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Fußball „Rückschläge werden uns nicht umwerfen“

Der SV Irxleben steht nach Abschluss der Hinrunde in der Landesliga Nord auf dem unerwarteten vierten Tabellenplatz.

Von Stefanie Brandt 22.01.2016, 10:01

Im Interview mit Sportredakteurin Stefanie Brandt zieht Thomas Sauer seine Bilanz nach einem halben Jahr als verantwortlicher Coach.

Volksstimme: Herr Sauer, Sie haben das Traineramt ja von Ihrem Freund Steffen Rau übernommen. Hat er Sie gut vorbereitet auf das, was Sie in Irxleben erwartete?

Thomas Sauer: Ja, soweit es ihm in der kurzen Zeit möglich war. Wir haben uns zweimal getroffen und die erste Trainingseinheit gemeinsam gemacht. So hatte ich die Möglichkeit, die Jungs mal in Ruhe zu sehen, ohne selbst verantwortlich zu sein. Er hat mir auch mal seine „Traumaufstellung“ des Teams aufgezeichnet. Die Übergabe war sehr vernünftig. So habe ich einen guten Start bekommen, ohne dass ich alles neu erarbeiten musste.

Gab es trotzdem Überraschungen, was Spieler oder Abläufe im Verein angeht? Welche?

Bei den Abläufen im Verein gab es keine Überraschungen. Da hat sich in den letzten 20 Jahren nicht viel verändert, man hat mit gleichen Leuten zu tun. Michael Berger als Abteilungsleiter und Thomas Stier als Nachwuchskoordinator sind relativ neu, aber gegen die habe ich auch selbst Fußball gespielt, man kennt sich also. Ich habe mich sofort wohl gefühlt. Was die Spieler angeht, musste ich mich erstmal von Stärken und Schwächen jedes einzelnen überzeugen, herausfinden: Wer passt zu wem? Wer passt auf welche Position? Teilweise habe ich ja auch andere Vorstellungen als Steffen Rau. Man steckt seine Spieler erstmal in Schubladen und holt sie dann raus, wenn man sie braucht. Ich habe dabei erkennen müssen, dass manche eben auch in andere Schubladen passen. Das waren eher positive Überraschungen.

Sie haben von Anfang an versucht, den Ball flach zu halten, was die Zielstellung für die Saison angeht. Ist das Ihre generelle Herangehensweise als Trainer: keinen Druck aufbauen und lieber positiv überraschen? Oder hängt es damit zusammen, dass der SVI nach den zahlreichen Spielerabgängen vor 1,5 Jahren in der zurückliegenden Saison um den Klassenerhalt bangen musste?

Ich orientiere mich an der Realität. Wenn ich sehe, dass das Potenzial für einen Aufstieg da ist, dann kann man auch darüber reden. Aber wenn ich sehe, dass es in der Saison vorher schwer war, die Klasse zu halten, dann ist mir bewusst, dass wir arbeiten müssen. Und dann muss man auch erstmal sehen, wie die Trainingsbeteiligung ist. Deshalb wollte ich die Erwartungen im Rahmen halten. Dass es nun besser gelaufen ist, zeugt nicht von falscher Einschätzung, sondern davon, dass die Jungs es besser und schneller umgesetzt haben als erwartet.

Der Klassenerhalt war auch in diesem Jahr das ausgegebene Ziel. Ist es das immer noch?

(Nach kurzer Denkpause) Grundsätzlich hoffe ich, dass wir mit dem Abstieg nichts mehr zu tun haben. Aber wir wissen doch wie es ist: Man muss nur vier Spiele verlieren, dann sieht es schon wieder enger aus. Ich denke aber, dass wir als Team wirklich gefestigt sind. Wir mussten immer wieder umstellen und haben trotzdem relativ gut und erfolgreich Fußball gespielt. Deshalb glaube ich, dass uns Rückschläge und Niederlagen nicht umwerfen werden.

Nun ist Ihre Mannschaft sehr gut in die Saison gestartet, stand an fünf Spieltagen sogar an der Tabellenspitze. Mischt sich bei Ihnen in die Freude darüber auch ein bisschen Sorge, dass die Erwartungshaltung im Umfeld nun eine andere sein könnte?

Ich finde, die Erwartungshaltung im Umfeld darf den Leistungen entsprechend hoch sein. Wichtig ist, dass die Verantwortlichen im Verein, also Abteilungsleiter, Präsident und dergleichen, ein realistisches Bild haben und klar erkennen, dass wir mit dem Aufstieg nichts zu tun haben werden, sondern uns noch in den einzelnen Mannschaftsteilen und individuell verbessern müssen. Ich finde es eigentlich schön, wenn das Umfeld eine Erwartungshaltung hat, die nach oben zielt. Besser, als wenn die Zuschauer am Rand sagen würden: „Wir steigen sowieso ab!“

Wie sind Ihre Spieler selbst mit dem Erfolg umgegangen?

