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Tennis Kleefeld: Ich fühle mich 75 Jahre jung

Doppelten Grund zum Feiern hatte Peter Kleefeld vom SV Lok Blankenburg.

Von Ingolf Geßler 10.01.2021, 17:33

Blankenburg l Im Kreise seiner Familie wurde nicht nur das Weihnachtsfest begangen, der begeisterte Tennisspieler feierte auch seinen 75. Geburtstag. Volksstimme-Redakteur Ingolf Geßler unterhielt sich kurz vor den Feiertagen mit dem Jubilar.

Die Corona-Pandemie hat das Leben lahm gelegt. Wie feierst Du Weihnachten und auch Deinen Geburtstag?

Peter Kleefeld: Heimlich, still und leise zu Hause zusammen mit meiner Familie. Ich weiß wirklich nicht genau, wieviele Leute aktuell gemeinsam feiern dürfen. Früher hatten wir einen größeren Familienkreis mit 24 Personen, der kleine liegt jetzt bei acht. Zwei arbeiten als Krankenschwester, einer als Busfahrer, einer im Einkaufsmarkt – sie alle haben mit den Hygienevorschriften zu tun. Sie glauben auch, dass ich noch nicht gefährdet bin. Die größeren Feierlichkeiten holen wir dann später nach.

Du spielst auch mit 75 Jah­ren noch aktiv Tennis? Fehlt Dir durch die aktuelle Zwangspause etwas?

Ja, selbstverständlich. Im Sommer stehe ich drei Tage die Woche auf dem Platz. Das geht los am Dienstagvormittag mit dem Seniorentraining, eine Truppe älterer Herren, die ich mal eingeführt habe. Mittwochs zum Herrentraining gehen wir auch, wer Lust und Laune hat. Ebenfalls am Mittwoch und am Freitag betreue ich die Kindergruppe. Ich komme also auf vier Trainingseinheiten im Sommer, das reicht für mich. Im Winter spielen wir einmal pro Woche in der Halle, aktuell ist auch das nicht möglich.

Stattdessen heißt es im Moment Laub kehren. Unsere Anlage liegt ja mitten im Wald und wir haben jetzt auch keinen Ein-Euro-Jobber mehr. Es kann sich keiner vorstellen, wieviel Laub das ist, das sind Hunderte Karren. Je mehr Laub ich jetzt von den Plätzen hole, umso schneller trocknen diese im Frühjahr. Solange es nicht regnet, bin ich jeden Tag dort, immer an der frischen Luft. Es kommt auch öfter mal einer vorbei zum quatschen. Durch die Asylanten in der Jugendherberge ist dort ohnehin im Moment eine Menge los. Es gab schon eine große Protestbewegung dagegen, obwohl alles sehr friedlich abläuft.

Ansonsten bin ich mit meiner Frau auch viel Wandern, ich lerne Gegenden um Blankenburg kennen, die ich noch nie gesehen habe. Zum Beispiel die Teufelsmauer in Richtung Weddersleben, das war sehr interessant, auch ein paar Ecken in und um Börnecke. Ich bin auch zum ersten Mal in meinem Leben die Teufelsmauer nicht vom Großvater aus gegangenen, sondern von der anderen Seite – gar nicht gut, das werde ich nicht noch einmal machen.

War es rückblickend die richtige Entscheidung des Tennisverbandes Sachsen-Anhalt, die Winterrunde vorzeitig abzubrechen?

Das Schlimme war meiner Ansicht, die Winterrunde überhaupt fortsetzen zu wollen. Ich war selbst für die Herren 60+ beim Blankenburger TC eingeplant und habe von Anfang an gesagt: „Leute, das wird nichts mit den Punktspielen.“ Ich hatte auch keine Lust, unter diesen Umständen zu spielen. Nachdem kurzzeitig geöffnet war, habe ich zweimal trainiert: Die Gaststätte war geschlossen, im Punktspiel durfte man seinen Teamkollegen nicht zugucken, nicht einmal mit in die Halle. Dass es keine einfache Sache für den Verband war, finanziell und organisatorisch, steht außer Frage. Eine deutliche Ansage im Oktober wäre die bessere Alternative gewesen. Wenn wir am 1. Mai die Tenniskelle in die Hand nehmen und mit den Punktspielen beginnen können, dann haben wir Glück. Ob das so kommt, kann ja keiner sagen.

