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Stieglitz vor Boxduell gegen Abraham "Es ist Zeit für das letzte Gefecht"

Am 18. Juli stehen sich in Halle/Westfalen WBO-Weltmeister Arthur
Abraham und Robert Stieglitz zum vierten Mal im Boxring gegenüber - zum
ersten Mal ist Letzterer Pflichtherausforderer. Mit dem 34-jährigen
Magdeburger sprach Volksstimme-Redakteurin Janette Beck.

04.07.2015, 01:05

Wieder mal bereiten Sie sich auf ein Duell gegen Arthur Abraham vor. Da ist man geneigt zu fragen: The same procedure as every year?
Robert Stieglitz (lacht): Ja, so könnte man das sagen. Ich mache jedenfalls nichts Besonderes vor dem vierten Aufeinandertreffen, das meiste ist Routine. Die Vorbereitung war bislang okay und störungsfrei. Im Moment läuft das Sparring, und mein Trainer Dirk Dzemski ist sehr mit mir zufrieden - also bin ich es auch.

Können Sie Boxfans verstehen, die sagen: Abraham gegen Stieglitz, das wird langsam langweilig?
In gewisser Weise schon. Aber diesmal ist es schon etwas anderes, denn ich bin das erste Mal der vom Weltverband WBO festgelegte Pflichtherausforderer. Ich habe also den WM-Kampf nicht geschenkt bekommen, und ihn mir auch nicht erkauft, so wie Felix Sturm zu seiner Zeit, sondern ich habe mir dieses Duell regelgerecht erarbeitet. Die meisten Boxer kämpfen ein Leben lang für eine solche Chance, warum soll ich sie nutzlos verstreichen lassen? Außerdem war jedes Duell mit Arthur spannend und eng ... Aber ich kann die Leute beruhigen: Es wird definitiv das letzte Gefecht - darüber sind wir uns beide einig.

Mit Ihnen als Sieger?
Davon gehe ich aus, denn ich will das Urteil vom letzten Mal endgültig richtigstellen.

Sie sehen sich also nach wie vor um den Sieg betrogen?
Ja, ich habe mir den Kampf mehrfach angeschaut, das Urteil der Punktrichter war nicht korrekt. Und dass der Engländer hinterher gesperrt wurde, bestätigt mich nur. Aber das ist Schnee von gestern, ich sehe das heute alles nicht mehr so verbissen. Ich bin entspannter, und das wird man hoffentlich auch im Ring sehen.

Soll heißen, wir werden einen ganz neuen Robert Stieglitz entdecken können?
Nein, das nicht. Ich bin, wie ich bin. Und an meinem Kampfstil wird sich mit 34 Jahren nicht mehr groß etwas ändern. An der Taktik dafür schon. Vor allem aber möchte ich etwas an der Herangehensweise ändern. Ich hatte zuletzt das Gefühl, dass ich mir teilweise selber im Wege stand. Ich habe zu viel Druck aufgebaut, indem ich allen irgend etwas beweisen wollte. Aber das muss ich nicht. Ich war bereits Weltmeister und habe viel erreicht in meiner Karriere, auf das ich stolz sein kann. Ich will versuchen, loszulassen und es so zu nehmen, wie es kommt. Ich will einfach mein Bestes geben und sehen, wozu das reicht. Das hat 2009, als ich den zuvor ungeschlagenen Weltmeister Károly Balzsay in Budapest besiegt habe und überraschend Weltmeister wurde, auch super geklappt.

Damals waren Sie 28 Jahre, wie schwer fällt es Ihnen sechs Jahre später, morgens aus dem Bett zu steigen?
Schon etwas mehr, schließlich bin ich im Boxsport mit 34 schon so etwas wie ein "alter Mann". Aber ich fühle mich immer noch gut und frisch genug, um einen WM-Kampf zu bestreiten.

Allerdings haben Auseinandersetzungen auf dem Niveau der letzten Jahre gegen Abraham oder auch der gegen Felix Sturm eine ganz andere Intensität. Sie mussten viele Kopftreffer einstecken, haben Sie keine Angst vor bleibenden Schäden?
Angst darf man nicht haben. Schon gar nicht als Boxer. Aber es ist schon richtig, dass ich aufgrund meines Boxstils auch das Risiko eingehe, viel nehmen zu müssen. Aber bis jetzt kann ich immer noch problemlos bis drei zählen, und ich hoffe und bete, dass ich auch den nächsten Kampf überstehe und gesund bleibe.

Wann wäre für Sie der Zeitpunkt zu sagen: Stopp, bis hierher und nicht weiter?
Wenn ich mich schwach und elend fühlen sollte und den Spaß am Boxen verloren habe, dann würde ich das Handtuch werfen. Meine Mutter wäre die Erste, die ohne Wenn und Aber jubeln würde. Jedes Telefonat mit ihr endet mit der gleichen Frage: Und, Junge, wann hörst du mit dem Boxen auf?

Vielleicht bei einer Niederlage gegen Abraham?
Ich plane ohnehin nicht mehr Jahre voraus, sondern denke nur noch von Kampf zu Kampf. Ob ich nach dem 18. Juli einen Schlussstrich ziehe, weiß ich noch nicht. Das hängt weniger vom Ausgang des Kampfes ab, sondern vielmehr davon, mit welchem Gefühl ich aus dem Ring gehe.

Es bestünde also auch die Möglichkeit, dass Sie als Weltmeister Ihren Rücktritt erklären?
Theoretisch ja. Aber wie gesagt, wie es weitergeht, entscheide ich danach, wie ich mich nach dem Kampf gegen Abraham fühle und was mein Kopf mir sagt.

Haben Sie schon eine Idee, wie Ihre Zukunft als nicht mehr aktiver Boxer aussieht?
Diese Frage beschäftigt mich schon länger. Und was mir ein wenig Sorgen bereitet, ist, dass ich noch keine Ahnung habe, wohin die Reise gehen soll. Aber es wird sich schon etwas ergeben, vielleicht werde ich ja Trainer, schließlich bin ich ausgebildeter Sportlehrer. Zukunftsängste finanzieller Art habe ich nicht, ich habe gut Geld verdient, bin ein bodenständiger Mensch und werde auch im ganz normalen Leben gut zurechtkommen. Ich bin eh nicht der Typ, der sein Geld zum Fenster rauswirft.

Auch im Privaten scheint sich etwas getan zu haben. Es soll eine neue Frau in Ihrem Leben geben. Stimmt das?
Ja, ich bin in guten Händen. Ansonsten konzentriere ich mich auf meine Scheidung. Das Verfahren dauert jetzt schon über fünf Jahre, und ein Ende ist immer noch nicht abzusehen - eine Frechheit.