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Auf Trainer, Team und Management wartet jede Menge Arbeit Großbaustelle SC Magdeburg

Am 7. Januar beginnt der SC Magdeburg die Vorbereitung auf den
"Re-Start" in der Handball-Bundesliga. Auf Trainer Uwe Jungandreas, sein
Team und das Management um Marc Schmedt und Steffen Stiebler wartet
jede Menge Arbeit. Die Analyse der Volksstimme zeigt: Der SCM ist eine
"Großbaustelle".

Von Janette Beck 04.01.2014, 01:05

Magdeburg l Während in der Führungsetage des Vereins eifrig an den "Bauplänen" gewerkelt und mit potenzieller Verstärkung verhandelt wird, haben die "Handwerker" des SCM in den ersten Tagen des neuen Jahres noch "Betriebsurlaub". Erst am Dienstag betritt Interimscoach Uwe Jungandreas und sein Team um die "Großbaustelle".

Baustelle 1, suboptimale Vorbereitung: Gleich zum Auftakt ist einmal mehr das Tätigkeits-"Unwort" mit i - wie improvisieren - in aller Munde. Es fehlen nicht nur fünf Nationalspieler, sondern vorerst auch Jure Natek (Haarriss in der rechten Hand) sowie Michael Haaß. Der hat den medizinischen Eingriff am Fuß inzwischen gut überstanden. Zwar stehen Fabian van Olphen, Matthias Musche und Tim Hornke vor der Rückkehr ins Mannschaftstraining, aber auch sie müssen die Sache langsam angehen.

Was nichts anderes bedeutet, als dass "Bauleiter" Jungandreas, der das Großprojekt SCM viel lieber mit voller Kapelle in Angriff nehmen würde, weiter die Hände gebunden sind. "Es ist eine schwierige und interessante Aufgabe zugleich, eine gesundheitlich angeknackste Mannschaft wieder auf Kurs bringen", weiß der Trainer um die Herkulesaufgabe und kündigt als Erstes einen Medizincheck an. "Ich will mir ein Bild über den körperlichen Zustand der Jungs machen, um das Training dann dementsprechend zu steuern", so der 51-Jährige, dessen Maßnahme darauf schließen lässt, dass in diesem Bereich einiges im Argen liegt.

Baustelle 2, die Verletzungsserie: Bereits die Hinserie des SCM war von vielen verletzungsbedingten Ausfällen geprägt. Teilweise fehlten gleich sechs Stammspieler, so dass der inzwischen entlassene Frank Carstens nur zu oft im Training und bei den Spielen improvisieren musste. Doch auch wenn manches verlorengegangene Spiel in anderer Besetzung mit Sicherheit erfolgreicher verlaufen wäre, die Frage ist und bleibt: Ist eine so extrem lange Liste von Verletzungen einfach nur Pech, oder stecken womöglich auch Fehler im Trainingssystem sowie in dem grundsätzlichen Problem, dass der Kader aus wirtschaftlichen Zwängen heraus (zu) schmal gehalten wurde?

Manager Marc Schmedt führt einen Großteil der Verletzungen auf "unvorhersehbare Unfälle" zurück. Allerdings klang bei ihm auch Kritik an der medizinischen Abteilung durch. Bereits Anfang November hatte er erklärt, "heilige Kühe gibt es nicht beim SCM", es gelte vielmehr, "alle Rahmenbedingungen zu hinterfragen". Diesbezüglich scheint es allerdings auch angebracht, Methodik, Umfang und Intensität des Trainings in der Carstens-Ära unter die Lupe zu nehmen. Gleiches gilt für mögliche "Verschleißerscheinungen", die bereits aus dem personellen Ritt auf der Rasierklinge in der Vorsaison resultieren könnten.

Baustelle 3, Leistungsschwankungen: Das Problem, dass der Mannschaft Stabilität und Sicherheit und damit Selbstvertrauen fehlen, zeigte sich bereits in der Vorsaison. Und auch in der aktuellen Serie zeigte der SCM seine zwei Gesichter - oftmals sogar in einem Spiel. So schwang man sich trotz erheblicher Besetzungsprobleme zu einem Sensationssieg gegen Kiel auf. Auch der Heimsieg gegen Flensburg und der Punktgewinn gegen die Rhein-Neckar Löwen weckten Hoffnung auf anhaltenden Aufwind. Doch diese wurden alsbald durch völlig unnötige Niederlagen zunichte gemacht wie etwa die Heimpleiten gegen Lemgo, Wetzlar und Göppingen. Ganz zu schweigen vom Debakel gegen Melsungen.