Du betreibst seit über 60 Jahren aktiv Sport, sehr erfolgreich im Federball und Tennis. Wie fällt der Rückblick auf die lange Karriere aus und was waren die schönsten Erlebnisse?

Wenn ich als Kind oder Jugendlicher gewusst hätte, was Tennis für eine tolle Sportart ist und wie leicht es im Vergleich zu Federball – oder heute Badminton – ist, hätte ich viel früher damit begonnen. Badminton ist so schwierig, von der Ausdauer, Schnelligkeit und Kraft, auch von den Bewegungsabläufen. Dabei denken alle eher Tennis ist schwieriger, wenn sie den großen Schläger sehen. Badminton geht sehr auf die Knochen, das sieht man auch bei vielen meiner ehemaligen Mitspieler. Es war schon eine tolle Sache, in der obersten Spielklasse der DDR zu spielen. Die Heimspiele, erst in der Sporthalle „X. Weltfestspiele“, die heutige Boxerhalle in der Hasselfelder Straße, und später auch in anderen Hallen in Blankenburg, begannen um 9 Uhr, elf Spiele auf einem Feld – da war der Tag gelaufen.

Der damalige Federball-Nationaltrainer, Wolfgang Jurgk, der heute noch noch in Blankenburg wohnt, hat mich zum Ausgleich mal mit zum Tennis genommen. Hier hatte ich die tollsten Jahre beim TC Wernigerode, nachdem ich mit über 50 Jahren Landesmeister geworden bin. Einmal waren wir kurz davor, Staffelsieger zu werden und in die Bundesliga aufzusteigen. Da hatten wir eine tolle Mannschaft. Auch heute bin ich im Vergleich zu meinen Konkurrenten noch gut zu Fuß, natürlich etwas verletzungsanfällig. Mir wird vorgeworfen, dass ich sehr ehrgeizig bin beim spielen und das auch auch meinen Kindern übertrage, aber da habe ich einen Leitspruch: „Ohne Kampf keinen Sieg.“ Die Aussage stammt von Rennfahrer Manfred von Brauchitsch, das ist für mich einen Bombenspruch. Ich kämpfe immer bis zum Letzten, gebe kein Spiel auf.

Als Jugendtrainer hast Du schon früh damit begonnen, diesen Ehrgeiz auch auf Kinder und Jugendliche zu übertragen?

Das ging schon mit 15 Jahren im Badminton los, mit Fred Schamscha-Fiebig habe ich einen späteren DDR-Meister und Nationalspieler hervorgebracht. Die ersten tollen Erlebnisse als Tennistrainer gab es mit Anett Walther und Susann Lüttich. Anett hatte weniger Talent, hat sich aber mit großem Kampfgeist bis zur Landesmeisterin hochgearbeitet. Sie ist jetzt gerade Mutter geworden, wird danach hoffentlich auch wieder als Trainerin einsteigen. Sportliches Highlight war der Osteutsche Meistertitel mit Susann Lüttich, das war ja vergleichbar mit einem DDR-Meistertitel. Das größte für mich waren dann natürlich die Erfolge von Enkelin Celina. Wir haben es einfach mal probiert mit drei Jahren, von da an ging sie mir nicht mehr von der Pelle. Immerzu hieß es „Raus, raus, auf den Heidelberg Tennis spielen.“ Das führte bis zum Landesmeistertitel. Vor vier, fünf Jahren war sie mal 500. der Deutschen Rangliste, für uns eine tolle Zahl. Dann kam die Abiturzeit, die Mannschaft fiel auseinander. Bis zuletzt hat sie höherklassig in Seesen gespielt, ab dem neuen Jahr aus beruflichen Gründen in Braunschweig.

Auch beim Rest der Familie Kleefeld geht es sportlich zu?

