Formel 1 „Mega“: Norris lässt Verstappen in Singapur keine Chance
Er kann es doch. Lando Norris verteidigt in Singapur erstmals seine Pole Position über Runde eins hinaus - und feiert einen souveränen Start-Ziel-Sieg vor WM-Spitzenreiter Max Verstappen.
Singapur - Unter dem Feuerwerk von Singapur bekam der völlig verschwitzte Lando Norris von Interviewer David Coulthard eine kalte Dusche verpasst und stellte bei seiner WM-Aufholjagd erneut Spitzenreiter Max Verstappen in den Schatten. Der englische McLaren-Pilot feierte trotz eines kurzen Schreckmoments mit Mauer-Berührung auf dem Marina Bay Street Circuit einen souveränen Start-Ziel-Sieg vor dem einstigen Red-Bull-Dominator aus den Niederlanden.
„Es war ein großartiges Rennen. Ein paar mal war es zu eng in der Mitte des Rennens, sonst hatte ich alles unter Kontrolle, das Auto war mega“, berichtete Norris bei seinem Interview mit dem einstigen Formel-1-Fahrer Coulthard etwas „außer Atem“, nachdem Pop-Star Kylie Minogue die schwarz-weiß karierte Flagge geschwenkt hatte.
20,9 Sekunden Vorsprung hatte Norris auf Verstappen am Ende einer Flutlicht-Hatz, die die quälende Sieglosserie des Niederländers in der Formel 1 verlängerte. Dank seines dritten Karriereerfolgs liegt der Brite, der endlich einmal seine Pole Position verteidigen konnte, sechs Grand Prix vor dem Saisonfinale in Abu Dhabi 52 Punkte hinter Verstappen.
Im störrischen Red Bull betrieb dieser aber erneut erfolgreich Schadensbegrenzung, auch weil Daniel Ricciardo von Schwesterteam Racing Bulls Norris am Ende noch den Punkt für die schnellste Rennrunde abluchste. „Danke, Daniel“, sagte Verstappen. „Ich habe mein Bestes gegeben, habe versucht, mein eigenes Tempo zu gehen. An einem Wochenende, an dem wir wussten, dass wir kämpfen würden, ist Platz zwei ein gutes Ergebnis.“
Nur 178 Meter bis Kurve eins
Der dreimalige Weltmeister wartet nun schon seit acht Rennen auf einen Erfolg - den schwül-heißen Nacht-Grand-Prix im Stadtstaat konnte er noch nie gewinnen. Auf dem dritten Rang landete Norris' Teamkollege Oscar Piastri. Für Nico Hülkenberg, der im Haas völlig überraschend von Position sechs gestartet war, reichte es als Neunter noch zu Punkten.
178 Meter bis zum ersten Bremspunkt auf dem funkelnden Straßenkurs sind sehr kurz. Sie können aber zu einer nervlichen Belastung werden. Die brennende Frage vor dem Erlöschen der Roten Ampeln lautete nämlich: Verpatzt Norris wieder seinen Start? Diesmal nicht! Der Engländer konnte die Führung bei seiner sechsten Pole Position erstmals über die erste Runde hinaus verteidigen und Verstappen auf Distanz halten.
„Hoffentlich können wir es McLaren schwer machen. Es wird eine spannende erste Runde werden“, äußerte Red-Bull-Teamchef Christian Horner vor dem Auftakt in Südostasien. Norris nahm aber gleich viel Brisanz aus dem Start. Rekordweltmeister Lewis Hamilton, der mit nun 350 Grand-Prix-Starts die Nummer zwei in der ewigen Bestenliste hinter Aston Martins Fernando Alonso ist, als Dritter und vor allem Hülkenberg als Sechster verteidigten ebenfalls ihre Positionen.
Rosbergs Lob für Red Bull
Im Fokus stehen aber natürlich Norris und Verstappen. Der Weltmeister aus den Niederlanden hatte an dem Singapur-Wochenende zunächst nicht nur mit einem Dienstwagen zu kämpfen, der wenig Halt auf dem Asphalt fand. Diese Probleme konnte die Red-Bull-Crew aber bis zur Qualifikation bravourös beheben.
„Max ist aus dem Nichts aufgetaucht“, lobte TV-Experte und 2016er-Weltmeister Nico Rosberg die kurzfristige Wende bei Red Bull. „Sie haben das Auto komplett gedreht, es stark versteift und so wieder zum Leben erweckt.“
Verstappen findet seine F-Wort-Strafe „lächerlich“
Ärger verursachten Verstappen aber auch die obersten Regelhüter. Für den Gebrauch des F-Schimpfworts in der offiziellen Pressekonferenz am Donnerstag wurde er mit dem Verrichten gemeinnütziger Arbeit bestraft. Verstappens Replik? In der offiziellen Pressekonferenz nach der Startplatzjagd am Samstag antwortete der 26-Jährige unüberhörbar aus Protest nur in aller Kürze. Als „lächerlich“ bezeichnete er seine Strafe durch die Rennkommissare danach.
Die Stimmung von Norris an der Spitze durfte bestens sein. Im schnellsten Auto im Feld diktierte er das Tempo und baute seinen Vorsprung auf Verstappen Sekunde um Sekunde aus. Hamilton, der entgegen der anderen Topfahrer mit den weichsten Reifen gestartet war, fürchtete nach seinem frühen Boxenstopp auf die harten Mischungen, dass seine Gummis nicht lange genug halten würden.
Norris touchiert die Mauer
Einen Schreckmoment erlebte Norris zur Halbzeit von 62 Runden. Er verbremste sich und touchierte mit der linken Front in Kurve 14 leicht die Mauer. Das war aber halb so wild, so groß war sein Vorsprung auf Verstappen. „Wir sehen ein kleines Problem mit dem Frontflügel, aber nichts Ernstes“, funkte die Box an Norris. Er kam für frische, harte Reifen in die Garage und fuhr auch als Führender wieder zurück auf die Strecke.
Verstappen hatte zu diesem Zeitpunkt satte 20,6 Sekunden Rückstand auf den Führenden, der am Ende nicht mehr volles Risiko gehen musste und vergleichsweise entspannt über die Ziellinie steuern konnte.