1. Startseite
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Lokalsport Magdeburg
  6. >
  7. Glöckner: „Es muss Spaß machen“

Leichtathletik Glöckner: „Es muss Spaß machen“

„Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an…“, lautet eine Liedzeile des leider schon verstorbenen Sängers Udo Jürgens.

Von Simone Zander 04.07.2020, 05:00

Zerbst l  66 Jahre alt ist auch Reinhard Glöckner, aber sein Leben fängt nicht erst an, er steht mitten drin.

„Alles soll ein bisschen Spaß machen“, lautet die Maxime des Leichtathleten. In der Zerbster Sportszene ist er bestens bekannt. Nicht nur als Athlet. Er ist viel mehr: Sommerbiathlet, Zeitnehmer, Organisator, Mentor, Vorbild… Es gibt viele Begriffe. Eine Eigenschaft passt auf jeden Fall, wie der Deckel auf den Topf: Er ist bescheiden. Deshalb war die Freude umso größer, als er sich zu einem Gespräch bereit erklärte und aus seinem Leben erzählte.

Reinhard Glöckner hat immer Sport getrieben und sich stets mit Zahlen beschäftigt. So hat er natürlich Buch geführt. Es ist bemerkenswert: Insgesamt ist er 115.000 km gelaufen. Er hat also weit über zweimal die Welt umrundet. Doch wie kam es dazu?

Durch seinen Klassenlehrer in der Grundschule kam der junge Reinhard zum Sport, damals 1963 war es der Orientierungslauf. „Danach habe ich viele Sportarten ausprobiert“, erzählte der Zerbster. So wurde er gesichtet und der Sportklasse in Gera zugeordnet, die die Förderung des Sports im Schulunterricht als Pilotprojekt von Klasse 5 bis 10 durchführte. Da besagter Klassenlehrer auch Handballtrainer war, animierte er Reinhard Glöckner, diese Sportart zu probieren. Er war talentiert und spielte ab der 5. bis zur 6. Klasse Handball, bis zu einem entscheidenden Spiel: „Wir Jungs mussten gegen die Mädchen spielen und hatten verloren, da hat sich unsere Mannschaft aufgelöst“, berichtete er mit einem Lächeln, fügte aber gleich an, wie gut die Mädchen waren. „Sie wurden später sogar Bezirksmeister.“

Ab dem Jahr 1966 wechselte der Schüler dann zur Leichtathletik, in die Fördergruppe Breitensport bei der BSG Wismut Gera unter dem bekannten Trainer Werner Scheffler. Die Mittelstrecke war Reinhard Glöckners Paradedisziplin. Er hatte etliche Erfolge, wurde Bezirksmeister Mittelstrecke und Cross und nahm am DDR-Finale Cross der Jugend in Weißwasser teil. „Damals sind wir zu jedem Wettkampf mit dem Bus gefahren. Wir waren eine starke Trainingsgruppe“, erinnert er sich gern an diese Zeit bis 1973.

Auch während der Armeezeit und seinem Studium für Werkzeugmaschinenkonstruktion in Chemnitz stand der Sport weiter im Fokus. „Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, die 800 m unter zwei Minuten zu laufen.“ Und das schaffte er bei der Studentenmeisterschaft 1979 in Chemnitz. Im Vorlauf standen die 1:59,02 min – ein neuer Rekord für Reinhard Glöckner. Dass er da in der Staffel „nur“ der fünfte Mann war, hatte sein Trainer dann doch etwas bereut. Im Finale fungierte er dann allerdings nur als Hase für einen Mitstreiter seiner Gruppe, der durch ihn die 1:53 min schaffte. „Mit den 1:59,02 min war ich sehr zufrieden und ich hatte ein Ziel erreicht“, ist er noch heute stolz auf diese Topleistung.

In einem Urlaub lernte der Ingenieur dann seine große Liebe Bärbel kennen, heiratete sie 1980 und zog zwecks Familienzusammenführung nach Zerbst, denn „hier hatten wir eher eine Wohnung gekriegt“. Das war 1984, wo der Neu- zerbster bei der Wema angestellt wurde. Zuvor pendelte er noch zwischen seiner ersten Arbeitsstelle bei der Wema in Aschersleben und Zerbst, trainierte und startete da für die LSG Ascania Aschersleben.