Die beiden anderen Enkel sind auch im Verein aktiv. Luca spielt Fußball beim Blankenburger FV, Jonas zieht es vom Tennis mehr und mehr zum Handball bei der SG Stahl. Mein Sohn Mario Kleefeld ist eher der Funktionär, das wird er sich von mir abgeguckt haben. Dabei war er als Kind ein absolutes Talent, war im Leistungskader Turnen und stand mit acht oder neun Jahren vor der Delegierung nach Potsdam oder Halle. Doch dann kam die Mutter: „Das geht nicht, der Junge bleibt hier“. Ich kann mich noch entsinnen, in der Woche darauf kamen Briefe vom Fußball, Basketball, von der Leichtathletik, er solle mal zum Training kommen. Und wo landet er mit seiner Größe? Beim Basketball. Ich dachte jetzt wird‘s total verrückt. Er wurde ein sehr guter Zuspieler und Korbwerfer, hat mit Blankenburg in der Landesliga gespielt. Nebenbei hat er auch immer Tennis gespielt, auch heute noch, obwohl er sich vor zwei Jahren die Achillessehne gerissen hat.

Du trainierst aktuell noch die Kinder beim SV Lok, auch hier herrscht aktuell durch die Corona-Pandemie Stillstand.

Das ist wirklich sehr schade, vor allem für die Kinder. Ich habe aktuell noch eine Gruppe mit vier Mädchen, teilweise im Vorschulalter oder aus der 1. Klasse. Da ist mit Tara Friedel ein ganz tolles Talent bei, mit ihren sechs Jahren wirklich eine Ausnahmeerscheinung. Ihr elfjähriger Bruder Joris kam etwas schwer in die Gänge, hat sich aber auch toll entwickelt. Es ist eine absolut tennisbegeisterte Familie, die nach Blankenburg gezogen ist, auch ihr Vater spielt bei uns in der ersten Männermannschaft.

Wird sich die Corona-Pandemie auf die Mitgliederentwicklung niederschlagen?

Beim Tennis sind wir fast bei plus/minus Null. Aber der Hammer kommt, spätestens wenn es im nächsten Jahr an die Beitragszahlungen geht. In diesem Jahr hatten wir noch Glück. Vorige Woche ging es schon los mit den ersten Abmeldungen. Eltern haben nicht mehr die Kraft, ihre Kinder für den Sport zu überzeugen. Das geht schon beim Schulsport los, der heute vom Zeichen-Lehrer gemacht wird. Am Ende sitzen sie daheim vor ihrer Kiste, das macht ja auch Spaß. Es wird eine Welle kommen, da werden wir uns alle erschrecken. Dazu kommt bei uns im Verein das Problem mit den Übungsleitern. Vor fünf, sechs Jahren hatten wir noch zwölf Trainer im Tennis, aktuell sind es neun mit aktueller Lizenz, von denen zwei aktiv sind. Nachmittags kann kaum noch jemand, das macht mich verrückt.

Hat sich dies auf die Entwicklung der Nachwuchsarbeit bereits ausgewirkt?

Meine große Masche, Kinder für den Verein zu gewinnen, war früher die AG „Sport in Schule und Verein“, die ich zusammen mit Reinhard Pohlke durchgeführt habe. Von den 30 Kindern im Gymnasium waren nach einem halben Jahr fast alle im Verein. Da haben wir tolle Erfolge gefeiert, waren mit „Jugend trainiert für Olympia“ regelmäßig zum Finale in Berlin. Der Kontakt ist dann langsam abgerissen, dazu braucht es einen sportbegeisterten Direktor oder einen tennisbegeisterten Lehrer. In früheren Zeiten gab es zum Beispiel in der Regenstein-Schule einen „Tag des Sports“, da haben wir an einem Tag acht Klassen nur im Tennis durchgezogen. Und es sind immer wieder welche im Verein gelandet. Bis zu 80 Kinder und Jugendliche hatten wir in der Abteilung, jetzt sind es 29.

Auch heute bist Du ehrenamtlich aktiv, führst die Geschäftsstelle im Verein. Keine Spur von Amtsmüdigkeit?

Wenn die sagen, Du bist 75 Jahre alt, sage ich: Ich bin 75 Jahre jung. Alt bin ich vielleicht mit 80, wenn ich da hinkommen sollte. Ich kann mich doch nicht in die Ecke setzen. Manche freuen sich, Rentner zu werden, sich in den Garten setzen, ein Bierchen trinken – das trinke ich auch gerne – und zu gucken, was so kommt. Davon geht doch der Tag nicht weg, man muss doch zu tun haben.