Zu Anfang waren sie recht euphorisch. Das erkläre ich am besten mit einer kleinen Geschichte: Am dritten Spieltag sind wir in Tangermünde Tabellenführer geworden. Da haben die Jungs eine halbe Stunde lang in der Kabine nur gesungen und sich gefreut. Das war so schön zu sehen für mich als Trainer, auch wenn es nur eine Momentaufnahme war, dass ich sagen muss: Die halbe Stunde Party war besser als die ganze Aufstiegsfeier in Burg! Man freut sich als Trainer einfach, wenn die Spieler so begeisterungsfähig sind. Dann hatten wir aber auch eine Phase, als wir länger dort oben standen. Da haben sich die Jungs selbst so viel Druck gemacht, wollten unbedingt gewinnen, sind verkrampft, haben nicht mehr so gut gespielt.

Ist es generell eine sehr ehrgeizige Mannschaft, oder steht mehr das „Zusammenspielen“ im Vordergrund?

Ich glaube schon, dass sie unglaublich ehrgeizig im Spiel und Training sind, aber sie lassen den Spaß nicht zu kurz kommen. Sie haben Freude bei der Sache. Auch wenn ihnen die Trainingseinheiten mal nicht schmecken, weil sie lieber was anderes machen würden, verlieren sie nie den Spaß. Da merkt man, dass es Kumpels sind, die auch privat viel miteinander umgehen. Dieses gute Verhältnis projizieren sie auch auf den Platz.

Als es dann ein kleines Tief gab, sprachen Sie immer davon, den Spielern den Druck nehmen zu wollen, damit sie wieder mit Spaß in die Erfolgsspur zurückfinden. Aber wie geht das? Wie haben Sie konkret versucht, das umzusetzen?

Ich habe das Training spaßbetont gestaltet, mit vielen Spielformen. Wir haben weniger komplizierte und mehr einfache Dinge gemacht, damit die Jungs sehen, sie können das sofort gut umsetzen. Auch die taktischen Zwänge im Spiel wurden gelockert. Natürlich gebe ich eine Richtung vor, aber dann muss man die Geschichte eben auch einfach mal laufen lassen, ohne zu viele taktische Dinge vermitteln zu wollen. In manchen Situationen setzt das sonst der ein oder andere auch mal falsch um. Vor einem Spiel habe ich es dann so gemacht, dass ich die Taktik, ohne viel dazu zu sagen, erst an die Tafel geschrieben, dann alles wieder weggewischt und den Jungs gesagt habe, sie sollen das machen, was ihnen in den Kopf kommt. Danach ging es wieder besser. Sie wurden lockerer, haben gemerkt: wir müssen nicht alles haargenau so umsetzen. Und wir haben gewonnen! Ich denke, dass auch die Fans gemerkt haben, dass wir wieder befreiter gespielt haben.

Die Winterpause verbringt der SVI auf Platz vier, kann mit einem Sieg im Nachholspiel in Isenburg sogar noch Zweiter werden. Haben Sie Ihrer Mannschaft das vor Saisonbeginn zugetraut?

Naja, in der Vorbereitung war schon zu sehen, dass wir sehr individuell aufgestellt sind. Wir haben viele Spieler, die man einfach machen lassen muss – das darf man ihnen nicht nehmen. Das bedeutet aber auch, dass sie auch bei Fehlern sehr individuell sind. Es war nicht zu erwarten, dass wir auf Platz vier stehen werden. Aber wir haben zeitnah mitbekommen, dass wir, wenn wir unser System spielen, hinten sicher stehen und wenig Gegentore kassieren. Gegen Preussen, Burg oder Barleben haben wir aus dem Spiel heraus wenig zugelassen. Die gute Abwehrleistung konnten wir in die Serie mit rüber nehmen. Offensiv haben wir viele Individualisten. Das lässt uns oben stehen.

Wozu sind Ihre Spieler, wenn Sie an die Leistungsgrenze gehen und es keine Verletzungen gibt, in der Rückrunde noch in der Lage?

Wir sind an der Leistungsgrenze! Von Verletzungspech sind wir auch weitestgehend verschont geblieben. Ich will keine Prognose abgeben, bin ohnehin nicht so ein Platzierungsfetischist. Ich will versuchen, jeden einzelnen ein bisschen besser zu machen und das in die gruppentaktischen Dinge mit einfließen zu lassen. Dann haben wir sicherlich gute Möglichkeiten, einen einstelligen Platz zu erreichen. Mir ist einfach wichtig, dass wir uns weiterentwickeln. Das muss die Zielstellung sein. Alles darüber hinaus ist ein Zubrot.

Wo sehen Sie das größte Steigerungspotential?

Auf jeden Fall im Zusammenspiel der einzelnen Mannschaftsteile, was Laufwege, Passspiele angeht – die sind oft zu ungenau. Manchmal sind wir nicht variabel genug, erkennen oftmals innerhalb des Spiels nicht: Wie kann ich den Gegner knacken? Wir versuchen dann immer wieder dasselbe, obwohl es nicht funktioniert. So etwas müssen die Spieler selbst erkennen. Die Ausnutzung der Torchancen könnte auch besser sein. Aber das kann man nicht erzwingen, manche haben den Torriecher eben im Blut. Das kann man nicht trainieren. Aber wenn man an seinen technischen Fähigkeiten hart arbeitet, dann stellt sich auch der Erfolg ein.

Und die große Stärke Ihrer Mannschaft?

Das Team ist das Entscheidende! Keiner sticht groß heraus, weder positiv noch negativ, alle haben ein ähnliches Level. Dadurch gibt es keinen Abbruch, wenn wir wechseln. So muss man keine Bange haben, wenn mal ein Spieler ausfällt.