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Wintersport Eiszeit im Skiverband Sachsen-Anhalt

Im Skiverband Sachsen-Anhalt herrscht Eiszeit: Der ehemalige Vizepräsident Gerd Falkner kritisiert die Verbandsspitze.

Von Daniel Hübner 14.10.2015, 01:01

Wernigerode l Am 7. November lädt der Skiverband Sachsen-Anhalt (SVSA) seine Mitglieder zur Delegiertenversammlung nach Wernigerode ein. Dort stehen Grundsatzfragen an: Wie kann sich der Verband für den Breitensport öffnen, wie können Mitglieder gewonnen werden? Es geht also um keine neuen Probleme, aber sie haben seit dem Rücktritt des Vizepräsidenten Gerd Falkner vor einigen Wochen eine neue Brisanz erhalten. Falkner hat die Defizite aufgedeckt und sie in einer Power-Point-Präsentation, die der Volksstimme vorliegt, zusammengefasst, ergänzt mit Vorwürfen gegen den SVSA-Chef Rüdiger Ganske und sein Präsidium. Von Führungsschwäche, gar -versagen ist dort die Rede. Deshalb hat er fristgerecht einen Antrag zur Satzungsänderung eingereicht, über den die Versammlung entscheiden muss. Dabei geht es unter anderem um die Verkürzung der Legislaturperiode des Präsidiums von vier auf drei Jahren.

Ganske erklärt gegenüber der Volksstimme: „Letztlich gibt die Kritik auch die Gelegenheit, sich noch stärker zu hinterfragen. Wir werden die Zukunft des Skiverbandes jetzt erst recht ins Rampenlicht rücken. Wir können jedenfalls nicht am 7. November einfach zur Tagesordnung übergehen.“

Falkner war nur 14 Monate Vize-Präsident. Aber das war Zeit genug, um sich mal an einem Ort zu treffen und zu diskutieren. Doch genau dies sei beim Verband nicht geschehen, erklärte er im Volksstimme-Gespräch. Er bemängelt, dass er in seiner Amtszeit „nicht einmal den Schatzmeister zu Gesicht bekommen hat“. Er wollte den Verband dem Breiten- und Freizeitsport mehr öffnen. Denn die „Mitgliederzahlen sind abnehmend“, weiß Falkner. Einen Verlust von einem Drittel der Mitglieder hat er in den vergangenen zehn Jahren verzeichnet (aktuell zirka 1200) und ein Viertel der Vereine (derzeit sind 30 auf der SVSA-Internetseite aufgelistet).

Falkner, der 15 Jahre beim Deutschen Skiverband (DSV) hauptamtlich beschäftigt war und mit Renteneintritt in seine Harzer Heimat zurückgekehrt ist, ist sich sicher, man könnte mit den richtigen Angeboten die Menschen zum Skifahren animieren. Aber bei der Struktur und der Aufstellung der SVSA-Spitze sei dies „nicht möglich“. Diese streube sich „mit Händen und Füßen“ gegen einen Wandel. Ganske erwidert: „Man kann nicht in einem Jahr Amtszeit die Verbandspolitik vorantreiben, gleich einen Neuanfang fordern und dann das Projekt wieder beerdigen, weil es nicht gleich nach den eigenen Vorstellungen funktioniert.“

Der Präsident ist „sehr traurig, dass es sich so entwickelt hat“. Im Telefonat atmet er zuweilen tief durch, bevor er antwortet. „Ich teile die Position von Herrn Falkner“, erklärt er zugleich. „Die Defizite sind da. Aber man muss sie auch objektiv beurteilen.“ Ganske, seit 25 Jahren der SVSA-Chef, riss drei Gründe an, die zu diesem Mitgliederschwund geführt haben: demografischer Wandel, Konkurrenz mit anderen Sportarten. Nicht zuletzt „hat auch jeder Verein seine eigene Geschichte“.

Ganske, 64, hatte zudem weit vor Falkners Zeit einen anderen Plan, den er nach wie vor umsetzt. Er will den Skisport wieder als Fördersportart in Sachsen-Anhalt etablieren, um finanzielle Unterstützung vom Land zu erhalten: „Wer Geld will, muss Leistung bringen.“ Vorreiter dafür ist Langläuferin Jessica Löschke vom TSV Leuna, die vor drei Jahren zur Eliteschule des Sports nach Oberwiesenthal wechselte, aber noch heute für ihren Heimatverein startet. Diesem Beispiel folgten die Skispringerinnen Josephin und Pauline Laue vom SFV Rothenburg, die das Sportgymnasium Klingenthal besuchen. Der Nächste wird der Langläufer Max Kermer sein, der ebenfalls in Oberwiesenthal seine Leistungssportkarriere einschlagen, aber durch den Start für den SV Hasselfelde weiter die Farben Sachsen-Anhalts vertreten soll. Ganskes Hoffnung war und ist, das Bundesland über seine Talente populär für den Skisport zu machen. Aber er weiß auch: „Wir müssen eine bessere Balance zwischen Talenteförderung und Breitensport finden.“

Falkner ist nicht gegen Leistungssport, betont er. Vielmehr sei entscheidend, wie teuer der Leistungssport bezahlt werden soll. Ein Schuljahr für Jessica Löschke kostet 10 000 Euro. „Das ist ein Kraftakt, der ohne den TSV Leuna und regionale Sponsoren nicht zu bewältigen ist“, hatte Ganske bereits vor zwei Jahren erklärt. Falkner fragt nun: „Reicht es dem Verband aus, dass man alle paar Jahre mal einen Anführer der Bestenliste im Nachwuchsbereich hervorbringt?“ Und ergänzt: Auch er habe „etliche Jahre“ gebraucht, um „diese Sichtweise zu entwickeln“.

Auch Ganske, zuständig für Schierke in der Abteilung Wirtschaftsförderung der Stadtverwaltung Wernigerode, ist sich sicher, dass Talentförderung allein nicht reicht, um neue Mitglieder zu gewinnen, Mehreinnahmen zu verzeichnen, den SVSA über die Grenzen des Landes bekannt zu machen. „Aber Angebote für den Breitensport fallen nun mal nicht vom Himmel.“ Er setzt sich deshalb für das neue Skiparadies Winterberg in Schierke ein, das am 16. Dezember 2016 seine Pforten für den alpinen Sport und den Langlauf seine Tore öffnen soll – für den Breitensport.

Ganske mag von Falkners Kritik menschlich enttäuscht sein, daraus macht er keinen Hehl. Aber gleichzeitig lädt er ihn zur Zusammenarbeit ein. „Ich hoffe, dass wir uns wieder zusammenraufen können.“