Derart viele Jahre im Sport setzen auch das Verständnis der Ehepartnerin voraus?

Meine Frau Christine hat dafür Verständnis, sie macht andere Sachen. Sie hat über 40 Jahre als Krankenschwester gearbeitet, hat mich in sehr vielen Sachen unterstützt, sonst hätte ich an den Wochenende nicht laufend unterwegs sein können. Als Federballer waren wir teilweise zwei, drei Tage fort, mussten ja hoch bis nach Greifswald. Im Tennis habe ich sogar in zwei Mannschaften gespielt, Sonnabend und Sonntag. Meine Frau war im Gesangsverein und hatte nie so die Berührung zum Sport. Seitdem sie Rentnerin ist, ist sie Mitglied im Fitnessstudio und hält sich fit, zusammen wandern wir viel.

Du warst als Vorsitzender der SG Stahl Blankenburg und KreisSportBundes Wernigerode viele Jahre im Ehrenamt. Welche Erlebnisse und Wegbegleiter haben Dich geprägt?

In meiner sportlichen Laufbahn und Funktionärstätigkeit habe ich viele Personen kennen gelernt, die für mich Vorbild waren. Darunter Leute, die nicht mehr unter uns sind wie „Micky“ Scholz und Dr. Wolf-Dieter Gemkow. Dazu gehört auch Achim Schulze, das sind Leute, mit denen ich zusammen gearbeitet habe, die mich bestärkt und unterstützt haben, sowohl als Vorsitzender des KreisSportBundes als auch bei der SG Stahl Blankenburg. Ich sage immer, ich habe drei Berufe: Maschinenbauer, Rechtswissenschaftler und das Ehrenamt. Eigentlich wollte ich Sportjournalist werden, aber letztlich bin ich bei der „Jungen Welt“ durchgerutscht, weil ich die Namen der Politbüro-Mitglieder nicht kannte. Danach bin ich dann aber politisch geworden.

Die Wendezeit war sehr interessant, als KSB-Präsident war die Zusammenarbeit mit Goslar sehr gut, wir haben die Strukturen des Deutschen Sportbundes kennengelernt. Ich hatte die Möglichkeit, an gewissen Veranstaltungen in Neustadt an der Weinstraße teilzunehmen. In meiner Zeit als Vereinsvorsitzender haben wir eine tolle Beziehung zu Wolfenbüttel hergestellt. Am Ende haben beide Seiten viel voneinander gelernt.

Geprägt haben mich auch gewisse Zusammenkünfte, zum Beispiel mit „Täve“ Schur in seiner Funktion im Bezirksvorstand des DTSB. Er ist für mich der allergrößte Sportler, den es jemals gegeben hat in der DDR, da könnte man stundenlang drüber erzählen. Eine tolle Zusammenkunft gab es auch mit Heinz-Florian Oertel, als der Verband Deutscher Sportjournalisten eine Tagung in Wernigerode hatte. Der eine mag ihn, der andere nicht, aber das waren schon tolle Gespräche.

Ein bleibendes Erlebnis waren 1980 die Olympischen Spiele in Moskau, hier war ich Leiter einer Reisegruppe, unter anderem mit den Wiedenbach-Brüdern aus Heudeber. Der russische Gewichtheber Leonid Schapotinski war damals haushoher Favorit. Was da los war, als er mit drei Fehlversuchen beim Anfangsgewicht patzte. Die Halle war auf einen Schlag leer. Bei der Leichtathletik haben wir im Stadion auf den Zieleinlauf von Marathon-Olympiasieger Waldemar Chierpinski gewartet, als Gerd Wessig im Hochsprung mit 2,36 Metern einen neuen Weltrekord aufstellte und Gold gewann. Das sind Dinge, da drehst Du durch, einmalig. Auch den Olympischen Tag der Deutschen Leichtathleten habe ich mehrmals besuchen dürfen, das waren tolle Erlebnisse. Ich habe auch sehr viel über für Fußball, habe Maradona live in Magdeburg gesehen. Im Tennis habe ich Boris Becker und auch unsere aktuell beste Spielerin Angelique Kerber gesehen.