Auffällig war dabei, dass oft kleine Fehler oder Entscheidungen der Schiedsrichter ausreichten, um den Faden zu verlieren und das verunsicherte Team aus der Spur zu bringen. Das eine oder andere Erfolgserlebnis gleich zum Wiederbeginn der Rückserie wäre in Kombination mit gestärktem Selbstvertrauen der gewünschten Konstanz sicher nicht abträglich.

Baustelle 4, Heimschwäche: Die uneinnehmbare Handball-Festung Magdeburg - das ist 2014 mehr Legende als Realität. Von der einstigen Heimstärke ist nicht viel zu sehen. Von bisher elf Heimspielen wurden fünf verloren, das sind jetzt schon mehr als in der ganzen Vorsaison (4). Um so beachtlicher war, dass die Fans trotz sportlicher Talfahrt geduldig zur Stange gehalten haben. Erst spät wurde dem Frust mit "Carstens-raus-Rufen" Luft gemacht. Den verlorengegangenen Kredit zurückzuholen, das liegt offenbar auch Jungandreas am Herzen: "Wir wollen in der Getec-Arena wieder attraktiven Handball mit Herz spielen und die alten Tugenden zeigen. Jeder Gegner muss wieder Respekt haben, nach Magdeburg zu fahren."

Baustelle 5, Abwehr: Der SCM war jahrelang gefürchtet, weil er in der Abwehr stets mit Herz, Kampf und Leidenschaft Beton angemischt hat. Doch diese Tugenden sind immer mehr in Vergessenheit geraten. Durch die Langzeitverletzung von Abwehrchef Kjell Landsberg sowie den Ausfall von Kapitän van Olphen fehlte die ordnende Hand, der improvisierte Mittelblock hielt dem Druck nur zu selten Stand.

Baustelle 5, die Torhüterposition: Dass hinter einer löchrigen und nur halbherzig zupackenden Abwehr oftmals auch die Torhüter Gerrie Eijlers und Dario Quenstedt nicht die beste Figur machen, ist quasi systembedingt. Allerdings steckt gerade auch Eijlers, jahrelang ein zuverlässige Bank, in einem Formtief. Der Vertrag des 33-jährigen Holländers ist bis 2015 datiert. Früher oder später müssen sich Schmedt und Stiebler Gedanken über diese Schlüsselposition machen.

Baustelle 6, Kreis: In der Hinserie kamen aufgrund diverser Verletzungen gleich sechs Kreisspieler zum Einsatz - das war nicht nur rekordverdächtig, sondern mit Sicherheit auch kostenintensiver als geplant. Mit der Rückkehr von "Dauerbrenner" Jurecki, einem hoffentlich wiedererstarkten Kjell Landsberg, der im Sommer geht, sowie der Neuverpflichtung des dänischen Nationalspielers Jacob Bagersted ist an dieser Baustelle bereits Land in Sicht.

Baustelle 7, offene Personalfragen: Die Besetzung des Cheftrainerpostens zum 1. Juli, die Neuverpflichtung eines Rückraumlinken sowie die geplanten Vertragsverlängerungen von Jure Natek und Yves Grafenhorst sollen nach Ankündigung von Manager Schmedt noch in der Winterpause geklärt werden.

Baustelle 8, Kreativabteilung: Mit zwei neuen Spielmachern zu Saisonbeginn war der SCM ein Risiko eingegangen, das bei weitsichtigerer Planung wohl hätte reduziert werden können. Zu lange wurde davor an Oldie Stian Tönnesen festgehalten, potenzielle Nachfolger bekamen keine echte Chance. Durch die Verletzung der Neuzugänge Bezjak und das Formtief von Haaß, der noch immer nicht angekommen zu sein scheint, wurde das "Einspielen" noch erschwert. Es knirschte viel Sand im Getriebe, spielerische Akzente oder kreative taktische Finessen blitzten viel zu selten auf.

Baustelle 9, Führungsspieler: Frank Carstens, der im sportlichen Bereich dreieinhalb Jahre die Alleinregie führte, war ein Verfechter von flachen Hierarchien. Bei ihm war die Mannschaft der Star. Allerdings scheinen dadurch Eigenverantwortung, Innovation, Kreativität und Entscheidungsfreudigkeit der Spieler verkümmert zu sein, die Führungsspieler gingen im "Einheitsbrei" unter. Den jetzt freiwerdenden Raum gilt es zur Entfaltung zu nutzen.