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Handball Flexibilität ein Vorteil im Handball

Die Volkstimme veröffentlicht in loser Folge eine Reihe von Regelfragen in der Sportart Handball

Von Florian Bortfeldt 17.12.2020, 04:00

Wernigerode l Dem groben Überblick zu den Regeln folgen im zweiten Teil zur Vorstellung der Mannschaftssportart Handball einige taktische Grundformen und die bekanntesten Spielsysteme. Der Erfolg in Angriff und Abwehr setzt grundsätzlich nur als Verbund einsetzt. Es ist eine platte aber zutrfennde Phrase, dass alle gespielten Systeme von den einzelnen Spielern und deren physischer und mentaler Handlungsschnelligkeit leben. Die beiden Trainer Jens Kaufmann vom Männer-Verbandsligisten HV Wernigerode und Ljuba Kolomiyets vom Frauen-Bezirksliga-Team HT 1861 Halberstadt helfen bei der Einordnung.

In der Abwehr wird in defensive und offensive Varianten unterschieden. Das ist die defensivste Möglichkeit, gern auch als „Riegel“ bezeichnet. Alle Spieler bewegen sich im Raum zwischen der Sechs-Meter-Linie bis sieben, acht Meter. „Diese Art wird generell sehr oft und gern gespielt, sowohl in der Bundesliga als auch im Amateurbereich“, erklärt Jens Kaufmann. „Die Vorteile: kompaktes Deckungssystem, was auch mal Fehler verzeiht.“ Ein 6:0 wird meist gegen Gegner gespielt, die stark im 1-1 sind und/oder weniger Gefahr aus dem Rückraum ausstrahlen.

Hier bewegen sich fünf Spieler zwischen sechs und sieben, acht Metern. Ein Spieler ist der Vorgezogene und versucht bei acht bis zehn Meter den mittleren Aufbauspieler des Gegners bzw. den Spielaufbau zu stören. Bei Ballgewinn kann ein schneller Gegenangriff eingeleitet werden. Kaufmann: „Das sieht man in der Bundesliga, aber auch in allen anderen Ligen. Es ist wohl die beliebteste Variante.“ „Bei den HT-Frauen bevorzugen wir das 5:1. Das habe ich schon so gelernt, als ich noch für Motor Saporoshje in der Ukraine gespielt habe“, ordnet Ljuba Kolomiyets ein. „Das verlangt aber einen sehr guten Vorgezogenen, der Kraft und Kondition mitbringt und mitdenken ist auch nicht verboten. Der Spieler oder die Spielerin in der Mitte dahinter muss dazu mit dem Vorgezogenen ständig kommunizieren. Wenn derjenige da vorne richtig gut arbeitet, können die anderen sogar Kräfte sparen.“

Waren das 6:0 und 5:1 defensives Verteidigen, so agiert man beim 1:5 offensiv. Ein Spieler bewegt sich am Sechs-Meter-kreis und die anderen fünf stehen vorgezogen auf etwa acht bis zehn Meter. „Das sieht man fast nur im Jugendbereich“, weiß Kaufmann. „Weil es da ein probates Mittel ist, um den Spielaufbau zu stören. Im Erwachsenbereich ist es fast nicht zu spielen, weil die Abstände zueinander zu groß sind.“ Das 1:5 wird auch teilweise im Jugendbereich von den einzelnen Verbänden vorgeschrieben, um das 1-1-Verhalten zu schulen, genau wie eine 3:3- oder komplette Manndeckung.

Noch offensiver ist diese Art, in der Fachliteratur auch als „jugoslawisch“ bezeichnet. Drei Spieler bewegen sich am Sechs-Meter-Kreis, zwei Spieler stehen bei etwa acht bis zehn Metern und versuchen den gegnerischen Rückraum bzw. die Halbspieler zu stören. Ein Spieler bewegt sich zwischen neun und elf Metern und versucht, den Spielaufbau des gegnerischen Spielmachers oder einen Durchbruch im Zentrum zu unterbinden. „Das sieht man relativ oft in den Bundesligen. Wer es als Mannschaft drauf hat, kann es auch in den Amateurligen durchführen“, beschreibt Kaufmann und weist darauf hin, dass „dieses Deckungssystem sehr anspruchsvoll ist und viel Beweglichkeit und schnelles Umdenken bedarf“. Alle Abwehrspieler sind permanent in Bewegung und müssen als Verbund verschieben. Gleiches gilt beim 4:2: Hier spielen vier Akteure vor der Sechs-Meter-Linie und die beiden Halbpositionierten links und rechts spielen vorgezogen bei ca. acht bis zehn Metern. Den gegnerischen Rückraumspielern soll dabei das Angriffsspiel so schwer wie möglich gemacht werden.

