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Sporthistorie Die Sporthalle Haferbreiter Weg im Portrait

In einer weiteren Folge der historischen Stendaler Sportgeschichte geht es in dieser Ausgabe um die Sporthalle Haferbreiter Weg.

Von Jörg Hosang 12.06.2020, 03:00

Stendal l Von der Viehhalle zur Sporthalle. Die Geschichte der heutigen Sporthalle am Haferbreiter Weg beginnt im Jahr 1912 mit den Eröffnungsfeierlichkeiten am 4. und 5. Juli als Vieh- und Auktionshalle.

Im Jahr 1910 wurde der Gedanke dieses zu erbauende Gebäude für die Provinz Sachsen in Preußen nach Stendal zu holen in der Stadtverwaltung aufgegriffen. Die Altmark war seinerzeit das größte Viehzuchtgebiet in dieser Provinz. Um dieses Projekt zu realisieren, waren erhebliche finanzielle Mittel aufzubringen. Mitentscheidend war aber auch das zähe geduldige Verhandeln des Stendaler Magistrats, um die lockenden Anerbietungen konkurrierender Großstädte bei den zuständigen Landesbehörden in die Schranken zu verweisen.

ervorzuheben sind hier besonders Bürgermeister Gerloff und Stadtbaurat Krüger, der besonders für die Anpassung dieses Gebäudes an die Marktzwecke in der Gestaltung der Empore, Fußboden, Stallung usw. verantwortlich zeichnete. Nun wissen wir, wer für das innere Aussehen der heutigen Sporthalle verantwortlich war. Die Beschreibung der Feierlichkeiten und die weitere Entwicklung dieser Vieh- und Auktionshalle würde hier am Thema vorbeigehen, darum wenden wir uns jetzt der sportlichen Geschichte dieser Halle zu.

Die meisten ehemaligen und aktuellen Stendaler denken bestimmt, ich wusste es vorher auch nicht besser, dass die sportliche Geschichte dieser Halle in der DDR beginnt. Dem ist aber nicht so. Der erste schriftliche Nachweis, dass die Vieh- und Ausstellungshalle auch sportlich genutzt wurde, stammt aus dem Einweihungsjahr 1912. Es verging also nicht viel Zeit bis Stendaler Sportvereine die Vorzüge einer solchen großen Halle für ihren Sportbetrieb erkannten. Sporthallen gab es in jenem Jahr vier an der Zahl in unserer Stadt. Die älteste war die private Turnhalle der großen Gastwirtschaft Hartje (auch als Stadttheater bekannt) im Wüste Worth, die auch lange als Schulturnhalle genutzt wurde.

Diese Sporthalle entsprach aber längst nicht mehr den Anforderungen. Dazu kamen die Schulturnhalle des Gymnasiums, die kleine Halle der Petrischule und die Schulturnhalle an der Schützenstraße, die ehemalige Reitbahn. Wie etliche historische Dokumente belegen, reichten diese Räumlichkeiten längst nicht aus, um alle Bedürfnisse des Stendaler Turnunterrichts und der Turn- und Sportvereine zu befriedigen.

Als erster Turnverein (TV) der sich die neue Halle zu nutzen machte, war der Turnverein Friesen. Dieser Verein, der sich zu dieser Zeit noch als „Verein der Kaufleute und Beamten“ verstand, hatte wohl die besten Beziehungen, um als Erster die Chance zu nutzen, die Viehhalle sportlich zu nutzen. So erhielt der Verein vom Magistrat die Genehmigung sich an Sonntagnachmittagen in der Halle sportlich zu betätigen. Da ja in der Woche die Viehhalle oft als solche genutzt wurde, fragt man sich heute, wie der Turnverein mit den Hinterlassenschaften der Tiere auf dem Boden umgegangen ist. Anzunehmen ist, dass diese natürlich vorher weggeräumt wurden. Der Geruch in der Halle war aber bestimmt nicht immer angenehm. Die damaligen Sportler waren diesbezüglich, wie auch Beispiele anderer historischer Sportstätten belegen, wohl hart im Nehmen.

Die sportliche Nutzung der Halle durch den TV Friesen bekamen natürlich auch andere Stendaler Turnvereine mit und wollten das gleiche Privileg in Anspruch nehmen. So beschwerte sich der Turnverein Jahn, dass er für seine Mitglieder nicht genügend Zeiten in einer Turnhalle, hier speziell die Turnhalle Schützenstraße, bekam und verwies darauf, dass der TV Friesen neben dieser Turnhalle auch die Viehhalle nutzen kann. Durch das Studium von zahlreichen historischen Akten, konnte ich bisher aber keine bewusste Bevorzugung und Benachteiligung eines Sportvereins erkennen.

Die erste Nutzung der Viehhalle als Schulturnstätte ist ein Jahr später für 1913 nachgewiesen. Im Dezember dieses Jahres wurde in der Turnhalle Schützenstraße eine Ausstellung durchgeführt. Viele ehemalige Schüler der Diesterwegschule kennen ja den Weg zur Turnhalle am Nordwall (ehemals Schützenstraße). Die Kinder fast sämtlicher Schulen nutzten damals diese als Schulturnhalle. Als Ausweichquartier wurde nun für eine Übergangszeit eben die Viehhalle genutzt.

