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Boxen Der "Rabe" gibt auf

Dominic Bösel (SES) hat seinen Interconti-Gürtel erfolgreich verteidigt. Sein Gegner gab in der neunten Runde auf.

Von Janette Beck 20.09.2015, 23:01

Leipzig l SES-Promoter Ulf Steinforth hat am Sonnabend einmal mehr seine Fähigkeiten als „Unterhaltungskünstler“ unter Beweis gestellt. Seine Box-Gala fand erstmals in einem mit 1500 Zuschauern ausverkauften Zirkuszelt statt, hatte im besonderen Ambiente des Freizeit- und Vergnügungsparks Belantis aber viel mehr als „Rummelboxen“ zu bieten.

Zwar vermochte die erfolgreiche Titelverteidigung von Interconti-Champion Dominic Bösel gegen einen handzahmen und chancenlos in der 9.  Runde aufgebenden „Raben“ Maximiliano Gomez (Argentinien) kaum jemanden von den Sitzen zu reißen. Dafür setzte aber das packende Remis im mitteldeutschen Prestigeduell um die deutsche Meisterschaft im Weltergewicht zwischen Felix Lamm und Philipp Schuster (94:96, 95:95, 96:94) der Box-Show die (Zirkus-) Krone auf.

„Ich bin ja immer auf der Suche nach besonderen Veranstaltungsorten – einfach, weil ich denke, dass man den Leuten heutzutage mehr bieten muss, als den reinen Sport“, begründet Steinforth seinen Drang, auch im 15. Jahr des Bestehens seines Boxstalls SES immer wieder Neuland zu betreten. „Die Zuschauer wollen unterhalten werden, und das wurden sie heute, da brauche ich nur in die Runde zu schauen: überall zufriedene Gesichter.“

Mit dem „überall“ hatte Steinforth allerdings ein wenig übertrieben, denn die Abwesenheit des Schuster-Clans bei der abschließenden Pressekonferenz zeugte von Missstimmungen und Protest. Das warf dann doch einen kleinen Schatten auf das Highlight des Abends. Im packenden Duell um die nationale Krone hatten sich Titelverteidiger Lamm und sein Herausforderer einen offenen Schlagabtausch geliefert. Dabei bekamen die Zuschauer all das geboten, was selbst vielen internationalen Titelkämpfen oftmals abgesprochen werden muss: Zwei offensiv boxende Gegner auf Augenhöhe, Hochspannung von der ersten bis zur letzten Runde, Stimmung auf den Rängen aber auch viel Blut und Schweiß bis hin zum (gerechten) Urteil. Denn der heimliche Hauptkampf des Abends hatte in der Tat keinen Verlierer verdient.

Das sahen die Hallenser allerdings anders, sie hatten bereits im Ring ihrem Frust über das Urteil Luft gemacht: „Ich habe den Titel verdient. Ein Rückkampf ist gut und schön, aber was bringt das, wenn man doch wieder betrogen wird?“, war Schuster, dem nur wenige eine solche starke Leistung zugetraut hatten, enttäuscht. Und sein Vater und Trainer Uwe wütete aufgebracht: „Jeder, der Ahnung vom Boxen hat, hat gesehen, dass Philipp gewonnen hat.“ Zustimmung erhielt der „Commander“ von Punktrichter Holger Wiemann: „Viele Schläge von Lamm gingen auf die Doppeldeckung, in meinen Augen hat Schuster mehr und besser getroffen.“

Lamm, der durch das Unentschieden seinen Titel behält, meinte dagegen: „Ich sehe mich als Sieger, aber dann machen wir halt einen zweiten Kampf und stellen das klar.“

Eine glasklare Sache war dagegen der T.k.o.-Sieg von Bösel, der seinen WBO-Gürtel im Halbschwergewicht bereits zum fünften Mal verteidigt hat. Bei seiner Jagd auf den „Raben“ hatte sich der Kapitän des „Team Deutschland“ buchstäblich Fersengeld verdient, denn von Beginn war sein Gegner auf der Flucht. „Dominic hat Gomez gleich in der ersten Runde die Grenzen aufgezeigt, von da lief er nur weg. Da wird es natürlich schwer, jemanden zu treffen“, sagte Trainer Dirk Dzemski. Bösel haderte indes damit, dass es ihm nicht gelang, die für einen „echten“ K.o. erforderliche Schlaghärte aufzubringen: „Ich hab drangehauen, was geht, aber er hat einen Eisenschädel, mir tun die Hände weh.“

Ob die Nummer 1 der WBO-Rangliste 2016 endlich die ethoffte WM-Chance erhält, ließ Steinforth offen: „Im Oktober ist die WBO-Convention in Florida, da werden die Weichen Richtung Zukunft gestellt.“