Auch in seiner neuen Heimatstadt blieb die Liebe zum Sport erhalten. Er fand 1984 den Weg zu den Zerbster Leichtathleten der damaligen BSG Einheit/Empor und übernahm später die Leitung der Abteilung beim TSV Rot-Weiß Zerbst.

„Hier habe ich viel auf der Bahn gemacht.“ Das zahlte sich aus. Bei der DDR-Altersklassenmeisterschaft 1986 in Jena errang er über 800 m Bronze. „Das war ein Highlight“, erinnert er sich gern. Auch an viele weitere Wettkämpfe, wie die Landesmeisterschaften (LM).

1984 stieg der Familienvater dann auf längere Strecken um und hatte gleich wieder ein Ziel: „Ich wollte den Marathon unter drei Stunden laufen, was ich gleich im ersten Wettkampf in Wolmirstedt geschafft hatte.“ Sehr starke 2:45,00 h standen auf der Uhr beim ersten von insgesamt acht Starts über die Königsdisziplinen. Seine Bestzeit lief er aber in Hamburg. Die 2:42,42 h sind schon beeindruckend.

Über den hohen Trainingsaufwand war seine Frau Bärbel „manchmal nicht so erfreut“. „Aber von nichts kommt nichts und das Harte am Marathon ist ja eigentlich das Training, wenn man es richtig betreibt“, erklärte er. Manche Woche lief er 170 km und das neben der Arbeit und der Familie. An manchen Tagen trainierte er sogar zweimal täglich, 32 km am Morgen und abends nochmal zehn.

Aber „irgendwann meldete sich der Körper“. So musste Reinhard Glöckner ab 1994 „etwas kürzer treten und wieder auf kürzere Strecken umsteigen“. Kürzere Strecken bis zum Halbmarathon waren kein Problem und auch der Trainingsaufwand war etwas geringer.

Ein neues Hobby wuchs heran, der Sommerbiathlon, wo die Zerbster schon 1991 die erste LM ausrichteten und Reinhard Glöckner die Abteilung Sommerbiathlon der Zerbster Schützengilde 1397 leitete. Dort hält er bis heute vor allem die organisatorischen Fäden fest in der Hand.

„Wir haben den militärischen Mehrkampf aus GST-Zeiten in den Sommerbiathlon überführt. 1998/99 kam es auch im Deutschen Schützenbund an und wir nahmen an den Deutschen Meisterschaften (DM) teil.“ Gleich im Folgejahr wurden die Zerbster mit Reinhard Glöckner, Gerald Zielinsky und Harry Wandtke aus Schönebeck mit der Vereinsstaffel Deutscher Mannschaftsmeister bei den Männern in Clausthal-Zellerfeld. „Ich war der Schlussläufer und beim Zieleinlauf wurde mir die Deutschlandfahne gereicht“, erinnert er sich gern und bezeichnet diesen Titel mit der Staffel als sein „schönstes Erlebnis“.

Im Jahr 2006, als die Altersklassen (AK) eingeführt wurden, gewann er bei der DM in Oberhof den Sprint und den Massenstart. Aber auch dem reinen Laufsport blieb er treu. „Ich habe keine Disziplin bevorzugt, denn beides hat Spaß gemacht und passte immer gut zusammen“, sagte er befragt nach seiner Leidenschaft. Diese teilt er noch heute mit seiner Tochter Stefanie, die er stets gefördert und unterstützt hat und die ebenfalls sehr erfolgreich war und ist.

Ab 1990, der Wendezeit, übernahm der Zerbster dann die Organisation des Rolandlaufes, „weil es sich so ergeben hatte“. Zu DDR-Zeiten wurde der Rolandlauf als 3,3 km-Runde immer durch die Stadt gelaufen. Auch bei diesem Lauf hatte Reinhard Glöckner einen großen Erfolg. Er war 1981 Gesamtsieger über die zehn km, lief die Topzeit von 35:46,5 min. In diesem Jahr wird dieser beliebte Lauf nun zum 40. Mal ausgetragen. Lange Zeit stand die Austragung aufgrund der Corona-Pandemie auf der Kippe. Nun kann er am 27. September das Jubiläum feiern.