Das erste große Sportereignis in der damaligen Vieh- und Ausstellungshalle sollte dann nach dem Ersten Weltkrieg stattfinden. Es war nicht nur für Stendal, sondern für die ganze Provinz Sachsen in Preußen bedeutend. Am 20. August 1922 fand das 1. Kreis-Frauen-Turnfest in unserer Heimatstadt statt. Das bedeutete für Stendal durchaus eine Auszeichnung für ihre bisherigen sportlichen Tätigkeiten, auch besonders im Frauensport. Begonnen wurde das Frauenturnfest einen Tag vorher mit einer Festveranstaltung in Klinkaus Festsälen. Wer es nicht weiß, von den großartigen Sälen ist nichts mehr vorhanden. Sie wurden im 2. Weltkrieg zerstört oder danach abgerissen. Nur das Fronthaus, Schadewachten 20, steht noch. In der Ansprache auf der Festveranstaltung des 1. Kreis-Frauen-Turnfestes hieß es: „Blutarmut, Herzübel, Schädigung der Atmungsorgane, Nervosität, allgemeine Körperschwäche das – für all diese Übel gibt es nur ein durchgreifendes Gegenmittel: Leibesübungen treiben!“ Das gilt durchaus noch heute. Und der Vorsitzende der Stendaler Turnerschaft führte u.a. an die Turnerinnen aus: „Die Zeit ist vorüber, wo man mit lächerlichen Blicken Euren Uebungen zuschaute. Alle Vorurteile und Formen sind gebrochen. Ihr selbst habt erkannt, daß man Sport treiben muß, um den Körper frisch, stark und geschmeidig zu machen.“

Die Wettkämpfe, unter Leitung des rührigen Herrn Dounz (Anm.: Vorsitzender TV Friesen), begannen am Sonntag schon früh um 6:30 Uhr. Ein damals gängiger Beginn von sportlichen Wettkämpfen. Bei Veranstaltungen der Männer ging es oft schon um 6:00 Uhr los. Selbst wenn man am Abend vorher bis in die späten Nachtstunden die Eröffnungsveranstaltungen durchführte. Für die Damen waren folgende Wettkämpfe in der Viehhalle aufgerufen: Neunkampf der in Ober- u. Unterstufe, Pflicht- u. Kürübung an Reck und Barren, eine Pflichtübung am Pferd, eine Pflichtfreiübung; außerdem Weitsprung, Kugelstoßen und 75m Lauf. Weitere Wettkämpfe: Vierkampf Jahrg. 1892 u. älter (je 1 Pflicht-Reck-, Barren-, Pferd- u. Freiübung); Dreikampf in 2 Stufen (Hochsprung, Kugelstoßen, 75m Lauf). Am Nachmittag ging es für die Damen mit einem Festumzug vom Wernerplatz zum Sportplatz im Bürgerpark, wo turnerische Vorführungen, Spiele und Staffelläufe durchgeführt wurden. Mit diesem 1. Kreis-Frauen-Turnfest hatte die damalige Viehhalle seine erste große sportliche Taufe bestanden. (Die Ergebnisse der Stendaler Turnerinnen bei diesem Turnfest sind am Ende angefügt.)

Fast als logische Konsequenz fanden in der Viehhalle auch Pferdesportveranstaltungen statt. Als Beispiel sei hier das Reit- und Fahrturnier des Stendaler Pferdesportvereins im Juni 1923 genannt. Ursprünglich war dieses Turnier auf dem in unmittelbarer Nachbarschaft neu angelegten Turnierplatz geplant. Heute ist diese Fläche durch einen Discounter belegt. Durch schlechtes Wetter sah man sich aber gezwungen den großen Teil der Wettbewerbe in der Viehhalle durchzuführen.

Neben dem TV Friesen konnten in folgenden Jahren auch andere Stendaler Turn- und Sportvereine die Viehhalle als Sportstätte nutzen. Z. B. führten die Mitglieder des FC Viktoria Stendal zur Vorbereitung der Festveranstaltung zur Stadionweihe im September 1929 einige Übungsabende in dieser Halle durch. Im selben Monat war der Sportverein „Stern 1894“ Stendal Veranstalter für die zweite Hälfte seiner Wettkämpfe im Ringen, Heben, Boxen und Leichtathletik anlässlich der Feierlichkeiten seines 35jährigen Bestehens in der Viehhalle. Dazu traten viele Athleten aus der Provinz Sachsen und aus Brandenburg an.

Abschließend sollen noch zwei Beispiele von sportlichen Veranstaltungen vor dem 2. Weltkrieg in der Viehhalle genannt sein. So führte der TV Friesen im Jahr 1931 eines seiner jährlichen Schauturnen in der Viehhalle durch. Die Turnhalle am Nordwall war dafür schon etwas eng geworden, denn der Verein konnte eine stattliche Anzahl Mitgliedern vorweisen. Der Männer-Turn-Verein Stendal-Röxe von 1861 (die MTV Stendal v. 1861 und MTV Röxe hatten sich 1934 vereinigt) führte im Rahmen seiner Festveranstaltungen zum 75. Vereinsjubiläum 1936 ein großes Schauturnen in der Vieh- u. Ausstellungshalle durch.

Die aufgeführten Beispiele zeigen, dass es aus der Geschichte dieser Halle logisch erscheint, diese Halle in der DDR nur noch als Sporthalle zu nutzen. Der Bedarf als Schul- und Vereinsporthalle war ja mehr als gegeben.

Aus Platzgründen sollen hier nur einige Veranstaltungen aus der DDR-Zeit angeführt werden. Vielen werden noch die großen Box-Veranstaltungen im hinteren Ring der Halle in Erinnerung sein. Tausende Zuschauer wohnten den Boxkämpfen bei. Eine Kegelbahn wurde angebaut, die heute noch eifrig genutzt wird. Fußballturniere, noch auf Schlacke, wurden durchgeführt, und natürlich etliche Leichtathletikveranstaltungen.

Im September 1995 wurde nach zweijähriger Modernisierung das Hauptschiff der Halle übergeben. So bestehen jetzt für den Schul- und Vereinssport viel bessere Bedingungen. Auch die Fitnessräume der Kraftsportler wurden inzwischen modernisiert.