Neben den zahlreichen Systemen im Raum gibt es die sehr offensive Manndeckung. „Wenn es zum Ende einer Partie mal ganz eng wird, ist dies die beliebteste und effektivste Form“, sagt Kaufmann. Die Manndeckung stellt vor allem im Nachwuchsbereich eine feste Säule dar, denn in diesem Altersbereich (sechs bis zwölf Jahre/d. Red.) steht die Schulung der individuellen Abwehrarbeit im Vordergrund. Die Grundlagen sind einfach zu vermitteln: Es gibt eine direkte Zuordnung, es ist eine mannorientierte Spielweise, jeder Abwehrspieler ist einem Angreifer fest zugeteilt. Die Raumdeckung ist dem Alter entsprechend simpler, (komplexe) Absprachen mit den Mitspielern sind nicht oder kaum nötig.

„Meine Mannschaft beim HVW kann eigentlich alle Spielsysteme spielen, die gängigsten bis Richtung Oberliga-Handball sind 6:0, 5:1 und 3:2:1, gelegentlich auch mal eine Manndeckung“, fasst Kaufmann zusammen.

Die Universalvariante im Handball, die allgemein am weitesten verbreitet ist und am häufigsten genutzt wird. Klassisch mit einem Kreisspieler, der sich vor dem Sechs-Meter-Raum bewegt, Sperren stellen kann oder nach Zuspielen aus dem Rückraum oder den Außen selbst zum Torabschluss kommt. Das angreifende Team hat mit dieser Form auch jederzeit die Möglichkeit, aus dem Rückraum durch die Halbpositionierten zum Abschluss zu kommen. Weil beide Außenpositionen besetzt sind, kann das Spiel breit gestaltet werden.

Schon deutlich offensiver ist diese Möglichkeit mit drei Angreifern zwischen sechs und etwa acht Metern sowie den anderen drei hinter der Neun-Meter-Linie. Dieses System macht nur Sinn, wenn man einer offensiven Deckung mit mindestens zwei Vorgezogenen gegenübersteht. Von allen Angreifern wird viel Athletik und Beweglichkeit verlangt, da mehr Freiräume zur Verfügung stehen. Der Abschluss aus der Nahwurfzone ist das primäre Ziel.

Im Grunde gelten hier die gleichen Eigenschaften wie beim 3:3. Es ist eine offensive Art, die Übergänge an den gegnerischen Kreis schaffen soll. Teams, die mit zwei Kreisspielern agieren, strahlen meist weniger Gefahr aus dem Rückraum aus, womöglich weil sie körperlich unterlegen und die Erfolgsaussichten per Fernwurf gering sind. Dieser Nachteil kann durch schnelle und bewegliche Akteure in der Nahwurfzone ausgeglichen werden.

Dann gibt es noch das „Empty Goal“. Seit 2016 gibt es eine Regeländerung, die zu einem modernen, athletischen, variantenreichen und schnellen Handball beitragen soll. Sie ermöglicht der angreifenden Mannschaft, den Torhüter gegen einen Feldspieler zu tauschen, ohne diesen auf dem Feld gesondert kennzeichnen zu müssen. So schafft das Angreifer-Team mit dem siebten Feldspieler eine Überzahlsituation. Es bietet dem Angreifer-Team viele Optionen, ist aber durch den Wechsel auch mit Risiko verbunden. Diese Variante wird oft genutzt, wenn das angreifende Team in Unterzahl ist (dann wieder als 6:6), um personell auszugleichen.

In jedem Fall ist hier schnelles Umschalten und große Aufmerksamkeit grundlegend. Jeder Spieler sollte seine Laufwege und Aufgaben wissen, um aus der Überzahl (oder Gleichzahl) keinen offensichtlichen Nachteil zu machen. Denn bei Ballverlust hat es die Abwehr leicht, den Ball direkt ins verwaiste Tor zu befördern. Das 7:6 ermöglicht aber für beide Seiten einfache Tore. Weil es taktisch, konditionell und mental große Disziplin braucht, sieht man es oft nur in den Bundesligen. Kolomiyets sieht hier Vor- und Nachteile: „Der Spieler, der für den Keeper kommt, muss immer rechtzeitig wieder raus, die richtige Seite muss berücksichtigt werden und es muss klar sein, welche Kombination gespielt wird. Im Amateurbereich sieht man das eher selten.“

Kaufmann macht noch einmal klar, dass alle Systeme richtig einstudiert werden müssen. „Das heißt im Klartext: Dreimal die Woche konzentriert und motiviert in die Trainingseinheiten zu gehen, was im Amateurbereich nicht immer einfach ist!“

Abschließend übermitteln beide Trainer Grüße an Fans, Sportler, Trainer und Ehrenamtliche in ihren Vereinen. „Wir hoffen, dass es Corona bald wieder zulässt, uns in unserer Hallen gesund und voller Tatendrang wieder zu sehen!“