Im Jahr 2004 stand ein weiteres Highlight im Leben des Leichtathleten an: Er nahm an der 1. World Masters Athletics Championships Indoors in Sindelfingen teil, startete dort als frischgebackener Landesmeister über die 3000 m und den Acht-km-Cross in der M50 und landete im vorderen Mittelfeld. Immerhin standen Namen wie Nigel Gates (GBR) oder Klaus Goldammer aus Berlin auf der Startliste.

Auch an der 2. WM, die 2006 im österreichischen Linz stattfand, war Reinhard Glöckner dabei, war einer von 3323 Athleten aus 61 Ländern. Auch da nahm er die 3000 m und die acht km Cross in Angriff und platzierte sich im Mittelfeld. „Ich bin da nicht hingefahren, um Medaillen zu holen. Da hatte ich keine Chance. Es waren aber unvergessliche Erlebnisse und es hatte viel Spaß gemacht.“ Denn die Athleten wurden dort etwas wie Profis behandelt. „Erst der Einmarsch, dann saß ich im Callroom, wurde aufgerufen und reingeführt. Und auch die Sachen wurden in einem Korb rausgetragen… Es hatte alles gepasst“, schwärmte er.

Ein „Zeitungsschnipsel“ in der damaligen Laufzeitschrift „Leichtathletik“ beinhaltete einen Bericht über einen Lauf am Wolfgangsee. „Das hatte mir gefallen und nach der Wende sind wir dorthin.“ Zweimal ist Reinhard Glöckner die 27 km-Strecke um den Wolfgangsee gelaufen. Um Zeiten ging es ihm dabei nicht. „Die Gegend ist herrlich und es war ein schöner Ausflug mit der Familie. Und geduscht habe ich im Weißen Rössl.“

Und die Idee, Laufreisen mit der Familie zu unternehmen, war geboren. Es folgten etliche nach Ägypten, Island, Zypern, Lissabon oder gar in die USA zum Nashville-Marathon.

„Dass ich das so gut wegstecke, hätte ich nicht gedacht. Es war eine schöne Zeit. Die Ziele, die ich hatte, die 800 m unter zwei Minuten und den Marathon unter 2:45 min, habe ich geschafft. Und damit war ich zufrieden.“

„In Ägypten war Ramadan-Zeit und der Gewinner, ein Deutscher aus unserer Reisegruppe, lief die halbe Strecke mit einem Ägypter und berichtete, dass dieser nichts getrunken hatte. Das war für mich unvorstellbar“, erzählte er viele Anekdoten. In Nashville war Familie Glöckner im Jahr 2011 mit Familie Zielinsky gemeinsam. „Wir sind alle den Halbmarathon gelaufen, Zille mit seiner Frau und ich mit meiner. An jeder Ecke spielte Musik.“ Im Anschluss fuhren die Zerbster nach Memphis bis New Orleans mit Zwischenstopps. Oder auch der Halbmarathon in Lissabon. „Da war die Wende und da kam uns Haile Gebrselassie mit der Spitzengruppe schon entgegen“.

Ende November 2017 wurden die gesundheitlichen Probleme unerträglich, so dass Reinhard Glöckner das letzte Training absolvieren musste. „Dass ich das so gut wegstecke, hätte ich nicht gedacht. Es war eine schöne Zeit. Die Ziele, die ich hatte, die 800 m unter zwei Minuten und den Marathon unter 2:45 min, habe ich geschafft. Und damit war ich zufrieden“, sagte er und hat sich längst auf neue Aufgaben und Ziele fokussiert: „Jetzt kann ich etwas zurückgeben. Ich unterstütze meine Frau und fahre mit ihr zum Wettkampf.“ Außerdem hat er ein neues Hobby für sich entdeckt: das Radfahren. Mit seinem Trekkingrad fährt er fast täglich durch die Gegend. „Es gibt ja viele ländliche Wege. Früher habe ich drüber geschimpft, seit ich Rad fahre, finde ich es gut“, scherzt er und ist nun „schon bald mehr km mit dem Rad als mit dem Auto gefahren“. Des Weiteren machen ihm „das Organisieren der Wettkämpfe in der Leichtathletik und im Sommerbiathlon viel Spaß“.

Reinhard Glöckner ist ein Mensch, der innere Zufriedenheit ausstrahlt, der mit seinem Leben zufrieden ist: Und das, obwohl es auch hätte anders laufen können: Reinhard Glöckner ist mit sich im Reinen. Und nun, mit 66 Jahren, fängt sein Leben ja erst an.