die gegen Blau-Weiß Berlin in der zweiten und gegen Stern 1900 in der ersten Halbzeit gezeigt wurde, machen zuversichtlich. Es fehlt aktuell noch die Kraft, 90 Minuten Vollgas zugeben. Die Jungs werden ihre Siege einfahren, wenn wir wieder spielen dürfen.

Worauf sind Sie nach einem Jahr Arbeit im Verein stolz, worüber sind Sie weniger zufrieden?

Ich bin auf vieles stolz. Wir sind mittlerweile ein starkes Team im erweiterten Vorstand sowie den Trainern und Betreuern im Männer- und Nachwuchsbereich. Besonders bei der Gewinnung von neuen Unterstützern für unseren Verein, konnten wir schon einige Erfolge verbuchen. Es bleibt natürlich noch weiterhin viel Arbeit, die wir zukünftig angehen wollen. Zum Beispiel eine Fußballschule für unseren Nachwuchs, ein Online-Shop für unsere Fans, der weitere Ausbau unserer Werbepartnerschaften und ein intensiverer Austausch mit unseren Mitgliedern und Fans.

Sie sagen in dem offenen Brief, dass die finanzielle Situation des Vereins ein „Weiter so!“ nicht zugelassen habe. Wie schlecht sah es denn aus?

Die geplanten und realen Ausgaben waren höher, als die avisierten Einnahmen. Wir mussten reagieren.

Woran lag es Ihrer Meinung, dass es zu dieser finanziellen Situation kam?

Wenn ich mit meinem Verein in einer bestimmten Liga spielen möchte, muss ich sorgfältig planen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Mitteln ich dieses Ziel erreichen kann. Wenn dann durch Ausbleiben von sportlichen Erfolgen in der Liga und dem frühen Ausscheiden aus dem Pokal weniger Zuschauer ins Stadion pilgern und es mir nicht gelingt, wegbrechende Sponsoren durch neue zu ersetzen, kommt es unweigerlich zu einer Unterdeckung im Etat.

Hat denn die Corona-Pause die Situation nicht noch verschlechtert?

Die Corona-Pause hat diese Situation noch verschärft. Beantragte und bewilligte Fördermittel und die riesige Unterstützung unserer Fans, waren sehr wichtige Hilfen, konnten aber die Verluste durch den Lockdown nicht vollständig ersetzen.

Das Ziel des Vorstandes ist es, neue Förderer für den Verein zu finden. Wie sieht es da ganz konkret aus?

Wir haben den Bereich zur Gewinnung von Förderern des Vereins im erweiterten Vorstand massiv verstärkt. Wir reden nicht mehr nur von Sponsoren, sondern von Werbepartnern. Es ist keine Einbahnstraße mehr, wenn man den 1. FC Lok Stendal finanziell unterstützt. Gut zu erkennen ist dieses verstärkte Engagement an unseren neuen Werbetafeln im Stadion „Am Hölzchen“, wo zukünftig noch weitere hinzukommen werden. Ganz besonders möchte ich in diesem Zusammenhang auch an unseren langjährigen Partner, die Kreissparkasse Stendal, erinnern. Wir feiern in dieser Saison bereits Silberhochzeit in unserer Zusammenarbeit.

Bisher gab es oft Vorwürfe zu hören, dass bei Lok viel Geld in die erste Mannschaft fließt, aber für die Zweite und den Nachwuchs nichts bleibt. Wie stehen Sie dazu, was haben Sie da eventuell bereits geändert?

Wir sehen den Verein immer als Ganzes. Elf Jugendmannschaften, die durchgängig in den höchsten Klassen des Landes spielen, bekommen sie nur, wenn sie eine starke erste Männermannschaft haben. Und eine starke erste Männermannschaft wird sich langfristig nur halten, wenn sie eine starke Jugend ausbilden, die es ermöglicht, jedes Jahr bestenfalls zwei bis drei Spieler aus der A-Jugend zu integrieren. Daher ist es wichtig, die Mittel die uns zur Verfügung stehen, gerecht in den einzelnen Bereichen einzusetzen und niemanden zu bevorteilen.

Dazu passt Ihre Aussage im Brief, dass Sie mit Blick auf die erste Mannschaft einen vernünftigen wirtschaftlichen Rahmen nicht sprengen wollen und sich nicht auf ein Wettbieten mit anderen Vereinen einlassen wollen. Wie sieht es denn da genau aus, über welche Größenordnung reden wir da?

