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Fifa-Skandal Europa droht mit WM-Verzicht

Das schlimmste Szenario für Fifa-Chef Blatter bleibt aus. Der Wahlkongress hat nach dem Boykott-Verzicht Europas begonnen. Die weltweiten Reaktionen auf den neuen Skandal sind aber verheerend. Und die Uefa denkt schon laut über drastische Schritte nach.

29.05.2015, 01:11

Zürich (dpa) l Der weltweit kritisierte Joseph Blatter kann sich nach den turbulentesten Stunden seiner Dauer-Regentschaft auf eine fünfte Amtszeit als Fifa-Chef einrichten. Trotz des jüngsten Korruptionsskandals beim Fußball-Weltverband ist die für den heutigen Freitag geplante Präsidenten-Kür des 79 Jahre alten Schweizers nach dem Boykott-Verzicht der Uefa wieder hochwahrscheinlich.

Die Fifa steht nach Festnahmen und Suspendierungen aber mehr denn je am Pranger. Auch IOC-Präsident Thomas Bach nahm Blatter und Co. mit deutlichen Worten in die Pflicht, die moralische Krise zu beenden. "Wir wissen, dass dieser Kampf herausfordernd und sehr schmerzhaft sein kann. Es gibt aber keinen anderen Weg, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen", sagte der deutsche Ober-Olympionike bei der Eröffnung des Fifa-Kongresses am Donnerstag in Zürich. "Alle Fans verfolgen diesen Kongress mit großer Aufmerksamkeit, ich bin einer von ihnen", sagte Bach.

Blatter befürchtet weitere Enthüllungen

Zur Ruhe kommt die Fifa so schnell definitiv nicht. Für den Fall des Blatter-Sieges baute Uefa-Boss Michel Platini eine enorme Drohkulisse auf und schloss einen WM-Verzicht aller Europäer nicht grundsätzlich aus. Bei einer Sondersitzung rund um das Champions-League-Finale in Berlin werde man in der kommenden Woche "alle Möglichkeiten ins Auge fassen", sagte der Franzose.

Die Vollversammlung der 209 Fifa-Mitglieder begann mit der üblichen traditionellen Eröffnungsshow inklusive Jodelmusik und Techno-Klängen - als hätte es in den 36 Stunden zuvor keine sieben Festnahmen von Funktionären inklusive der Blatter-Vize Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo und knallharte Betrugsvorwürfe der US-Justiz gegeben. Die dramatische Dimension der Funktionärsauseinandersetzungen in den Stunden bis kurz vor dem Kongressstart wurde in der Eröffnungsrede Blatters deutlich, in der der Schweizer zum Kampf gegen korrupte Individuen aufrief.

"Ich werde nicht erlauben, dass einige wenige die harte Arbeit der Mehrheit, die so hart für den Fußball arbeitet, zerstören", sagte Blatter. Der Fifa-Boss fürchtet neue Enthüllungen: "Ich bin sicher, dass weitere schlechte Nachrichten folgen werden." Zuvor hatte Europas Anti-Blatter-Fraktion ihren Boykott-Gedanken verworfen. Die Uefa-Delegierten werden bei der Präsidentschaftswahl am Freitag mitstimmen. Dann soll Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein so viele Voten wie möglich erhalten, um Blatter zumindest symbolisch zu schwächen.

Kollektiver Austritt der europäischen Mitglieder

Der Machtkampf der Fußball-Alphatiere wird weitergehen und die Fifa in den kommenden Monaten womöglich vor eine bislang nicht gekannte Zerreißprobe stellen. Nach seiner überraschenden Aussage zum möglichen WM-Verzicht konkretisierte Platini auf eine entsprechende Nachfrage, dass er einen Boykott nicht ankündige, aber dass es "demokratische Entscheidungen" der Landesverbände geben werde.

Eine weitere Option, die Fifa-Maschinerie zu schwächen, ist ein kollektiver Austritt der europäischen Mitglieder aus dem Fifa-Exekutivkomitee. Platini hofft auf 45 bis 46 der insgesamt 53 Europa-Voten für Prinz Ali. Blatter dürfte die Mehrheit von mindestens 105 Delegiertenstimmen sicher sein. DFB-Chef Wolfgang Niersbach lässt offen, ob er seinen Exko-Sitz unter dem Vorsitz von Blatter antreten will.

Insgesamt stehen 14 Personen unter Korruptionsverdacht. US-Justiz-Ermitter entdeckten Unregelmäßigkeiten vor allem bei den WM-Vergaben 2010 (Südafrika), 2018 (Rußland) und 2022 (Katar). Großsponsoren wie Visa drohen mit dem Ausstieg aus der Finanzierung.