Wir wollen langfristig eine Mannschaft mit Spielern aus der Region bilden, die durch externe Leistungsträger ergänzt wird. Wichtig ist dabei immer auch das perspektivische Einbinden der Spieler aus dem eigenen Nachwuchsbereich. Die finanzielle Größenordnung orientiert sich immer an den möglichen Einnahmen, die in einer Saison zu erwirtschaften sind. Und da kommt es eben vor, dass wir die neben den normalen Gehältern fälligen Aufwandsentschädigungen für lange Anreisen zum Beispiel, nicht in jeder Höhe zahlen können. Dann spielt eben ein guter Spieler lieber vor der Haustür eine Klasse tiefer, als bei uns.

Lok hat derzeit eine Mannschaft auf dem Platz, die durch Zugänge aus dem Nachwuchs und aus der Region aufgefüllt wurde. Gerade offensiv scheint die Durchschlagskraft noch zu fehlen. Mit der jetzigen Philosophie geht man das Risiko des Abstieges auch bewusst ein, oder?

Ja, dieses Risiko besteht. Aber auch mit früheren Mannschaften gab es keine Gewissheit für einen Klassenerhalt. Wenn man sich die bisherigen drei Oberliga-Saisons anschaut, ging es immer bis zum letzten Spieltag um den Nichtabstieg. Es gibt keine Garantie für einen Verbleib in der Oberliga. Das war uns vor dem Beginn der Saison klar und wurde auch offen mit Trainer, Mannschaft und Vorstand kommuniziert. Wir hatten aber nicht vor, kampflos die Flinte ins Korn zu werfen und gleich eine Klasse tiefer anzutreten. Der scheinbar einfachere Weg war für uns keine Option und wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass sich mit unseren Grundtugenden die Klasse halten lässt.

Uwe Balliet ist neuer Jugendleiter bei Lok. Wie kam es dazu?

Mit meinem Antritt als Präsident des 1. FC Lok Stendal war klar, dass wir die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen müssen. Dabei ging es nie um eine Kritik an den Personen, die die gesamte Last bisher allein getragen hatten, sondern um eine Steigerung der Effizienz. Beide Söhne von Uwe Balliet engagieren sich im Verein als Spieler und Trainer. Auch Uwe war für seinen langjährigen Einsatz und dem daraus resultierenden Wissen und seinen Verbindungen bekannt. Daher sind wir sehr froh, ihn für diese Aufgabe gewonnen zu haben.

Wie wollen Sie es schaffen, aus der eigenen Jugend verstärkt oberligataugliche Spieler zu gewinnen?

In enger Zusammenarbeit und durch Initiative unserer Jugendtrainer wurde ein Nachwuchskonzept erarbeitet. Dieses gilt es jetzt umzusetzen, um die Möglichkeiten zu nutzen, auch Spieler auszubilden, die dann den Sprung in unsere erste Männermannschaft schaffen.

Wenn Sie sich was wünschen könnten, welchen Etat hätten Sie gern für den Verein und wie würden Sie ihn über die Abteilungen verteilen?

Das Leben ist leider kein Wunschkonzert, aber ein um 30 % höherer Jahresetat würde unsere Arbeit deutlich erleichtern. Dieser würde auch wie bisher, gerecht auf die einzelnen Abteilungen des Vereins verteilt werden.

Wie weit sind Sie davon noch entfernt?

Ein gutes Stück des Weges haben wir schon erreicht, der erneute Lockdown macht es uns allerdings nicht gerader leichter. Aber natürlich sollte man sich im Klaren sein, dass auch wir die Gesundheit aller zu schützen haben. Da muss die „schönste Nebensache der Welt“, der Fußball, hintenanstehen.

Nach dem vorerst letzten Spiel in Berlin waren Sie noch mit dem Vorstand bei der Mannschaft. Haben Sie sich nur vorerst verabschiedet oder gab es mehr zu besprechen?

Ja, nach dem Spiel bei Stern 1900 suchten wir sofort das Gespräch mit den Trainern und der Mannschaft. Noch in der Umkleidekabine haben wir mitgeteilt, dass wir hinter der Mannschaft und dem Trainerteam stehen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass der Trainingsbetrieb, sowohl der Männermannschaften, als auch unserer Nachwuchs-Teams wieder aufgenommen werden kann. Wir verstehen es nicht, dass in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern trainiert werden darf und bei uns nicht.

Eine Fußballmannschaft kann man nicht einfach aus- und wieder anschalten. Wir brauchen das regelmäßige Training, ansonsten ist ein Neustart nicht ohne weiteres möglich.